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GESTALTER Doeller & Satter (Robert Johnson)

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Text: Xaver Oehmen
Erstmals erschienen in GROOVE 131 (Juli/August 2011)

Seit zwölf Jahren beweist das Robert Johnson in Offenbach am Main eine konzeptuelle und künstlerische Konstanz wie nur wenige andere Nachtclubs. Seit ein paar Monaten verantworten die jungen Gestalter Doeller & Satter die visuelle Wiedererkennbarkeit von Club und angeschlossenem Label – mit einer ebenso sachlichen wie ausgefeilten Ästhetik auf Flyern, Plakaten und Plattencovern.

Der Holzgraben ist an diesem heißen Dienstagabend eine hektisch verstopfte Straße. Fußgänger, Radfahrer, Lastwagen und Autos – alle wollen hier durch, eine Parallelstraße der Frankfurter Shoppingmeile Zeil. Es riecht streng nach Essen, hier und da stinkt es auch nach Müll. Willkommen in den Hinterzimmern einer Großstadt. Touristengruppen verirren sich nicht hierhin, könnte man meinen. Doch um die Ecke in einem Innenhof lauscht eine gar nicht so kleine Menschenschar einer Stadtführerin in Trekkingsandalen. Touristen, hier? Ja doch, schließlich sitzen hier neben dem Künstler Tobias Rehberger auch das Robert Johnson nebst zugehörigem Label Live At Robert Johnson sowie der Club Michel e.V., eine halböffentliche wöchentliche Tafelrunde. In dem großzügigen Loft im zweiten Stock haben auch Sandra Doeller und Michael Satter ihr Büro. Noch nie von denen gehört? Von ihnen etwas gesehen aber bestimmt! Wer im Frankfurter Nachtleben unterwegs ist, hat sicherlich irgendwo schon mal den merkwürdigen Satz „The drummer is the second most fucked member of a band“ gelesen. Oder das Monatsprogramm des Sinkkasten Arts Clubs in der Hand gehalten. Oder die Getränkekarte der Bar Plank. Alle diese Dinge eint, dass sie von Doeller & Satter gestaltet worden sind.

 

 

Sandra Doeller, 27, und Michael Satter, 32, haben beide an der Hochschule Darmstadt studiert. Kennengelernt haben sie sich durch das Laser Magazine, das Michael Satter während seiner Studienzeit herausgegeben hat. Das Laser als selbst initiiertes Studentenprojekt im Eigenverlag war ein verbindendes Element zum Robert Johnson. Oliver Hafenbauer, beim Club zuständig für Booking, wurde auf Satters Arbeit aufmerksam und fragte eine Covergestaltung für Massimiliano Pagliaras erste Single „Toxic Love“ an. Gesagt, getan. Sandra Doeller lebte zu der Zeit in Zürich und lief Satter bei einem Besuch in Frankfurt zufällig über den Weg. Bei einem weiteren Treffen wurde schnell klar, dass beide ähnliche berufliche Vorstellungen und Ziele verfolgen. So bat Satter Doeller kurze Zeit später um Unterstützung für ein anstehendes Buchprojekt über das Robert Johnson. Die vierwöchige Zusammenarbeit klappte auf Anhieb so gut, dass schließlich beiden klar war: „Wir müssen unbedingt ein Büro zusammen machen.“

 

 

Doeller & Satter haben daraufhin in kürzester Zeit eine eigene visuelle Ausdrucksform gefunden. Die Gestaltung ist schlicht, fast streng – und kommt meist mit einer besonders auffälligen Typografie daher. Anstatt etwa mit großen Landschaftsaufnahmen in dunklen Farbtönen feierliche Stimmungen zu kreieren oder mit Gebirgspanoramen die Dramatik der Natur in Szene zu setzen, stellen Doeller & Satter die formale Eleganz des einzelnen Buchstaben zur Schau. „Typografie ist unser Schwerpunkt und unsere Leidenschaft“, sagt Sandra Doeller: „Unsere Arbeiten zeichnen sich durch eine konzeptionelle Herangehensweise und eine Reduktion der visuellen Mittel auf das Wesentliche aus. Wir machen nicht viel Schnickschnack drum herum, sondern versuchen, unsere Ideen ganz direkt umzusetzen.“ Ein Ansatz, der Verbundenheit mit holländischem Grafikdesign beweist. Und mit Typografie aus der Schweiz, von wo berühmte Schriften wie die serifenlose Helvetica und einige der bedeutendsten Schriftgestalter des 20. Jahrhunderts stammen. Weitere Inspirationsquellen sind Plattencover von Zyx Records. Und nicht zu vergessen der klassische Buchdruck. „Ja, das ist ein Faible von uns“, schwärmt Satter. „Wir sind zum Beispiel sehr inspiriert von der zeitlosen Gestaltung von Willy Fleckhaus für den Suhrkamp Verlag.“

IM ZENTRUM: DIE SCHÖNHEIT DER SCHRIFT

Visuelle Überladung ist den beiden Frankfurter Designern ebenso fremd wie spektakulär grelle Photoshop-Ästhetik. Die Schönheit der Schrift steht im Zentrum. Ein einzelner Satz ist für Doeller & Satter wesentlich ansehnlicher als eine unübersichtliche Collage. Die Buchstaben haben Raum zum Atmen, die Wörter dürfen allein für sich stehen. Und jedes Wort bekommt eine eigene Zeile, so wie bei dem genannten Satz mit dem second most fucked drummer. Wie in der Lyrik wird der Zeilenumbruch zu einem ästhetischen Verfahren aus eigenem Recht. Daneben experimentieren Doeller & Satter aber auch gern. So stellen sie etwa beim Monatsprogramm des Sinkkasten Arts Clubs jedes Mal einen anderen Künstler vor. Und neben der Farbe wechselt auch jeden Monat die Schrift im Namenszug des Frankfurter Veranstaltungsorts. Hier kommen gern mal Schriften zur Anwendung, die andere eher in der Schublade lassen. Gerade dieses Spiel mit Typografie sorgt dafür, dass die Arbeiten von Doeller & Satter im Nachtleben auffallen. Seine Liebe zu Schriften lebt Michael Satter übrigens nicht nur in der Gestaltung aus, er unterrichtet auch andere zu dem Thema: als Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt mit dem Fach Grundlagen der Typografie.

 

 

Von ebenso schlichter Anmut wie die Arbeit mit Schriften ist bei Doeller & Satter die Farbwahl. Ein grünes Cover, eine intensiv rosafarbene Magazinseite oder ein schlicht schwarzes Plakat sind keine Seltenheit. Sie zeigen die Farben als das, was sie sind: eigenständig. Man muss schließlich nicht immer das komplette Farbspektrum auf einer Seite unterbringen, der Maler Yves Klein hat ja auch sein ganzes Leben lang nur mit Blau gearbeitet. Der Arbeitsprozess beginnt bei Doeller & Satter dabei immer ähnlich: „Nach der Recherche überlegen wir zunächst, welche Art von Schrift wir uns bei diesem Projekt gut vorstellen könnten“, erzählt Michael Satter. Für die Label der B.H.F.V.-EP habe Oliver Hafenbauer, eins der beiden Mitglieder des Projekts, beispielsweise von Anfang an mit einer römisch anmutenden Schrift geliebäugelt. „Wir haben dann im Kontrast dazu ein starkes Grün gewählt und ein Bild des Parco dei Mostri (ein Park mit monströsen Skulpturen in Mittelitalien, Anm. d.A.) grob gerastert“, sagt Satter. „Von diesem Kontrast lebt das Cover, ohne antiquiert zu wirken.“ Mit Ausnahme des „Live At Robert Johnson“-Logos haben Doeller & Satter kein festes visuelles Element, das sich auf jedem Cover wiederholt. „Trotzdem kann man erkennen, was von uns kommt“, findet Sandra Doeller. Dieser freie Arbeitsprozess bedeutet, dass ihnen alle Optionen offenstehen. Michael Satter: „Es gibt Projekte, bei denen das Motiv im Vordergrund steht, bei anderen liegt der Schwerpunkt auf dem Text. Für das Album  F o c u s  F o r  I n f i n i t y von Massimiliano Pagliara ging es uns in erster Linie darum, den Titel abstrahiert darzustellen. Die Kristalle auf dem Cover unterstreichen zusätzlich die mystische Atmosphäre der Tracks. In der Zukunft könnte ich mir aber auch vorstellen, ein Cover zu entwerfen, das sich auf den Künstler konzentriert – ein ganz einfaches Porträt, wie damals bei den Plattencovern der Siebziger und Achtziger.“

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