burger
burger
burger

DJ Fuckoff: „Wow, das ist jetzt mein Leben, ich liebe es!”

- Advertisement -
- Advertisement -

DJ Fuckoff gehört zu den wenigen Berliner DJs, die sich während der Pandemie einen Namen machen konnten. Der Charme ihrer Tracks und Sets liegt darin, dass sie sich die Explizitheit von Ghettotech-Vocals aus weiblicher Perspektive aneignet und das Testosteron der Originale mit einem spielerischen, bisweilen kindlichen Duktus bricht, der vor Rap-Vokabular nicht zurückschreckt.

GROOVE-Autorin Pia Senkel hat die aus Neuseeland stammende Musikerin in der Redaktion getroffen und mit ihr über ihren Umzug nach Berlin, ihre rasante Karriere und über ihr so verspieltes wie sinnliches musikalisches Alter Ego gesprochen.

Jung, voller Energie und Lebensfreude: Das ist Zoe Angelina, der Mensch, der sich hinter dem Namen DJ Fuckoff verbirgt. Wenn die Neuseeländerin Musik macht, nimmt sie nicht nur gerne neue Künstlernamen an, sondern entwickelt einen ganz neuen Charakter. „DJ Fuckoff wurde in Berlin geboren, Zoe in Neuseeland”, erklärt die Künstlerin mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

DJ Fuckoff grinst (Foto: Presse)

„Als ich anfing, Musik zu produzieren, hatte ich das Gefühl, dass die Musik, die ich mache, sich nach einem Fuckoff-Vibe anfühlt. Das ist ein Teil von mir. Sie hilft mir auch, andere Teile von mir auszudrücken, die normalerweise nicht ans Tageslicht gelangen. DJ Fuckoff dient der Selbstermächtigung, gleichzeitig ist sie aber auch so was wie ein Baby. Sie wurde vor zwei Jahren geboren. Also entwickle ich immer noch meinen Sound und lerne, wie die Branche funktioniert, wer ich bin, was ich mag und was nicht.”

Von Hip Hop und Rap zu Techno

In Neuseeland startete Zoe ihre musikalische Karriere im Hip Hop und Rap. „Es gibt ein paar geheime Aliasse, die sich in den Tiefen von SoundCloud verstecken. Ich habe einen Alias, von dem niemand weiß. Damit mache ich eine Art nasty Rap, der in Richtung Trap geht. Außerdem produziere ich mit einem anderen, sweeten Hip-Hop-Charakter Lovesongs – damit beschreibe ich mein eigenes Leben. Unter diesem Alias hat Zoe auch ein Tape veröffentlicht: Divine Feminine – Childhood Tapes Vol. 1 vereint elf melodische, von Jazz angehauchte Hip-Hop-Tracks, die mit verschiedenen Instrumenten, Gesang und Rap die Lebenslagen und Gefühle einer jungen Erwachsenen widerspiegeln.

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Im April 2019 kam Zoe für die Releaseparty dieses Tapes nach Berlin – und ging nie wieder zurück. Die Energie der pulsierenden Hauptstadt sowie die scheinbar endlosen Möglichkeiten, die sich ihr eröffneten, hielten sie in Deutschland: DJ Fuckoff war geboren. Zoe beschreibt diesen musikalischen Wandel selbst als „ziemlich interessanten Übergang.” 

Dabei wird im Gespräch deutlich, dass es zwischen ihren Hip-Hop- und Electro-Ichs keine klare Trennlinie gibt. „Es ist schwierig, meine Zeit mit all den Projekten zu managen. Das hindert mich aber nicht daran, coole, harte Techno- oder Ghetto-Tech-Electro-Sets zu spielen und Hip Hop einzubauen”, erklärt Zoe. Außerdem spiele Hip Hop in ihrer Freizeit eine wichtige Rolle. Elektronische Musik laufe dagegen immer nur, wenn sie selbst Musik produziert oder nach Tracks für einen Gig sucht.

Durchbruch bei HÖR 

Schon als Kind wollte Zoe Musikerin oder DJ werden. Ihr Vater war früher selbst Psytrance-DJ, betrieb sein eigenes Plattenlabel und nahm Zoe auf viele seiner Partys mit. Mit zehn Jahren habe er ihr einen Computer geschenkt, mit dem sie sich in der Musiksoftware GarageBand ausprobieren konnte – ihre ersten Songversuche entstanden. Als es die Neuseeländerin Jahre später in die deutsche Hauptstadt verschlug, konnte sie erste Mixe mit ihrem neuen Berliner Sound aufnehmen.

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Kurz nach ihrer Ankunft in Berlin habe Zoe einem Freund mit seinem Plattenlabel Nerang Recordings geholfen. Daraufhin bekam sie die Chance, bei HÖR aufzulegen. „Das war der Startschuss für meine Karriere”, sagt Zoe heute. „Die Reaktionen, die ich auf das Video bekommen habe, kamen völlig unerwartet. Plötzlich haben sich die Leute meine Tracks angehört und wollten mich buchen. Dabei hatte ich zu dem Zeitpunkt noch in keinem Club in Europa gespielt. Außerdem hatte ich ganz vergessen, wie es ist, vor Leuten zu spielen. Mittlerweile gewöhne ich mich wieder dran. Am Anfang, als ich nach dem Lockdown auflegte, war das aber ein ziemlich verrücktes Gefühl.”

„DJ Fuckoff wird immer spielerisch und etwas anstößig sein.”

Das Strahlen in ihren Augen verrät, wie überwältigt sie selbst von der positiven Resonanz ist, die sie in so kurzer Zeit erfahren hat. „Ich dachte nur: ‚Wow, das ist jetzt mein Leben. Ich liebe es!’ Aber es war auch ziemlich schwer, weil ich alle meine Tracks während der Pandemie gemischt habe und sie nie vor Publikum spielen konnte”, so Zoe. „Ich hatte nie eine direkte Reaktion und wusste nicht, wie meine Musik ankommen würde. Dass die Leute diese etwas zufälligen, verspielten Sounds mögen, habe ich aber früh gemerkt. Außerdem denke ich, dass Breakbeat und Electro auf Partys wieder beliebter werden.”

Verspielte, sexy, nicht-binäre Musik

Während des Interviews bezeichnet Zoe ihre Sounds oft als „random”. Das klingt zunächst, als würden ihre Tracks zufällig entstehen. Die scheinbar willkürliche Verbindung von Klängen drücke aber durchaus etwas aus: „Meine Musik ist verspielt und sexy. Es ist nicht-binäre Musik, weil ich es mag, Genres zu mischen. Wenn ich einen neuen Track produziere, habe ich das Gefühl, dass ich das Genre im Track zwei- oder dreimal ändern könnte. Meine Musik wird immer von dem beeinflusst, was ich fühle, was ich tue, was meine Freunde tun. Natürlich fließt auch meine eigene Energie hinein. DJ Fuckoff wird immer spielerisch und etwas anstößig sein.”

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Die Vocals in ihren Tracks spricht und singt Zoe alle selbst ein. Schon die Titel ihrer Tracks, wie „Sex U”, „B.I.M.B. (Bills In My Booty)” oder „Bitch” spiegeln das Provokative in ihrer Musik wider. „Ich möchte mit meiner Musik erreichen, dass es normaler wird, über Sex zu reden – gerade als Frau”, sagt Zoe. „Mit meinen Tracks treibe ich das ins Extreme.”

Sehnsuchtsort Berlin

In Neuseeland sei die Techno-Szene nicht ansatzweise so ausgeprägt wie in Deutschland, geschweige denn Berlin. Als Zoe aufwuchs, habe es keine klassischen Techno-Partys gegeben. Sie besuchte Gigs großer Künstler:innen wie Flume oder Datsik. Underground-Techno sei Zoe damals aber noch fremd gewesen – bis einige ihrer Freund:innen anfingen, eigene Partys zu veranstalten. „Das Kollektiv hieß Friendly Potential und veranstaltete spaßige Partys. Dadurch hab ich zum ersten Mal richtigen Techno kennengelernt. An einem Abend sah ich Kelli Hand aus Detroit. Das war sick. Ich dachte: ‚Da will ich hin, das ist mein Weg.’” 

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Nachdem Zoe die High School in Neuseeland beendet hatte, reiste sie zunächst einige Monate um die Welt. Zurück in ihrer Heimat begann sie einen einjährigen Kurs an einer Musikhochschule in den Bereichen elektronische Musikproduktion und Turntablism. Dort habe sie erste Grundlagen, unter anderem im Scratching, gelernt. Wenig später kam sie wegen ihres Hip-Hop-Tapes nach Berlin und ergriff die Chance, eine Karriere in der elektronischen Musikwelt zu beginnen: „Berlin war wirklich der perfekte Ort für mich. Die Stadt hat mir geholfen, mich mit dem, was ich machen wollte, wohl zu fühlen. Außerdem war ich von tollen Leuten umgeben, die mir eine Menge Selbstvertrauen gegeben haben.”

Eine verrückte Art, zu reisen

In welchem Berliner Club Zoes erster Auftritt war, wisse sie nicht mehr. Zoe lacht über ihr schlechtes Erinnerungsvermögen. Feezer Remeezer, wie sie sagt, die Fiese Remise und das ÆDEN fielen ihr noch ein. „Seit die Clubs wieder geöffnet sind, habe ich aber hauptsächlich außerhalb von Berlin aufgelegt, zum Beispiel im Jaki in Köln. Dazu hatte ich Gigs in der Ukraine, in Finnland, Frankreich und Polen. Ich hätte niemals erwartet, in so kurzer Zeit so viele Länder zu sehen.”

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Im Sommer 2022 standen für DJ Fuckoff auch erste Festivalauftritte in Europa auf dem Programm, unter anderem auf dem Melt in Ferropolis und der Fusion in Lärz. In Neuseeland habe sie davor schon bei einem einstündigen Set auf dem New Years Festival gespielt. „Eigentlich mag ich Festivals nicht so, zumindest nicht als Besucherin. Ich fühle mich unter Tausenden von Menschen einfach nicht wohl. In einem Club ist das anders, weil es dort eine bestimmte, begrenzte Kapazität gibt – es ist nie zu groß”, so Zoe.

Die Clubs am Wochenende sind ein Treffpunkt für Freunde und Bekanntschaften

Bei all ihren Projekten und den europaweiten Auftritten könnte man glatt vergessen, dass Zoe erst 24 Jahre alt ist. Neben ihrem DJ-Dasein versuche sie deshalb, ein normales Leben zu führen – mit Freunden und ihrer Familie. In Berlin teile sie sich eine Wohnung mit ihrer Schwester, die kurz nach ihr auch nach Deutschland ausgewandert sei. In ihrer Freizeit verbringe sie viel Zeit an der frischen Luft, auf Netflix oder mit der Recherche zu Krypto-Themen. Ansonsten finde man Zoe aber am häufigsten in ihrem Studio – in letzter Zeit auch malend und zeichnend, wie die Künstlerin sagt.

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Steht DJ Fuckoff am Wochenende nicht selbst hinter dem DJ-Pult, geht sie selbst gerne feiern: „Ich habe Clubbing schon immer geliebt. An einem Wochenende war ich zum Beispiel im Berghain und habe dort Leute getroffen, denen ich auf Social Media folge und mit denen ich mich online ausgetauscht habe – so habe ich sie im Club in einem neuen Kontext erlebt. Ich mag das, weil ich unter der Woche nicht unbedingt Zeit habe, mich mit vielen Leuten zu treffen. Am Wochenende kann ich meine sozialen Kontakte pflegen.”

„Ich denke nicht gerne über die Zukunft nach”

In den nächsten Wochen und Monaten stehen nicht nur viele Auftritte auf der ganzen Welt an, sondern auch einige andere kreative Projekte: die Produktion von Merch, das Drehen von Musikvideos und das Abhalten von DJ-Workshops. „Ich denke nicht gerne über die Zukunft nach, aber ich habe langfristige Ziele”, so Zoe. „Ich möchte zertifizierte Ableton-Trainerin werden und in der Lage sein, Workshops zu geben. Außerdem will ich Safer Spaces schaffen, in denen besonders FLINTAs und nicht-binäre Menschen etwas über Musikproduktion lernen können. Als ich meinen Musikkurs gemacht habe, waren wir nur zwei Frauen unter 30 Leuten – das war schon ein bisschen einschüchternd. Deshalb möchte ich mich langfristig auf jeden Fall mehr auf das Lehren und Zurückgeben konzentrieren. Ich denke, das ist wirklich wichtig und wäre für mich erfüllend.”

DJ Fuckoff (Foto: Presse)

Zoe arbeitet bereits mit der Femme Bass Mafia zusammen, einem Kollektiv und Programm, das Frauen und nicht-binären Menschen beibringt, aufzulegen: „Wir geben Workshops in sechsmonatigen Lehrgängen, die die Teilnehmer:innen mit einem Abschluss und einem Club-Gig beenden. Vor Kurzem hatten wir eine epische Abschlussfeier in der Paloma Bar. Absolvent:innen, die erst seit einem halben Jahr auflegen, haben den Club gerockt”, so Zoe.

Während sie von vergangenen Projekten und kommenden  Vorhaben erzählt, strahlt Zoe über das ganze Gesicht: Positive Energie, Freude und Glück kommen während des Interviews nicht nur in ihren Erzählungen durch, sondern auch in ihrer Mimik und Gestik. Aktuell arbeite Zoe an Merch aus upgecycelten Stoffen, mit denen sie einzigartige Kleidungsstücke entwerfen wolle: „Mehr in die Modewelt einzutauchen und sie mit meiner jetzigen Arbeit zusammenzubringen, darauf freue ich mich schon jetzt”, so Zoe. „Ich genieße es, wie sich die Dinge auf natürliche Weise entwickeln, und bin glücklich, dass ich so viele tolle Möglichkeiten habe.”

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Im Studio mit Mathew Jonson: „Wenn ein Dezibel lauter schon zu viel wäre”

Groove+ Mathew Jonson verlagert seinen Lebensmittelpunkt von Berlin nach Lissabon. Wir konnten die Minimal-Legende davor noch im Studio besuchen.

Funk Assault: „Diese Beziehung ist die wichtigste in unserem Leben”

Groove+ Als Funk Assault sind Alarico und Chlär mit Musik und Wissenschaft dem Groove auf der Spur. Wie das zustande kommt, erfahrt ihr im Porträt.

Marrøn: „Ich bin als DJ auf der Tanzfläche geboren”

Für Marrøn ging es vom Parkett auf die Tanzfläche – uns hat er unter anderem erzählt, warum er seine Profisportlerkarriere gegen die DJ-Booth eintauschte.