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FRAKTUS Reingedrängelt in die Geschichte

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Es begann bescheiden in Brunsbüttel 1979, mit der 7-Inch „Big Bell“, auf der nicht etwa Glocken zu hören waren, sondern kläffende Hunde. Wenig später spielte die Band Fraktus bereits mit großen Namen neuer deutscher Unterhaltungsmusik wie den Vielleichtors (Düsseldorf) oder Fickfehler (Hannover). Selbst gebaute Instrumente, harsche Elektronik, abstrakte Texte: Sie waren visionär. Doch 1983, kurz vorm Durchbruch in den Mainstream, die Trennung im Streit. Während ihrer vier Jahre aber haben Fraktus so ziemlich alles erfunden, was in elektronischer Musik einmal wichtig werden sollte, von der „Blue Monday“-Bassdrum bis zum Acid-Smiley. Also letztlich Techno überhaupt.

Von dieser unfassbar einflussreichen, aber leider verschüttgegangenen Band erzählt Lars Jessens Pseudo-Doku Fraktus. Und von einem Musikmanager, der seine Karriere damit retten will, dass er sie für ein Comeback wieder zusammenbringt, gespielt vom besten deutschen Kinoschauspieler, Devid Striesow. Als getriebener Musikindustrie-Soldat trägt er die Lederjacke aus Lichter auf, bis er am Ende die Nerven verliert und laut TV-Nachrichten eine Gruppe Jürgen Drews-Doubles beim Hamburger Schlagermove mit einem Dönerspieß bedroht. Kein Wunder bei diesen Ex-Bandmitgliedern: „Bernd Wand“ (Jacques Palminger) verkauft als künstlerisch ambitionierter Optiker extravagante Brillen, der tumbe „Dirk Eberhard ‚Dickie’ Schubert“ (Rocko Schamoni) hält sich mit dem Internet-Café „Surf’n’Schlurf“ über Wasser, und der korpulente DJ-Ötzi-Verschnitt „Torsten Bage“ (Heinz Strunk) macht auf Ibiza dickes Geld mit Deppentechno. Studio Braun komplett also.

Klingt klamaukig? Ist es nur selten, meist eher trocken norddeutscher Humor mit absurder Poesie vom DJ Koze-Schlage. Fraktus jedenfalls drängelt sich toll rein in die Historie der elektronischen Musik. Führt als Kronzeugen unter anderem Marusha, H.P. Baxxter, Blixa Bargeld, Jürgen Laarmann und den leibhaftigen Westbam an, der freimütig behauptet, von Fraktus das „Sonic Empire“-Ravesignal geklaut zu haben. So wird der Film zu einer Elektronikmusik-Version von This Is Spinal Tap, der fiktiven Metaldoku von 1984, die auch in jener Sequenz zitiert wird, in der die Band backstage durch Kellergänge irrt. Nur dass hier der Soundtrack nicht Fantasymetal ist, sondern von Erobique stammt: eine neoprimitivistische Karikatur von NDW mit viel Acid – und Querflöte. Ein sehr komischer Film, in etwa so dreist hingebogen wie der Endreim aus der raren Live-Version des Fraktus-Hits „Supergau“: „Keine Kontrolle, Roboter drehen durch, keine Kontrolle, wir reiten auf dem Lurch.“

Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte ist ab dem 08. November im Kino zu sehen. Das „Best-of-Album“ Millennium Edition erscheint einen Tag später bei Staatsakt.

 


Video: TrailerFraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte

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