Auch wenn es wohl nur wenige Personen gibt, die behaupten können, schön öfter in Detroit gewohnt, gelebt oder getanzt zu haben, wird es wohl immer die Hoffnung geben, dass diese Stadt uns neue Talente oder Strömungen schenkt. Die frühere Isolation von Musikern aus Detroit ist längst nicht mehr so omnipräsent und es muss schließlich Folgen haben, wenn ein Richie Hawtin von Berlin aus seine Fäden strickt oder Musikfestivals dem Detroit-Sound eine ganz neue Bühne bieten.
Zu den interessantesten neuen Talenten gehört da sicherlich Jimmy Edgar, der nun sein erstes Album fertig gestellt hat. Dabei scheint es in diesem Falle auch nicht weiter wichtig, ob das englische Label Warp die Plattform der Wahl ist. Auch wenn der uns bereits bekannte Track „I Wanna Be Your STD“ wie eine Produktion von Squarepusher klingt. Dabei könnte man auch sagen, dass er auf diesem Track wie Chaka Kahn rappt. Was uns gleich zum wichtigsten Punkt bringt: Jimmy Edgar geht auf der Straße namens Detroit endlich alle möglichen Wege und hat keine Angst vor neuen Kreuzungen. Er kann funky, jazzy, absolut klassisch oder völlig verstrahlt klingen. Mal klingt er wie ein Sohn vom Orchestermusiker Carl Craig, mal ist er eher ein Verwandter von der Gradlinigkeit eines Juan Atkins. Und das alles unterlegt mit dem Funk von Parliament.
Bei „My Beats“ trifft er ganz den aktuellen Geschmacksnerv; rockender Electro und trotzdem jazzy. Let my rhythm take control. Ok, Edgar – wir folgen deinem Kommando. Für ein Album passend und fast schon zwingend beherrscht er auch abrupte Tempowechsel. So klingt „Personal Information“ wie der Soundtrack zu einem Breaker-Movie mit der Rock Steady Crew. Und da entsteht nicht die klangliche Kälte, die zum Beispiel bei ADULT. aufkommt, wenn sie den Tempoanzeiger nach unten verschieben. Bei „LBLBDetroit“ geht Edgar sogar noch weiter – im Rauch von Gewächsen aus Afghanistan klingt dieser nach Slow-Motion-Pornotechno. Doch gleich danach folgt Linderung in Form von „Telautraux“, ein seltsam schöner Ambient-Hörspiel-Hybrid mit verstörenden Distortion-Geräuschen.
Die Mischung aus Tradition und Experiment bleibt dabei im ganzen Albumverlauf durchgehend spannend und vor allem gilt eins: Man hört zu, man hat diese Ah-ha-Effekte, die ein Album zu einem ganz besonderen werden lassen. Edgars Tracks sind immer Einzelstücke und trotzdem erscheint das Album dabei absolut homogen. Und das erreichen nur Künstler, die wirklich einen eigenen Style haben, weswegen der Vergleich zu Carl Craig gar nicht mal so falsch ist. Wer sich übrigens wundert, warum der CD-Player gute 89 Tracks anzeigt, muss nicht gleich vermuten, das längste Album der Welt zu hören. Nach dem elften Stück folgen einfach sehr viele Pausenfüller, die dann dem letzten Track Platz machen.