Zwei Jahre nach ihren ersten beiden Maxis auf Blackest Ever Black, die noch stark den düstersten Winkeln des Dubstep verhaftet waren, präsentiert das Duo Raime, zwei Klangkonstrukteure, die sich offensichtlich auf Warehouse-Raves ebenso wohl fühlen wie im konzeptuellen Zusammenhang abstrakter Kunstgalerie-Soundinstallationen, nun sein erstes Album. Dabei ist der Name ihres Labels hier Programm, und das bekommt, nach Veröffentlichungen von Regis, Vatican Shadow oder Whitehouses William Bennet als Cut Hands, mit dieser Veröffentlichung durchaus so etwas wie sein erstes endgültiges Manifest.
Denn die Dunkelheit und Düsternis dieses nur knapp 38-minütigen Mini-Albums steht beim Hören im Raum wie ein massiver, schwarzer Monolith – da macht auch die vermeintliche Kürze keinen Unterschied, dies ist ein tonnenschwerer Brocken, sozusagen das Äquivalent zu einer kleinen, immens komprimierten Kugel dunkler Masse mit dem Gewicht eines ganzen Universums. Einflüsse aus Dubstep (wenn auch nur noch in Artefakten), Musique Concrete, experimenteller Siebziger-Jahre-Synthesizer-Musik und tief verhalltem Techno kombinierend, sind diese sieben, in ihrer Melancholie tief emotionalen Stücke ein definitives Statement, die imaginäre Filmmusik zu einer Reise ans Ende der Nacht, Kopfbildmusik par excellence. Man lausche nur dem von einer epischen auralen Korrosion durchsetzten „The Walker In Blast And Bottle“ – als vorletztes Stück so etwas wie der dramaturgische Höhepunkt des Albums: Ein in somnambuler Manie vor sich hin schreitendes Klangkonstrukt, welches sich erst in psychotisch vibrierende Synthesizerflächen hineinwindet, dann sein Crescendo in verzweifelten Schreien findet, bevor es langsam verebbt wie die Dunkelheit der Nacht im hypnotisch zirkulierenden Abfluss des Morgens. Da ist die Assoziation von elektronischem Doom Metal weitaus angebrachter als die Delay- und Reverb-verwaschenen Dubsteps. Musik wie eine in Zeitlupe durch die Nacht kriechende, subsonische Schlange dunkelster Antimaterie, ein alles in sich einsaugendes aurales schwarzes Loch. Und dabei von so filigraner Schönheit wie die nihilistischen Dekadenzpoesien des Fin de Siècle – man denke etwa an Charles Baudelaire oder Joris-Karl Huysmans.
Mit kontemporärer britischer Bass Musik hat das nur noch ansatzweise zu tun, auch wenn diese Herkunft in den tiefen Subbasswellen durchaus noch imminent ist. Musik, die so schön wie zugleich furchterregend ist.
Stream: Raime – Your Cast Will Tire