Gemessen am Erfolg der elektronischen Musik in Ostdeutschland gibt es überraschend wenige bekannte Produzenten von dort. Das Trio Northern Lite aus Erfurt, das gerade den Echo-Award für den besten Indie-Act gewonnen hat, performt mit Sänger und Gitarrist und begibt sich auf dem zweiten Album „Temper“ auf den Weg, die Grenzen des elektronischen Dancefloors hinter sich zu lassen. Der Sänger Andreas Kubat schlägt einen larmoyanten Ton an, dem der deutsche Akzent eine gewisse Härte gibt, die zu schätzen in der Popkultur eine große Tradition hat. Die Tragik der Helden Depeche Mode ersetzen Northern Lite durch eine bestimmte Coolness und Distanz. Depeche Mode wollen Liebe und Nähe – die Songs handeln von der Unfähigkeit, diese mit einem anderen oder einer anderen zu verwirklichen. Northern Lite machen aus der Isolation eine glamouröse Geste: „Du weißt, ich kann mich nicht verlieben und das ist eine gute Art, mein Leben zu führen“, singen sie. Diese Coolness ist in der Produktion mit den frei stehenden, im Mix skulptural modellierten Gitarren gut umgesetzt – auch wenn den Dance-Musik-Fans die Gitarren und auch die Beats zu rockig erscheinen werden. Das vermindert selbstverständlich nicht die packende Wirkung des Albums: So wie Kraftwerk einst das originär deutsche Pop-Moment erfinden wollten, erfassen Northern Lite das ostdeutsche „Temper“, dieses bestimmte Naturell, diese spezielle Stimmung.