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DJ SPRINKLES Midtown 120 Blues (Mule Musiq)

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Nachdem Terre Thaemlitz 2007 mit You? Again? eine großartige CD mit seinen Deephouse-Stücken aus den Neunzigern zusammengestellt hat, schlüpft er nun wieder in die Rolle seines einstigen Pseudonyms DJ Sprinkles. Der spätere Ambient-Musiker, Transgender-Aktivist und Künstler legte in den frühen Neunzigern in Midtown-Manhattan-Clubs wie Sally’s II oder Club 59 als DJ Sprinkles Platten auf. Transvestiten und Transsexuelle warteten in diesen Etablissements in der Nähe des Time Square auf ihre Freier – bis die Walt Disney Company die Blocks der 42nd Street kaufte, und all die Peepshows, Pornokinos und zwielichtigen Schuppen schließen mussten. Ungeachtet der legendären Drag-Balls, die dort stattfanden, sind jene Läden, in denen DJ Sprinkles einst auflegte, nicht Teil der kolportierten House-Musik-Historie.

Um diese, Thaemlitz’ ganz subjektive Wirklichkeit kreist Midtown 120 Blues. „House isn’t so much a sound than a situation“ – dies sind die ersten Worte des Intros. Und Terre Thaemlitz fährt fort mit dem Zerschmettern der Klischees: „House ist nicht universell. House ist hyperspezifisch: East Jersey, Loisaida, West Village, Brooklyn – das sind Orte, die ganz spezifische Beats und Sounds beschworen haben.“ Die Tracks auf Midtown 120 Blues reflektieren die dunkle, ambiente Seite des New Yorker Deephouse-Sounds der frühen neunziger Jahre. Samples der klassischsten Art flackern auf wie die kaputten Leuchtreklamen der 42nd Street von damals. Die Basslines bauen ihren Druck unterschwellig auf. Und in diese wundervolle Melancholie hinein flüstert Terre Thaemlitz Sätze wie diese – immer wieder: „Die Zusammenhänge, aus denen sich der Deephouse-Sound entwickelt hat, sind vergessen: Krisen der Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung, Transgender-Sexarbeit, Hormone vom Schwarzmarkt, Drogen- und Alkoholsucht, Einsamkeit, Rassismus, HIV (…), Polizeiübergriffe, Schwulen-Bashing, Unterbezahlung, Arbeitslosigkeit und Zensur – und all dies bei 120 Beats pro Minute.“ Man will sich mit Terre Thaemlitz auf der Diskursebene nicht immer treffen. Man muss es auch nicht. Midtown 120 Blues ist in jedem Fall eins der fesselndsten House-Alben aller Zeiten. Es ist sogar so gut, dass man sich, nachdem der letzte Track „The Occasional Feel-Good“ verklungen ist, kein weiteres Kapitel in diesem Buch mit dem Titel „Deep House“ vorstellen mag.

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