Bis heute ist der fast ausschließlich unter dem Alias Surgeon operierende Anthony Child einer der einflussreichsten britischen Technoproduzenten. Gemeinsam mit Karl O’Connor und Peter Sutton entwickelte er in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre den so genannten Birmingham-Sound. Die Birminghamer Clique hat einen untypischen Hintergrund: Während in den Achtzigern die typische Sozialisation der späteren Technomusiker oft über die Musik von Depeche Mode, Kraftwerk oder Grandmaster Flash verlief, waren es bei der punkaffinen Clique aus Birmingham Postpunk und Industrial, Bands wie Coil oder Suicide. Dementsprechend roh und zerrissen klang ihr Technosound. Surgeon war dabei besonders insistierend, er trieb die Architektur der Tracks über die Grenzen ihrer Auflösung hinweg. Für seine einflussreichen fünf Alben und diversen Maxis wird er bis heute glühend verehrt. Surgeon hatte nichts von der Flüchtigkeit und Ungreifbarkeit vieler anderer Technoacts, vielmehr vermittelte er die über die Musik hinausgehende Glaubwürdigkeit einer Punkband. 2001 hielt er diesen Ansatz für ausgeschöpft und hörte auf, solo zu veröffentlichen.
Um sich weiter zu radikalisieren, gründete er mit O’Connor die British Murder Boys. Deren Auftritte waren so frei und zerstörerisch, dass die beiden mehrmals von Türstehern aus Clubs geworfen wurden. Nach dieser finalen Grenzauslotung begann Child, wieder zaghaft neue Sololatten herauszubringen.
Der erste Impuls für das neue Album wurde von seinem alten Idol Jeff Mills ausgelöst und dessen Interesse an Sciencefiction. Immer wieder hörte Childs Vangelis’ Blade Runner-Soundtrack. „Mir wurde aber schnell klar, dass dieses Album keine Reise nach außen ist, sondern eine nach innen“, sagt er. Der Produzent begriff, dass er sein Musikverständnis noch tiefer hinterfragen musste. Bis dahin war in seinen Tracks die transgressive Ästhetik der Rockmusik immer spürbar: Sie wollen ausbrechen, Grenzen überschreiten, Strukturen zerstören. Manchmal lösten sich Surgeon-Tracks in Noise auf wie die Songs einer Rockband im Gitarren-Feedback am Ende des Stücks. Diesen Bezug hat er sich für Breaking The Frame ausgetrieben. Er hörte die Minimalisten der zeitgenössischen klassischen Musik, La Monte Young und Terry Riley, und den Freejazz von Alice Coltrane. Lärm und Verzerrung sind heute keine Mittel mehr. Surgeons Klangästhetik ist dosierter und konzentrierter, die Klangfarben sind nüchtern. Sie stellen wenige Assoziationen her, so dass die Aufmerksamkeit ganz auf deren Dynamik gerichtet ist. Die Pattern werden nicht mehr von außen manipuliert und attackiert, ihre Spannung muss jetzt aus ihnen selbst heraus entstehen. Die Tracks setzen auf ganz unterschiedlichen Energielevels an. In den beatlosen Stücken wird die Spannung zwischen Ton und Rauschen erkundet. Die Technonummern sind Klangskulpturen, die aus stehenden, dronigen Klängen modelliert sind. „Dieses Album hat nichts mit Nihilismus zu tun“, erklärt Childs. „Es verfolgt eine utopische Ästhetik.“