Für seinen Beitrag zur Recomposed-Serie hat sich Matthew Herbert mit Gustav Mahler einen der härtesten Brocken ausgesucht, die das Archiv der Deutschen Grammophon zu bieten hat. Bei kaum einem Komponisten der frühen Moderne ging es mehr um die sinfonische Struktur, um das Abbilden überlebensgroßer Emotionen in einem einzigen Stück Musik. Der einfache Weg, sich dieser komplexen Klänge anzunähern, wäre das Herauspicken und Loopen einzelner typischer Soundelemente gewesen, etwa die dröhnenden Waldhörner oder die Tonalitätsgrenzen auslotenden Glissandi – und dabei das große Ganze dieser Musik einfach zu vergessen. Zum Glück ist Matthew Herbert viel ehrgeiziger, will Mahler als Samplekünstler notwendig zitierend auch inhaltlich gerecht werden. Da ist es ein cleverer Zug, sich an Mahlers heterogenem Spätwerk, an der Fragment gebliebenen „Zehnten“ zu versuchen. Herbert unterwirft sich nicht dem zerteilenden Prinzip des Samplings, stattdessen versucht er, Mahler neu und anders zu hören, durch Abspielen und Wiederaufnehmen der Musik in besonderen Situationen an gänzlich unkonzertanten Orten. Diese Orte sind dunkel, muffig und grabesstill, ganz im Sinne Mahlers, der seine 10. Symphonie als Ausdruck von Einsamkeit, Trauer, Angst und Gewalt verstanden wissen wollte. Das Ergebnis ist die ungemütlichste und beste Folge der Recomposed-Reihe bislang.
MATTHEW HERBERT Recomposed – Mahler Symphony X (Deutsche Grammophon)
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