Dubstep ist tot. Was sich schon lange angedeutet hatte, ist 2009 endgültig eingetreten: Das Genre hat sich in derart viele Spielarten aufgeteilt, dass es kaum noch sinnvoll ist, sie alle unter einem Namen zusammenzufassen. Ein Blick auf einige der CD-Erscheinungen des vergangenen Jahres macht die Unterschiede deutlich. Zombys Synthesizer-Sound auf One Foot Ahead Of The Other (Ramp) hat auch nach dem zweiten Hinhören nicht mehr viel mit den Houseausflügen von Martyns Great Lengths (3024) oder dem Ravestep von Caspas Everybody’s Talking Nobody’s Listening (Sub Soldiers) gemeinsam. Auch in den Clubs lässt sich diese Tendenz beobachten. War es vor kurzem noch möglich, bei einer Dubstep-Veranstaltung alle Formen des Genres zu hören, gibt es inzwischen immer mehr Spartenveranstaltungen. Und fast jeder DJ, der sich im weitesten Sinn der Szene zugehörig fühlt, kann von einem Set erzählen, bei dem jemand fragte: „Wann spielst du endlich Dubstep?“
Diskussionen über die Auslegung des Begriffs gibt es seit seiner Erfindung. Für die einen hört sich Dubstep am besten entspannt im Kopfhörer, für andere war und ist es pubertäre Jungsmucke. Das Schöne daran war, das alle irgendwie Recht hatten. Die Offenheit des Konzepts und der Musik war ein wichtiger Grund für die Attraktivität des Genres. Wenn aber immer mehr Leute nur noch einen Teil der Strömung mit dem Wort „Dubstep“ verbinden, ist es wohl an der Zeit, sich von dem Namen als Überbegriff zu verabschieden. Es ist schade, aber einfach viel übersichtlicher, wenn mit Dubstep nur noch der Halfstep-Sound der Jahre 2005 bis 2007 und dessen unmittelbare Ableger gemeint sind. Auch an dieser Kolumne ist die Entwicklung nicht spurlos vorübergegangen. Im vergangenen Jahr gab es eigentlich nur eine Folge, die sich ausschließlich mit Dubstep im engeren Sinn beschäftigt hat. Daneben ging es um den Dubstep-Techno-Crossover, um Wonky, UK-Funky und Halfstep-D’n’B. Natürlich gibt es immer noch gute Dubstep-Veröffentlichungen, die auch weiter ihren Platz hier finden werden. Aber die wirklich aufregende, neue Bass-Musik findet sich aktuell im Umfeld von Dubstep – bei all den Minigenres und Stilformen, die an das Genre anknüpfen.
Interessant ist, dass die spannendste Musik auf Plattenfirmen erscheint, die sich auf keinen bestimmten Stil festgelegt haben. Ein Paradebeispiel dafür ist Appleblims Label Apple Pips, das fast alle bis jetzt erwähnten Varianten abdeckt. Für Katalog-Nummer zehn steuert das Schiff jetzt in Richtung UK-Funky und hat dafür den Newcomer Greena an Bord genommen. Die A-Seite „Tenzado“ sampelt Gesang der früh verstorbenen Reggaesängerin Natasja aus dem Pophit „Calabria“, bepope Tracks sind mit Dubstep-Bässen und Tribalhouse-Kriegsgesängen auf maximale Tanzbarkeit gepolt. Auch Soul Motive kümmert sich nach eigenen Angaben um „innovative Bassmusik“. Die neueste Single des Labels aus Bristol enthält zwei UK-Funky-Tracks aus den Händen von Dubstep-Produzenten. Headhunter & Invisible punkten auf „Lovedup“ mit Trompetensamples und einer Psytrance-Basslinie (!), die B-Seite gehört Geioms sehr jazzigen Stück „Luna“.
Zu den Neugründungen des Jahres 2009 gehört das ebenfalls in Bristol ansässige Label pople Hands. Auf die anonyme erste Veröffentlichung mit Dubstep/Techno folgt nun eine Maxi mit drei sehr unterschiedlichen UK-Funky-Stücken. Am besten kam davon beim Einsatz über das „Mehr Bass!“-Soundsystem der sonnige Atki2-Remix von Hanumans „Bola“ an. Die meiner Meinung nach bisher überzeugendste Fusion von Funky und Dubstep bieten jedoch „After The Night“ und „Aztec“ von Martin Kemp (Blunted Robots). Neu ist auch das Londoner Label Project Squared, für dessen erste Veröffentlichung Asusu mit „Small Hours/Taurean“ zwei überdurchschnittlich gute Dubstep-Techno-Stücke abliefert. „Future Garage“ hat sich als Name dafür eingebürgert, was Fantastic Mr. Fox auf seiner „Sketches“-EP (Black Acre) treibt. Gemeint sind 2Step-Beats kombiniert mit Clicks, Cuts und 8-Bit-Klängen, die in diesem Fall eine schön obskure Mischung ergeben. Näher dran an der Dubstep-Formel ist der Finne Desto mit „Disappearing Reappearing Ink/Broken Memory“ (Ramp). Die knalligen Synthesizermelodien, welche die Stücke bemerkenswert machen, wären aber auch auf einer Zomby-Maxi nicht fehl am Platz.
Mehr Bass!
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