Fotos: Press (Sigha)

Der Brite Sigha ist schon eine ganze Weile als Techno-DJ und -Produzent aktiv. Seine Anfänge machte der Wahlberliner James Shaw auf Hotflush, wo er Ende 2012 auch sein erstes Album Living With Ghosts herausbrachte. Vier Jahre später kommt jetzt Album Nummer zwei, Metabolism, auf Token heraus. Im Interview erzählt uns Shaw, warum zwischen den Alben so viel Zeit vergangen ist, was Religion mit guten DJ-Sets gemein hat und wie er dank Regis gelernt hat, mit Internet-Hass umzugehen.

 


 

Du meintest in einem früheren Interview, dass du immer eine recht genaue Vorstellung hast, was du mit einem Release bewirken möchtest. Was war denn die Idee hinter Metabolism?
Shaw: Metabolism entwickelte sich aus einer Periode kreativer Unzufriedenheit, würde ich sagen. Ich befand mich in einem Zustand, in dem ich mit meiner Kreativität unzufrieden war, und war deshalb ganz schön deprimiert. Für ungefähr eineinhalb Jahre hatte ich das Gefühl, mich abzukämpfen, wenn ich im Studio saß. Ich machte eine Menge Nicht-Techno-Kram, eine Menge Ambient, und holte mir davon meinen Kick. Und dann fing ich an, mich zu fragen, warum ich mich eigentlich so fühlte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich es mir vielleicht ein bisschen zu leicht gemacht hatte. Du bist jedes Wochenende unterwegs, und da sind bestimmte Platten und bestimmte Stile, die du spielen kannst, die im Club auf jeden Fall funktionieren. Es ist denke ich sehr einfach, in diese Routine reinzurutschen. Nichts gegen DJs die das machen – aber für mich war es nie das, was mich an Techno fasziniert hat. Ich wollte schon immer Musik, die sowohl für den Kopf, als auch für die Füße ist – und nicht nur straight up party music. Aber über die letzten Jahre bin da wohl in diese Einstellung reingerutscht und die Dinge fingen an, ihren kreativen Reiz für mich zu verlieren.


Stream: SighaMetabolism (Snippets)

Deshalb fing ich an, mir über meine Situation Gedanken zu machen, beim Auflegen und auch im Studio, um mich durch diesen Prozess herauszuarbeiten, anstatt alles hinzuwerfen und zu sagen „Ich will keinen Techno mehr machen“. Und was mir fehlte waren Elemente, die Kontrast erzeugen. Ich liebe kraftvolle, harte Party-Musik, ich liebe graue, düstere Techno-Tools, aber das alles bedeutet nichts, wenn du ihm nichts Kontrastierendes gegenüberstellst. Seien es melodische Elemente und schöne Pads oder schimmernde Streicher. Denn ansonsten wird es sehr schnell eintönig. Was mich an Musik am meisten begeistert, die Momente auf der Tanzfläche, an die ich mich auch später noch erinnere, ist, wenn es eine halbe Stunde lang durchhämmert, es ist super dunkel – und auf einmal bringt der DJ diesen unglaublichen, wunderschönen Moment voller epischer Melodie rein. Das sind die Augenblicke, an die ich mich auch am nächsten Tag noch erinnere, und in der nächste Woche oder im nächsten Monat. Das sind die Dinge, die hängenbleiben: diese Gegenüberstellung von Sound.

Wie lange hast du an Metabolism gearbeitet?
Shaw: Anfang 2015 begann ich damit, an einem Album zu arbeiten. Aber ein großer Teil davon fiel in meine kreative Krise. Ich schrieb ein Ambient-Album und ein langsames, etwas schräges, technoides Bass-Album unter hundert BPM. Und beide verwarf ich wieder, ganz einfach weil ich mir meiner selbst nicht bewusst war, als Künstler. Nach einem halben Jahr hatte ich dann diese, ich sage mal Eingebung, weil mir kein besseres Wort einfällt, was mir als Künstler fehlte und versuchte das in einer Platte zu adressieren. Und daraus entstanden dann Christ Figures und die Our Father EP, die beide auf Token herauskamen. Und wusste ja, dass ich etwas Längeres zu sagen hatte. Von da an versuchte ich immer mehr zu mir finden, und Metabolism ist sozusagen der Höhepunkt davon.

Was hat denn von der studiotechnischen Seite aus das Album geprägt?
Shaw: Ich würde sagen, dass gute 85 bis 90 Prozent der Platte auf meinem Modularsystem entstanden sind. Das hat meinen musikalischen Output zwar massiv verlangsamt, allerdings ist es für mich einfach eine interessantere Art zu arbeiten. Es ist bestimmt nicht für jeden das Richtige, und ich bin sicher nicht einer dieser Hardware- oder Modular-Typen die sagen „Das ist die einzige Art Musik zu machen“. Manche KünstlerInnen machen unglaubliche Musik indem sie einfach vor ihrem Laptop sitzen – es ist das Ergebnis, das zählt. Aber als ich in die Modularsynthese eintauchte, fühlte ich mich zwar einerseits sehr schnell verloren, andererseits fühlte ich mich sehr wohl, in diesem Verlorensein. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe endlich das Gefühl, dass ich die Kraft nutzen kann, die diese Maschine bereithält.

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