Dieser Welt ist das Andersweltliche abhanden gekommen. Wo sind die moosbewachsenen Klosterruinen, in denen chimärenhafte Lichtgespenster hausen, die ihren Entdecker mit Melodien bis zum Verderben bezirzen können? Wo sind die goldbeschlagenen Truhen unter dem Bett einer hunderte Jahre alten Kräutersammlerin, die seltsame Instrumente beherbergen, bei denen schon unsere Urgroßväter nicht mehr wussten, wie man sie benutzt? Wo sind die tannenumrankten Berggipfel, die einem mutigen Wanderer im Vollmondlicht den Blick von oben auf alles Sein und damit auch auf sich ermöglichen? Und wo sind die zartfühlenden Menschen, die noch die Fähigkeit haben, an gebrochenem Herzen zu sterben, weil sie ihre Gefühle nicht einfach kontrollieren können? Sie sind aufgeklärt, eingereiht, ausgeleuchtet, trocken gelegt, begradigt, rationalisiert, geerdet, ergründet. Das ist in Tanzmusik nicht anders. So viele Effekte und Beats und Klänge von heute sind so offensichtlich und eindeutig. Man weiß, was passiert, wie es gemeint ist, wohin es führt, was es sein soll, was es ist. Das Geheimnisvolle, Innige und Uneindeutige auf dem Dancefloor fehlt.
Und dann tritt auf die Bühne dieser junge Mann aus der Stadt im Norden, in der die Menschen wegen des schlechten Wetters über ihnen, des großen Meers nahe bei ihnen und weil sie sowieso nicht so viele Worte um alles machen müssen viel Zeit zum Nachdenken und zur gepflegten Melancholie haben. In seinem Knopfloch steckt eine blaue Blume, er ist der Dichterpriester, der die ergründete Effizienz eines modern-schlanken Techno-Clubtracks zwischen Frankfurt, Detroit und Chicago wieder zusammenbringen kann mit der Andersweltlichkeit, dem Zwitterhaften, dem zart Angedeuteten. Hendrik Weber hat schon eine Weile an dieser Fähigkeit gefeilt. Er hat Ambientwolken als Glühen veröffentlicht und spielt bei der Band Stella den Bass. Und er hat als Pantha Du Prince 2004 bei Dial das Debütalbum „Diamond Daze“ unter die Leute gebracht, auf der diese Fähigkeit schon zu hören war, auf der das Pendel jedoch noch zugunsten des Andersweltlichen ausschlug. Auf diesem zweiten Album ist der Techno von Pantha Du Prince nun perfekt in der Balance zwischen Treiben und Treiben lassen, zwischen Extro- und Introvertiertheit, zwischen Club und Klosterruine. Seine Sommerhit-12“ „Lichten/ Walden“ ist noch mal enthalten, wobei die Naturpopylle des Thoreau’schen „Walden“ zu einem Skinner’schen „Walden 2“ weiterentwickelt wurde, in dem das Verhalten auf dem Tanzboden stärker kontrolliert wird. Und „Lichten“ hat sich zu einem zwölf Minuten langen „Urlichten“ ausgeufert. Ein sanfter, melancholischer, fühlendender und, ja: hochromantischer Techno, der so zurzeit nur aus Hamburg kommen kann. Aus der Stadt des Nebels, des Meers und der scheuen Jungmänner.