Es gehört nicht nur einfach zu den Besonderheiten, sondern zur grundlegenden, popmythologischen Konstruktion der charismatischen Persona von DJ Harvey, dass seinem enormen Einfluss auf die Underground-Disco- und Balearic-Szene ein vergleichsweise schmaler Output von offiziellen Veröffentlichungen gegenübersteht. Virtuos reitet der passionierte Surfer, vom Musikmagazin Rolling Stone als Keith Richards unter den DJs charakterisiert, die Wellen der Aufmerksamkeitsökonomie. Alle Schaltjahre eine amtlich Äußerung nach der Regel: Willst du gelten, mach dich selten. Künstliche Verknappung, Organisation des Mangels, you name it. Und so ist das jüngste Harvey-Projekt Wildest Dreams als Nachfolger des Locussolus-Albums von 2011 und der Map Of Africa von 2007 zu verstehen. Das Cover zitiert die erste Solo-LP von Randy California von 1972, was durchaus eine Standortbestimmung darstellt: Ein nahezu ungebrochener, psychedelisch gefärbter Westcoast-Bluesrock ist auf den zehn Titeln von Wildest Dreams zu hören, aufgenommen vor ein paar Jahren innerhalb einer Woche, so die Legende, mit Musikern der Reggae- und Afrobeat-Bands The Lions und Orgone als gegenwärtigem Äquivalent zur LA Wrecking Crew. Vocals, Gitarrenparts und Drums hat Harvey selbst übernommen. Das Beste daran: Die Platte übertrifft tatsächlich noch die geschürte Erwartungshaltung – selten hatte Spacerock so viel Groove. Großes Kino, und natürlich unerhört sleazy, was sonst.
Stream: Wildest Dreams – Last Ride