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Inertial Frame

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Nur wenige Produzenten erschaffen einen Sound, der so viel Körperlichkeit besitzt, und bei dem man die Bausteine der Musik so greifbar vor sich hat, wie Gerald Donald. Während bei anderen eine Bassdrum wie ein kurzer Schlag klingt, wäre bei ihm eher das Wort Aufschlag passender. Wenn bei anderen eine Fläche oder ein Chor nur eine Ebene ausmacht, klingt bei ihm die Weite eines ganzen Kontinents an. Hier hat Techno, oder genauer gesagt Electro, ein Leben und eine Vitalität, bei der man sich wirklich vorstellen kann, dass in Maschinen auch ein Leben mit Seele stecken kann. Eben diese wahnwitzigen Klangdiamanten findet man auch auf seinem neuesten Album, das uns mit seinem Cover einer mathematisch korrekt berechneten Spindel in die Welt der Wissenschaftler und Ingenieure entführt. Doch hat sich Gerald Donald nach seinem letzten Album für Rephlex noch in seinem Sound gewandelt?
Seiner Klangqualität ist er absolut treu geblieben, und mit Stücken wie „Axis Of Rotation“ oder „No Boundary Condition“ liefert er Electro in seiner reinsten Form, der mit seiner erdrückenden Monotonie wie ein Zentnergewicht auf dem Gemüt liegt. Dennoch kann man ihn einfach nur lieben. Ebenso „Infinite Density“, bei dem die Snaredrums wie Peitschenhiebe klingen, und der in seiner ganzen Machart von allen Dopplereffekt-Platten (deren Produzent ebenfalls Gerald Donald ist) eine Soundpostkarte geschickt bekommt. Oder „Chandrasekhars Limit“, das uns an kein Morgen oder Später mehr glauben lässt.
Unverständlich und meiner Meinung nach etwas verunglückt sind Donalds eigenen Gesangsversuche in Stücken wie „Event Horizon“, „Twin Paradox“ oder am Ende bei „Gravitational Lense“. So als ob niemand ihm vorher gesagt hätte, dass dies einfach nur gruselig schlecht klingt. Ähnlich wie bei Tiga, der bei seinem Album auch an der Stimmhürde scheiterte, skippt man dann lediglich weiter, und so zerfällt „Inertial Frame“ an diesen Stellen in seine Bestandteile. Genau darin liegt die Hauptkritik: Von den 13 Tracks ähneln zu viele Stücke einem Edit oder der Version, die man sonst auf einer EP auf der B-Seite finden würde. Bestes Beispiel „Ergosphere“, bei dem kein Schritt vor oder zurück gemacht wird und bei dem auch das Tempo keinerlei Richtung angibt. An sich wäre das völlig legitim, aber die Mehrzahl dieser Tracks raubt dem Album ein stimmiges Gesamtbild. Wenn man sich dann an Donalds Album „Wireless Internet“ erinnert, wird einem schon schwer ums Herz. Dort gaben Ausnahmetracks wie „iMode“ und „NTT DoCoMo“ den Rahmen für ein Album, das nie zu wenig und auch nie zu viel bot. Bei „Inertial Frame“ hängt man streckenweise wie ein Astronaut aus „2001 – A Space Odyssey“ im luftleeren Weltraum und wartet, wie sich Computer Dave wohl als nächstes entschepopen wird. Untergang oder Rettung? Die Antwort wird hier lepoper nicht gegeben.

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