Seit UK-Funky vor etwa zwei Jahren auch außerhalb Großbritanniens in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt ist, hat der Stil eine erstaunliche Entwicklung genommen. Das anfänglich noch sehr rohe Gemisch aus House, Grime und Brokenbeat hat sich inzwischen – ähnlich wie Dubstep – in alle mögliche Richtungen ausdifferenziert. Die bemerkenswerteste Entwicklung der vergangenen Monate ist dabei, dass ein Teil der Funky-Produzenten sich wieder stärker dem klassischen House und der geraden Bassdrum annähert. Ein Grund dafür mag natürlich die gestiegene internationale Aufmerksamkeit sein und der Umstand, dass auch House- und Techno-DJs in New York oder Berlin den Stil für sich entdeckt haben. Einer der Vorreiter der Hinwendung zu House ist <b>Julio Bashmore</b> aus Bristol, den Claude Vonstroke für sein Label Dirtybird unter die Fittiche genommen hat. Bashmores Interpretation von Funky passt hervorragend in den Koncontent:encoded von Dirtybird, da sie mindestens so viel Anleihen bei amerikanischen House-Spielarten nimmt wie bei britischen Ravetraditionen. Gut zu hören ist dies auf Bashmores neuster Maxisingle „Batak Groove/Around“, die beim Bristoler Label Soul Motive erschienen ist. Vor allem das extrem entspannte „Around“ klingt mit seinem warmen Klangdesign und den Jazzsamples sehr stark nach klassischem Deephouse, besitzt aber dank der ungeraden Snare und der in der Vordergrund gemischten Bassline trotzdem einen unverkennbaren UK-Groove. Die A-Seite „Batak Groove“ ist minimaler gehalten und verbindet eine harsche Techhouse-Ästhetik mit einem simplen Percussionloop und einem tiefen Dub-Bass. Ohne Zweifel würden bepope Tracks auch in einem Minimalhouse-Set nicht fehl am Platz wirken.<br/><br/>
Dies gilt auch für <b>Cooly G</b>s neue Hyperdub-Veröffentlichung „Up In My Head/Phat Si“. Die „erste Dame“ des Funky-Kosmos zeigt darauf jedoch zwei Seiten: Während bei der A-Seite „Up In My Head“ ihre selbst gesungenen Soulvocals auf eine verzwickte Beat-Programmierung treffen, geht die B-Seite „Phat Si“ mit ihrer Bleep-Melodie wesentlich mehr nach vorn. „Phat Si“ steht stellvertretend für einen weiteren aktuellen Funky-Trend: die Verwendung von Retro-Synthesizer-Klängen, wie sie bei Wonky und Dubstep bereits länger in Mode sind. Ein weiteres Beispiel dafür ist <b>DJ Naughty</b>s Track „Goosebumps“, der auf dem Label Kicks & Snares von Funky-Botschafter Roska erschienen ist. Im Mittelpunkt des Stücks steht ein schräges Synthesizerriff, wie es auch Zomby oder Skream nicht besser hinbekommen hätten. Passenderweise findet sich auf der Maxisingle auch ein Remix des Wonky-Dubstep-Produzenten Gemmy, der die Ursprungspopee von DJ Naughty gekonnt in das Dubstep-Format transportiert. Kicks-&-Snares-Chef Roska wiederum hat für sein neustes Stück „Amhara“ (Brainmath) sein <b>Bakongo</b>-Alias übergestreift und zeigt dabei, dass er neben hüpfendem Funky auch wunderbar schwingenden Brokenbeat produzieren kann.<br/><br/>
In eine ganz andere Richtung geht die aktuelle Veröffentlichung des Londoners <b>Wonder</b>. Der ehemalige Grime-Produzent stand schon immer für extrem düstere und minimale Klanggebilde, mit „The Flow“ (Dizturbed) knüpft er jetzt jedoch statt an Londoner Straßensounds an Techno an, mit paranopop klingendem, aber dennoch tanzbarem Ergebnis. Auf der B-Seite hebt übrigens ausgerechnet Bakongo alias Roska die rigpope Technostruktur wieder auf und verwandelt den Track in eine Art Grime-Stück auf Housetempo.<br/><br/>
Je mehr sich Funky international ausbreitet, desto häufiger tauchen auch Stilinterpretationen von Künstlern auf, die nicht aus Großbritannien stammen. Eine tolle Mischung hat zum Beispiel der New Yorker Produzent <b>Kingdom</b> gefunden, der auf seiner „That Mystic“-EP (Night Slugs) Funky mit Grime, HipHop und US-Techno-Varianten wie Ghettotech oder Juke kreuzt. Die ganze EP klingt extrem roh und in etwa so, als hätte eine Bande englischer Dubstep-DJs nach einem USA-Besuch beschlossen, mit einer Reihe von HipHop-Platten als Samplequellen in extrem bekifftem Zustand Housetracks zu programmieren. Kein Funky im engeren Sinne ist auch „Smooth Skin“ (Deep Medi) des Dubstep-Außenseiters <b>Quest</b>, der für das epische titlestück seiner Maxisingle das Tempo seines fließenden Ambientsteps auf gefühlte 100 Beats pro Minute absenkt und damit den besten Set-Abschlusstrack der Saison geschaffen hat – nicht nur für Dubstep- oder Funky-DJs.