burger
burger

Version

- Advertisement -
- Advertisement -

Nachdem Techno seinen Status als Mastersound des elektronischen Dancefloors verloren hat, wenden sich große Teile der Szene elektronischen und nichtelektronischen Musiken der Vergangenheit zu, bauen immer komplexere Routen in die Geschichte der Popmusik. Auch wenn die Techno-Baisse der letzten Zeit verständlich und gerechtfertigt ist, weil viele einzelne künstlerische Projekte Endpunkte erreicht haben, wird gerade ziemlich oft übersehen, dass Techno immer noch mehr als alle anderen Popmusiken die Musik der Zukunft ist. Einer der Musiker, der das Potential von Techno erkennt und eine neue, weitreichende Perspektive aufmacht ist Portable. Der aus Südafrika stammende, in London lebende Produzent betreibt selbst das Label Süd Electronics und hat auf Background bereits zwei Alben veröffentlicht, „Version“ auf ~scape ist sein drittes.
Portables Tracks klingen ganz anders als die zurzeit verbreiteten Techno-Stile. Die Sounds sind über das ganze Frequenzspektrum verteilt, die Bässe sind meistens relativ zurückgenommen, was für die DJs ein Problem sein könnte. In seiner Musik gibt es nicht die Monotonie, die man von hartem Techno kennt. Ebenso taucht hier das gesamte Soundspektrum der Laptop-Produktionen mit den flachgefilterten Hi-Hats, mit der gesamten Glitch-Ästhetik überhaupt nicht auf. Portables Musik ist weitgehend perkussiv, sie verwendet aber überhaupt keine bekannten Drumsounds. Das ist das Grundradikale an ihr.
Insgesamt geht es auf „Version“ nicht um Distinktionen, vor allem verkörpert das Album etwas Freudiges, Positives, die Stücke sind süß, freundlich, sie nehmen einen völlig auf – ebenso kann man in ihnen völlig aufgehen. Trotzdem gibt es eine große Unnachgiebigkeit, etwas Rohes, Wildes in dieser Musik. Das Freudige, das Rohe: Abrahams berichtet, er habe schon früh Chicago-House entdeckt, und tatsächlich erinnern seine Tracks in einem bestimmten Moment an alte Chicago-Nummern: Alles passiert in dieser Musik gleichzeitig, sie ist ein scheinbar ungeordneter Clash, es gibt keine Hierarchien in der Anordnung der Sounds, so etwas wie ein Arrangement ist unbekannt. Das einzige, vergleichbare Projekt in der aktuellen elektronischen Musik, das das Interesse einer rhythmisch sehr komplexen und variationsreichen Musik teilt, findet man in einer ganz anderen Szene: bei Tribal-Techno-Produzenten wie Oliver Ho und Deetron, die aber natürlich viel stärker auf den Floor gerichtet sind.
Musste ein Produzent aus Südafrika kommen, um das abzuräumen, was 20 Jahre Studioarbeit an Produktions-Overhead, an leeren Routinen, an nicht hinterfragten Klischees erzeugt haben? Ein Produzent, dessen Musik der Community der elektronischen Musik ihre blinden Flecke, ihre Sackgassen aufgezeigt? Das weiß man nicht. Jedenfalls ist er jetzt da.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Zehn Jahre Institut fuer Zukunft: „Wir hatten keinen Bock drauf, dass uns alte Leute sagen, wie wir Spaß haben sollen”

Groove+ Zum zehnten Geburtstag zeichnet das Team des IfZ ein ambivalentes Bild des Clubs – und blickt der Zukunft trotzdem optimistisch entgegen.

Der Club Macadam in Nantes: „DJs sollen bei uns am Können gemessen werden”

Groove+ Der französische Club zeigt, dass man für anständiges Feiern am Sonntag keineswegs zwingend nach Berlin fahren muss. Was ihn sonst ausmacht, lest ihr im Porträt.

Paranoid London: Mit praktisch nichts sehr viel erreichen

Groove+ Chicago-Sound, eine illustre Truppe von Sängern und turbulente Auftritte machen Paranoid London zu einem herausragenden britischen House-Act. Lest hier unser Porträt.