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ROMAN FLÜGEL „Zeit, meinen eigenen Klang zu finden“ (Teil zwei)

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Text: Heiko Hoffmann, Foto: Nadine Fraczkowski
Erstmals erschienen in Groove 130 (Mai/Juni 2011)

Teil eins | Teil zwei

Playhouse und Klang wurden gemeinsam von Heiko M/S/O, Ata, Jörn Elling Wuttke und dir betrieben?

Auf dem Papier gab es immer nur einen Eigentümer. Die anderen waren in der Geschäftsform nie am Label beteiligt, trotzdem gab es natürlich ständig gemeinsame Entscheidungen, nicht zuletzt über die Musik. Ich zum Beispiel habe mich zwar vor allem um Klang gekümmert, aber, wenn überhaupt, nur Geld aus meinen eigenen Produktionen bekommen. Ata war der große Ideengeber und entsprechend inhaltlich für das Label sehr wichtig, aber faktisch seit Mitte der Neunziger nicht mehr Mitinhaber. Von da an hat sich vor allem Heiko M/S/O um die Geschäftsführung gekümmert. Jörn hat sich von Anfang an maßgeblich um den Sound der Platten verdient gemacht. Vielleicht hätte man rechtzeitig die finanzielle Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen müssen, um durch gegenseitige Kontrolle und eine andere Geschäftsform Risiken zu minimieren. Aber wir sind alle als Musik-Freaks an den Start gegangen, nicht als Betriebswirte. Durch die finanzielle Krise des Labels entstand für alle Beteiligten eine schwierige Situation, weil wir miteinander befreundet waren, auf so viele gute Momente zurückblicken konnten und sich dadurch trotzdem auch privat Gräben aufgetan haben. Ich habe als Künstler zum dritten Mal erlebt, wie eine Plattenfirma nicht mehr handlungsfähig war, zuerst mit Harthouse, dann mit Ladomat und zuletzt mit Playhouse. Es war hart zu realisieren, dass es schließlich auch uns getroffen hat, und es hat einige Zeit gedauert, das zu verarbeiten. Das hat mich zeitweise gelähmt. Deshalb war es auch so wichtig, mich da irgendwann rauszuziehen.

Hast du das Gefühl, dich gerade in einem neuen Abschnitt zu befinden, was deine Arbeit betrifft?

Ja. Die Zeit, die ich davor hatte, war ja mit den beiden LP-Produktionen für  T r a n s p h o r m e r  und  W h y  N o t ? !  von Alter Ego sehr intensiv. Und dann folgte ein Tourwahnsinn, im Zuge dessen wir eigentlich überall gespielt haben. Ich hatte in der Phase aber gar keine Zeit, meinen eigenen Klang zu finden. Und diese Zeit nehme ich mir jetzt. Ich will im Augenblick auch erst mal wieder die Erfahrung machen, ein eigenes Album aufzunehmen. Mein letztes, als Eight Miles High, liegt ja mittlerweile fast zehn Jahre zurück.

Hattest du das Gefühl, mit Alter Ego nicht weitermachen zu können?

Ich wurde von einem Wahnsinn durch die Szene getrieben und habe an Orten und in Situationen gespielt, wo der Moment vielleicht toll war, die aber letzten Endes wenig mit meiner Persönlichkeit zu tun hatten. Wir wollten mit der Musik, die wir mit Alter Ego gemacht haben, den Leuten ja keine Lügen auftischen. Auch die größte Party hat für mich immer noch etwas damit zu tun, dass man noch ein Fünkchen Seele im Klang findet. Wenn ich mich dann aber an einem Ort wiederfinde, wo sozusagen kein Soul ist, dann kann ich da auf Dauer nicht bleiben. Ich habe gespürt, dass ich so einfach nicht weitermachen will. Für mich war das eine Sackgasse, aus der ich raus musste.

Du hast dich also bewusst gegen die großen Rave-Hallen und für die kleineren House-Clubs entschieden.

Ja, aber wir haben ja auch mit Alter Ego Electro-House nicht in der Konsequenz verfolgt, wie es danach vielleicht Justice und Ed Banger gemacht haben. Wir konnten und wollten das gar nicht. Wir saßen ja auch mit Alter Ego auf den Festivals zwischen den Stühlen. Insofern bewege ich mich jetzt lieber wieder in einer kleineren Nische, als mich zu verbiegen.

 


Video: Alter EgoRocker

 

Und wie ist der aktuelle Stand bei Alter Ego?

Wir spielen nach wie vor gelegentlich live, weil es uns Spaß macht. Aber wir fangen jetzt erst gerade an, darüber zu sprechen, wohin die Reise weiter gehen könnte. Die entscheidende Frage ist: Kann man sich noch mal gemeinsam so weit inspirieren, dass man überhaupt ein Album macht? Wir haben uns zwar schon getroffen und angefangen, erste Sounds aufzunehmen, aber noch in keinster Weise zu programmieren oder zu arrangieren. Im Augenblick konzentriere ich mich auch wirklich auf mein eigenes Album.

Woran arbeitet dein Alter-Ego-Partner Jörn Elling Wuttke?

Das weiß ich auch nicht so genau. Wir sehen uns zwar gelegentlich, aber wir reden da nicht so drüber.

Und euer gemeinsames Studio wird seit Jahren nicht benutzt?

Das wird tatsächlich nicht benutzt, weil ich für meine eigenen Sachen ein anderes kleines Studio nutze. Unsere Geräte stehen aber bereit, und es ist auch alles abgestaubt (lacht).

Ihr habt mit Alter Ego die Blaupause für einen Sound produziert, der heute erfolgreicher ist denn je.

Die haben das ja auf eine ganz andere Ebene gehoben, eine die für uns wahrscheinlich unvorstellbar war. Wir haben gemerkt, dass da für viele Leute eine neue Zeitrechnung begonnen hat, gerade auch für Jüngere, die vielleicht zum ersten Mal auf ein Festival oder eine Techno-Party gegangen sind. Leute, die die ganze Tradition von House und Techno erst mal gar nicht interessiert hat, sondern die vor allem Party haben wollten. Auf der einen Seite ist das großartig, auf der anderen Seite kann man selbst nicht eine Party feiern, die man gar nicht mehr richtig empfindet. Es war toll, dafür so eine Art Grundstein zu legen. Aber was macht man, wenn das Ganze irgendwann so entfesselt ist, dass man merkt, dass das gar nicht das ist, was man wollte?

DJs wie Erol Alkan, mit dem ihr ja auch schon zusammengearbeitet habt, legen jetzt auch ganz anders auf als noch vor ein paar Jahren.

Vor einigen Jahren hatte ich Erol Alkan noch als Gast in der Panorama Bar, wo er seine Indie-Dance-Platten aufgelegt hat. Da gab’s noch kein Gebratze und Gezerre.

Wenn zum Beispiel ein neues Boys-Noize-Album erscheint: Hörst du dir das an?

Ja, sicher. Ich bekomme die Sachen auch zugeschickt und finde das auch teilweise interessant. Aber für mich als DJ ist das nichts. Da liegt mir als altem wimp Dial gerade näher als Boys Noize (lacht).

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