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Electronica

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„Glücklich ist der, der über dem Leben schwebt und mühelos die Sprache der Blumen und der stummen Dinge versteht.“ Charles Baudelaires dunkle Anleitung zu einem besseren Leben könnte als Motto über so mancher Musik dieser Electronica-Ausgabe stehen. So haben die bepopen Brüder der RV Paintings vermutlich so manchen Baum ihrer nordkalifornischen Heimat umarmt, so manches hiesige Kraut geraucht und so manchen Krötensessel abgeleckt bevor sie Samoa Highway (The Helen Scarsdale Agency/Drone) aufgenommen haben. Da umschlingen mäandernde Gitarren erdige Elektronik und Field Recordings zu einer erhabenen und doch warmen Ambient-Psychedelia. Die lebensnahe Ziellosigkeit dieser Klänge ist ihre große Qualität. Nicht nur mit Natur lässt sich musikalisch kommunizieren, auch mit Architektur funktioniert das bestens, wie der Popavantgardist Felix Kubin auf Echohaus (Dekorder/A-Musik) demonstriert. Mit dem Ensemble Intégrales, so jungen wie ambitionierten Interpreten akademischer Neuer Musik hat Kubin den Wpoperhall, den klanglichen Charakter verschiedener Räume des Hamburger Westwerk ausgelotet und die Ergebnisse zu einem abwechslungsreichen, wenn auch schwer düsteren Elektroakustik-Dub-Album verarbeitet. Mit ganz ähnlicher Herangehensweise hat Anders Peterson alias relapxych.0 auf City Nightlights (Ghost Sounds) die Klänge der verlassenen Bahnhofshallen und Plätze des nächtlichen Stockholm in die Form von erstaunlich freundlichen Ambient-Soundscapes gegossen. Auch die Verständigung mit Maschinen, Vintage-Synthesizer in diesem Fall, kann bei ähnlichen Voraussetzungen zu dramatisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Keith Fullerton Whitman zeigt sich auf Disingenuity b/w Disingenuousness (Pan-Act/Hard Wax) wieder einmal als hartnäckig genialer Experimentator, der seinen edel patinierten Gerätschaften wahrhaft unerhörte Klänge entlocken kann, von dichtem Krach bis zu feinst gewobenen content:encodeduren. Dagegen hält sich der Kraut-Elektronik-Pionier Klaus Schulze auf seinem Live-Album Big In Japan (MIG) immer im Rahmen seiner vor über dreißig Jahren erreichten Innovationen und streift nicht selten die Grenze zum schöngeistigen Kitsch – und doch, all den New-Age-Klischees trotzend, überzeugt die ausgeruhte Schönheit von Schulzes Musik noch immer.
Murralin Lane ist das Duo-Projekt des Schweden Davpop Wenngren alias Library Tapes und der Sängerin Ylva Wiklund. Ihr Debüt Our House Is On The Wall (12k/A-Musik) verknüpft ihre stark bearbeitete und verzerrte Stimme mit einem fragilen Klangfundament aus fein polierten metallischen Drones und unaufdringlichen Feedbacks. Fragile wie ätherische Klänge mit einem leicht beunruhigenden aber auch märchenhaften Effekt – erinnern nicht schon die geisterhaften Gestalten auf dem zweifach belichteten Cover-Foto an Hänsel und Gretel auf dem Weg in den dunklen Wald? Apropos Hexenhäuschen, noch ein kleiner Jahresrückblick: In Zeiten dezentraler elektronischer Musikdistribution und Blog-getriebenen Informationsaustauschs gedeihen Genres schneller als bisher. Eine eher bizarre, aber giftbunt schillernde Blüte dieser Tatsache ist die US-amerikanische „Witch House“-Szene, die seit etwa einem Jahr eine beträchtliche Zahl meist sehr junger Musiker und Musikerinnen mit einem Hang zu düsterer Elektronik und Okkultismus hervorgebracht hat. Was im Internet als semiprivates Netzwerk von MP3/CD-R-Bedroom-Labels begann, findet nun zunehmend auch den Weg in die Plattenläden. Im häufigen schlimmsten Fall ist das lieblos geschnittener Triphop mit Horrorfilm-Samples und Esoterik-Hau, im selteneren besten atmosphärisch dichte elektronische Psychedelik, wie die am melancholischsten Ende von Dubstep angesiedelte EP „See Birds“ von Balam Acab, wie die Elfen-Cosmic-Disco der selbstbetitleten EP von oOoOO (bepope: Tri Angle/Kompakt) oder wie der Shoegaze-Electro King Night von Salem (IamSound/BMG), welche nach nur zweijähriger Band-Geschichte schon so etwas wie die Großeltern des Genres sind.

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