Das muss man sich erst mal trauen. Das muss man erst mal schaffen. Mehr als 30 Jahre nach der Bandgründung, mehr als 20 Jahre nach der Debüt-LP noch so frisch zu klingen, noch so sehr vorne dran zu sein und ein derart lockeres Stück minimalistischen Punkfunks hinzulegen, das man sofort anstandslos auf jeder zeitgemäßen Tanzfläche spielen könnte. Eine Platte, die ganz nach dem JETZT klingt, mit Basslines, von denen !!!, The Rapture, Soulwax, das LCD Soundsystem und wie sie alle heißen mögen, immer noch träumen. Und das, so hört man, ohne mit den Menschen und Szenen, die diese Band geradezu vergöttern, besonders viel zu tun zu haben. Trotzdem waren sie dabei, wie James Murphy sagen würde, bei der Eröffnungsparty der Hacienda 1982 in Manchester zum Beispiel oder bei der Abschlussnacht von Larry Levans Paradise Garage 1987 in New York. ESG sind eine Geschichte aus der South Bronx: Die Mutter der vier Schwestern Renee, Valerie, Marie und Deborah Scroggins wollte ihre Mädchen von der Straße fernhalten und kaufte ihnen Instrumente. Sie nannten sich nach den Anfangsbuchstaben von „Emerald, Sapphire, Gold“. Und in der Wohnung der Scroggins-Familie entstand, in einer geschützten Sphäre, mit viel Liebe zu James Brown und Motown aber wenig Ahnung und ohne handwerkliches Können, eine ganz eigene Art von Musik. Deborah ist inzwischen nicht mehr dabei, aber Renee singt immer noch, Valerie spielt Schlagzeug und Marie Percussion. Außerdem ist jetzt Renees Tochter Nicole Bassistin, und Valeries Tochter Chistelle hat die Gitarre übernommen.
Zusammen macht diese Familie – immer noch – Musik, bei der alles Rhythmus ist, alles Antrieb. Eine Art Totalfunk, handgespielt und so skelettiert, dass dagegen der von James Brown oppulent wirkt. Der Trick ist immer gleich: Erst werden eine knorpelige, mächtige, alles beherrschende Bassline und ein mechanistisches Schlagzeug gestartet wie eine Maschine. Damit kommt eine Walze in Bewegung, eine nicht mehr aufzuhaltende, stoische, massige Walze, die alles niedergroovt, was nicht bei drei an der Bar ist. Dann kommen Kuhglocken, Bongos, Congas, Tambourine und sonstige Bollerperkussion zum Einsatz – eben das Zeug, das die Scroggins-Frauen schon bearbeitet haben, als manche der Hipsternerds, die diesen Sound jetzt so vergöttern noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen sind. Und manchmal sprechsingt Renee Scroggins dazu ein paar inhaltlose Mantrasätze wie „Gimme a blast“, „It’s purely physical, baby“ oder „Keep on moving“, die auch nichts weiter sind als ein Rhythmusinstrument. Und das war es. Mehr nicht. Sie lassen das einfach so stehen, ohne Extras, ohne Fisimatenten, ohne Effekthascherei. „Produktion ist Reduktion“, haben Booka Shade letztens hier im Heft gepredigt, und das beherzigen ESG schon seit drei Jahrzehnten wie kaum jemand sonst. Die Ruhe dazu muss man erst mal im Arsch haben. Nach all den Jahren.
Keep On Moving
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