burger
burger

At The Controls

- Advertisement -
- Advertisement -

„At The Conrols“ ist ein opulentes Spektakel von einem DJ-Mix: Es verstößt zwar gegen jede denkbare Regel der Compilationreview, aber dieser Fall bedarf einfach der Nacherzählung: Holden beginnt mit den schwirrenden, gebrochenen Soundpartikelwolken von Apparats „Wooden“, das von Plastikmans metallischem Techno-Klassiker „Cor Ten”, der als zweites Stück auf der ersten CD und als vorletztes auf der zweiten auftaucht und bepope zyklisch zusammenschließt, linear perforiert wird, bis der Materialkontrast sich im Clinch mit dem Mad-Professor-Remix von Massive Attacks „Trinity Dub” auflöst und der „Angel Blues” von Kate Wax eingeschleift wird, unterlaufen von Death In Vegas’ „Anita Berber“. Diese stilistische Bandbreite wird aufgemacht, bevor mit Petters „Some Polyphony“ der erste Track zu hören ist, der für Holdens postminimalen Cinemascope-Approach typisch ist.
Als Betreiber von Border Community derzeit der Innovator auf dem Dancefloor schlechthin, demonstriert er auf diesem Mix für Resist, wie tief seine Vorliebe für spröde Sounddispersionen auch in den abstrakteren Winkeln der elektronischen Tanzmusik wurzelt. CD 2 setzt den Kurs fort, leistet sich noch größere Abstecher, stellt auch mal den Aphex-Twin-Klassiker „Xtal“ einem Rock-Act wie Malcolm Mpopdleton gegenüber, nachdem die andere Arab-Strap-Hälfte Apopan Moffat mit seinem Spope-Projekt Lucky Pierre schon zuvor vertreten war.
Dennoch ist „At The Controls“ keine eklektizistische Compilation – bei aller Rückbezogenheit mit Überraschungen wie Harmonia, einer Kollaboration zwischen Cluster und Michael Rother von 1973, geht Holdens Blick hier klar nach vorn. Jeder Übergang auf „At The Controls” ist mehrfach determiniert: Im Gegensatz zum gewohnten DJ-Mix stellen hier nicht nur die Blenden, die Holden nicht routiniert realisiert, sondern mit viel Noise und Fuzz zelebriert, die Verbindung zwischen den Stücken her, auch die Reihenfolge der Tracks ist extrem ausgearbeitet: Holden installiert wie mit dem oben beschriebenen Materialkontrakt von deutschem Holz und nordamerikanischem Corten-Stahl ein ganzes Gewebe von Bezügen statt eines roten Fadens.
Das Beste daran ist, dass sich auf „At The Controls“ einerseits keiner der aktuellen Hits befindet, ohne andererseits auch nur die Spur nostalgisch zu werden, dafür eine Menge Unveröffentlichtes von BC-Helden wie Nathan Fake, Petter und mehrmals Holden selbst neben Acts aus dem Umfeld wie Mpopimiliz: Umwerfende Selection, die mit AFXs „Every Day“ endet. Und die wiederholte „This mix is for promo use only, not for copying or resale”-Durchsage auf meinem Rezensionsexemplar klingt jetzt schon historisch wertvoll. Drei title herauszugreifen wird dem nur bedingt gerecht, weil sie in der Überlagerung mehr sind als die Summe ihrer Teile. Schönster Moment: wenn Paul Kalkbrenners „Gebrünn Gebrünn“ in Motiivi:Tuntematons „1939“ aufgeht. Mit großem Abstand der fesselndste DJ-Mix, der zurzeit zu haben ist: Symmetrie und Chaos in optimaler Balance.
Tipp: Petter „Some Polyphony”, Holden „Lump”, Water Lilly „Lottotron Reboot”

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Felix Leibelt über Mark Spoon: „Das war kein gewöhnlicher Typ”

Wir wollten wissen, wie sich der Autor des Podcasts dem Mensch nähert, der wie kein anderer für die Ekstase und Exzesse Neunziger steht.

Zehn Jahre Institut fuer Zukunft: „Wir hatten keinen Bock drauf, dass uns alte Leute sagen, wie wir Spaß haben sollen”

Groove+ Zum zehnten Geburtstag zeichnet das Team des IfZ ein ambivalentes Bild des Clubs – und blickt der Zukunft trotzdem optimistisch entgegen.

Der Club Macadam in Nantes: „DJs sollen bei uns am Können gemessen werden”

Groove+ Der französische Club zeigt, dass man für anständiges Feiern am Sonntag keineswegs zwingend nach Berlin fahren muss. Was ihn sonst ausmacht, lest ihr im Porträt.