Malte Bossen ist als Model und Teil des Pornceptual-Teams eine notorische Figur im Berliner Nachtleben. Dabei hat er in dem Kollektiv, das weltweit sexpositive Techno-Partys organisiert und auch für das Whole Festival verantwortlich ist, eine ganz besondere Aufgabe: Er ist für die Gestaltung von Darkrooms und Gloryholes zuständig.
GROOVE-Autorin Katharina Pittack hat sich in der Redaktionsküche mit Malte zusammengesetzt, um über die Gedanken zu sprechen, die in die Gestaltung dieser besonderen Orte einfließen: über ihren erotischen und sozialen Nutzen, ihre Architektur und die Inklusion des Hetero- und FLINTA*-Publikums.
GROOVE: Wie würdest du deine Arbeit beschreiben? Was genau machst du für Pornceptual?
Malte Bossen: Ich mache verschiedene Dinge, auch im Bereich Social Media. Da wir mit Ponceptual auch Fotostrecken präsentieren, betreiben wir zusätzlich ein Online-Magazin. Ich bin inzwischen seit acht Jahren dabei, damals habe ich meinen Freund Chris [Phillips, Anm.d.Red.] kennengelernt. Er hat Ponceptual 2012 gegründet und arbeitet inzwischen mit Raquel [Fedato] daran, die sich um organisatorische Dinge kümmert. Seitdem unterstütze ich Pornceptual, helfe beim Aufbau der Darkrooms und organisiere verschiedene Bereiche der Party.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Wir haben uns vor neun Jahren auf der Pornceptual kennengelernt. Er war Fotograf und hat gefragt, ob er Fotos von mir machen darf. Bei der nächsten Party haben wir uns dann wiedergesehen. Durch ihn bin ich dazu gekommen. Am Anfang habe ich immer beim Aufbau geholfen, und dann kamen gemeinsam mit Chris irgendwann die Darkrooms dazu. Wir haben uns bei Pornceptual im Darkroom verlobt.

Du hast Produktdesign studiert, spielt das im Design des Darkrooms eine Rolle?
Ich bin vom Land nach Berlin gezogen, habe ein freiwilliges Jahr gemacht und dann angefangen, Produktdesign an der Universität der Künste zu studieren. Ich habe aber gemerkt, dass das klassische Produktdesign nicht unbedingt meins ist. Bis vor kurzem hatte ich auch noch einen anderen Job, den ich aber gekündigt habe, um mich voll auf Events und Marketing zu fokussieren, besonders auf queere und sexpositive Events.
Betreust du nur die Partys in Berlin oder auch die internationalen?
Chris und Raquel veranstalten Partys weltweit, in Städten wie Amsterdam, in Paris – aber auch weiter entfernt wie in Japan. Ich fliege eigentlich immer mit. In den letzten Jahren gab es nur zwei Events, bei denen ich nicht dabei sein konnte. Bei unseren anderen Partys versuchen wir ebenfalls, Darkrooms einzurichten. Im internationalen Kontext ist das jedoch oft komplizierter, da man in manchen Ländern spezielle Genehmigungen und Lizenzen braucht, um überhaupt einen Darkroom betreiben zu dürfen.

Was für Genehmigungen sind das?
Es gibt Länder, in denen du gewisse Lizenzen brauchst, damit die Besucher:innen nackt sein dürfen. In Paris braucht man zum Beispiel eine Lizenz, um einen Darkroom betreiben zu dürfen. Das heißt, dass nicht jeder Club einen Darkroom haben kann. In Deutschland ist das etwas anders. Die Deutschen sind, was Nacktheit angeht, in der Regel etwas abgehärteter, beispielsweise durch FKK-Strände. In anderen Ländern muss man da wirklich aufpassen, was für eine Lizenz der Club hat, damit alles rechtens ist und die Party nicht abgebrochen wird.
Warum gibt es solche Räume überhaupt? Welchen Zweck erfüllen sie?
Cruising-Spaces [öffentliche oder halböffentliche Orte, an denen Menschen gezielt anonyme sexuelle Kontakte suchen, d.Red.] gibt es schon lange. Ich finde es aber wichtig, eine sichere Umgebung zu schaffen, in der man die Community treffen kann. Gerade in der queeren Bubble ist das sehr wichtig, besonders in einer Welt, die politisch nicht immer einfach ist. Diese Räume ermöglichen es, Leute zu treffen, zu zweit etwas zu erleben oder neue Menschen kennenzulernen. Früher waren BDSM-Räume oft nur zugänglich, wenn man jemanden kannte, der einen in die Szene einführt. Heute kann jeder, der interessiert ist, einfach hingehen und es ausprobieren. Natürlich spielt die Door Policy eine Rolle, aber sie soll niemanden ausschließen, sondern nur sicherstellen, dass man bereit ist. Wer bereit ist, kommt rein.

Wer nutzt die Darkrooms auf euren Partys?
Das hängt von der Crowd auf jeder einzelnen Party ab. Wir versuchen, die Darkrooms möglichst inklusiv zu gestalten. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Wünsche, ganz besonders bei Darkrooms. Manche bevorzugen einen hellen Darkroom, manche einen ganz dunklen, wo man fast gar nichts mehr sieht. Manche wollen irgendwas dazwischen. Es gibt aber auch Leute, die keine Gerüche wollen, während andere das anziehend finden. Es ist schon schwierig, allen gerecht zu werden, aber gleichzeitig versuchen wir unser Bestes. Was oft natürlich auch von den vorhandenen Räumen abhängt. Wenn man nur einen Raum zur Verfügung hat, ist es schwieriger, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Bei mehreren Räume kann man beispielsweise einen dunklen Raum und einen hellen Raum oder einen FLINTA*-focused-Raum anbieten.

Für wen sind Darkrooms gestaltet? Und welche Unterschiede gibt es?
Generell sind sie für alle Geschlechter und Personen gestaltet, aber es gibt unterschiedliche Vorlieben. In Amsterdam beispielsweise haben wir zwei Räume: einen eher dunkleren und härteren Darkroom, den – würde ich sagen – vor allem Personen nutzen, die sich als gay identifizieren, und einen sanfteren Playspace, der häufiger von Personen genutzt wird die sich als FLINTA* identifizieren. Es gibt aber auch Personen, die sich als FLINTA* identifizieren und den härteren Darkroom bevorzugen und andersrum.
Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu anderen Städten und Ländern?
Auch wenn man es nicht erahnt: Überall wollen Leute solche Räume nutzen. Als wir Partys in Kasachstan veranstaltet haben, war der Darkroom von Anfang bis Ende voll, sogar mit einer Schlange. Man merkt, dass die Leute überall Lust darauf haben, man muss ihnen nur die Möglichkeit geben.

Wie sieht es handwerklich aus – welches Material wird genutzt, welche Hygienestandards gelten, und wie setzt ihr das um?
Am Anfang haben wir häufig Bauzäune verwendet und daraus beispielsweise Labyrinthe gebaut. Außerdem eignen sich Matten, die leicht abzuwischen sind, um sauberzumachen. Möbel wickeln wir beispielsweise in Folie ein, um sie hygienischer zu gestalten. Natürlich sind auch Dinge wie Desinfektionsmittel, genauso wie Kondome oder Tücher wichtig. Es ist auch gut, wenn ein Waschbecken in der Nähe ist, genauso wie eine Toilette. Sexschaukeln haben immer eine Gummi- oder Ledermatte, die leicht abzuwischen sind. Das heißt: Wir versuchen, alles so sauber wie möglich zu halten. Dabei spielen die Materialien eine große Rolle.
„Aktuell arbeite ich an einem mobilen Gloryhole – also einem faltbaren, das man aufhängen kann.”
Wie läuft das mit der Materialanschaffung? Wird euch alles bereitgestellt?
Das ist sehr unterschiedlich. Sexschaukeln oder Ähnliches versucht man meist zu mieten – in Berlin haben wir einige vor Ort. Außerdem arbeiten wir hier mit einem Partner zusammen, der Darkrooms hauptberuflich betreibt und uns unterstützt. In anderen Ländern muss man dagegen oft schauen, was vor Ort verfügbar ist. Meistens führt man vorher Gespräche darüber, wie man den Raum gestalten kann. Aktuell arbeite ich an einem mobilen Gloryhole – also einem faltbaren, das man aufhängen kann.

Habt ihr ein festes Setup oder sehen die Räume jedes Mal anders aus?
Wir versuchen, uns für jede Party etwas Neues zu überlegen. Durch unseren Partner ist es möglich, viele verschiedene Bereiche anzubieten. Beispielsweise ein Labyrinth. Dadurch hat man offene, aber auch private Bereiche. Das schätze ich auch an der Alten Münze, wir können verschiedene Bereiche nutzen und die Partys so jedes Mal etwas anders gestalten.
Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Haben Darkrooms ein extra Awareness-Team?
Pornceptual war eine der ersten sexpositiven Partys in Berlin, die ein geschultes Awareness-Team hatte. Ich finde das sehr wichtig. Gerade bei sexpositiven Events sollen sich alle wohlfühlen. Es braucht also Ansprechpartner:innen, die nicht unbedingt Securitys sind, weil diese dafür nicht speziell geschult sind und anders als das Awareness-Team nicht in den Darkroom dürfen.
Und das Awareness-Team darf rein?
Genau, dafür gibt es eine feste Position, jemand ist da, aber ohne Unruhe zu stiften. Je nach Dauer der Party werden die Darkrooms regelmäßig gereinigt, gerade bei mehrtägigen Veranstaltungen wie dem Whole Festival ist Sauberkeit besonders wichtig.

Wie wird Konsens umgesetzt, auch in Bezug auf Alkohol und Drogen auf Partys?
Wir haben verschiedene Hausregeln und verschiedene Aushänge und klären über unsere Social-Media-Kanäle auf. Besonders in neuen Städten, in denen das Publikum vielleicht noch nicht so an Darkrooms gewöhnt ist, informieren wir Gäste schon vorab über Konsens und Verhalten. Konsens, Aufklärung und ein gutes Awareness-Team sind das Wichtigste. Das Awareness-Team schaut außerdem, ob jemand noch zurechnungsfähig ist. Es achtet sehr genau auf nonverbale Signale und das Verhalten der Gäste. Wenn jemand zum Beispiel Schwierigkeiten hat, sich zu orientieren, stark schwankt oder den Blick nicht mehr richtig fokussieren kann, wird die Person zunächst angesprochen. Es geht dabei nie um Kontrolle, sondern um Fürsorge. Das Team prüft, ob die Person sich noch wohlfühlt, klar kommunizieren kann und in der Lage ist, Entscheidungen bewusst zu treffen. Wenn das nicht der Fall ist, wird sensibel interveniert – gegebenenfalls wird die Person rausbegleitet oder an einen sicheren Ort gebracht.
Welche Länder sind noch nicht so an Darkrooms gewöhnt?
In Amsterdam hatten wir beispielsweise einen FLINTA*-focused-Darkroom, da hatten wir eine Person, die darüber aufklärt. Gleiches gilt in Ländern wie Armenien, Kasachstan, Korea oder Japan, wo solche Konzepte oft neu sind und wir zu den Ersten gehören, die Darkrooms in Party-Kontexten einführen.
„Das typische Loch, was man von Glory Holes kennt, ist natürlich nicht immer das inklusivste.”
Wie sieht ein typischer FLINTA*-focused Darkroom aus?
Das ist schwer zu generalisieren. Es gibt viele verschiedene Arten von Darkrooms. Auch Personen vom gleichen Geschlecht oder gleicher Sexualität haben unterschiedliche Vorlieben. Es kann durchaus sein, dass FLINTA*-Personen einen sanfteren Playspace bevorzugen, allerdings mit einzelnen härteren Elementen. Es gibt aber auch Möglichkeiten, Glory Holes für FLINTA* zu gestalten. Also inklusivere Glory Holes. Das typische Loch, was man von Glory Holes kennt, ist natürlich nicht immer das inklusivste. Es gibt auch Glory Holes für den Po oder allgemein offenere Holes.
„Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass heterosexuelle Personen von der sexuellen Freiheit queerer Menschen lernen können.”
Wie siehst du es, wenn queere Räume auch für ein heterosexuelles Publikum geöffnet werden?
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass heterosexuelle Personen von der sexuellen Freiheit queerer Menschen lernen können. Alle sind willkommen, doch wer teilnimmt, sollte verstehen und respektieren, dass es sich um einen queeren Raum handelt.

Was hältst du von Dresscodes und strenger Türpolitik? Sind sie ein wichtiges Instrument oder schränken sie die Party ein? Bei Pornceptual spielen sie ja durchaus eine Rolle.
Türpolitik finde ich sehr wichtig. Ebenso wichtig wie Dresscodes. Je mehr man dafür sorgt, dass Leute sich wohlfühlen und frei miteinander sein können, desto freier sind sie auch. Man merkt schon, wie jemand drauf ist und ob er Lust hat. Es geht nicht nur darum, schwarz angezogen zu sein. Wenn du Lust auf etwas hast und wirklich reingehen willst, wirst du auch reinkommen. Stammgäste haben nicht automatisch Vorrang; neuen Leuten wird genauso Zugang gewährt, man muss sich nur damit beschäftigen, was für eine Party das ist und wie man sich darauf einlässt.
Was macht Pornceptual für dich so besonders?
Uns ist es wichtig, immer wieder Neues einzubringen und uns wirklich Mühe zu geben. Wenn du zu einer unserer Partys kommst, sieht der Club nie genau so aus wie beim letzten Mal. Gleichzeitig möchten wir das, wofür wir stehen, nach außen tragen: dieses Gefühl von Freiheit. Mir bedeutet das sehr viel, und ich finde es wichtig, dieses Lebensgefühl auch an anderen Orten erlebbar zu machen. Besonders schätze ich, dass bei uns Musik, Performance und sexpositive Räume zusammenkommen. Genau das ist für mich das Besondere an uns: dass wir diese Haltung wirklich leben.

Was fehlt deiner Meinung nach in der Berliner Partyszene? Was braucht eine Party für dich, abgesehen vom Line-up, damit sie richtig gut ist und funktioniert?
Mir ist eine fröhliche Stimmung wichtig. Bei manchen Partys ist es schade, dass die Securitys nicht so herzlich wirken. Aber mir ist wichtig, dass alle sich willkommen fühlen. Dahingehend hat sich in Berlin schon etwas gewandelt. Man merkt, dass sich viele Leute Mühe geben. Gerade bei den neuen Partys kommt stärker rüber, dass mehr in den Aufbau gesteckt wird und sich die Veranstalter:innen mehr Gedanken machen. Für mich muss es zum Beispiel nicht immer um große Headliner gehen. Ich finde, man kann auch mit Newcomern ein richtig starkes Line-up gestalten und ihnen so eine Chance geben.
Wie hat das beim Whole Festival mit den Darkrooms funktioniert? Was war deine Aufgabe?
Beim Whole Festival bin ich Head of Look and Feel, was auch bedeutet, dass ich mich viel um die Darkrooms kümmere. Ich achte darauf, dass alles gut aussieht und jeder Spaß hat. Dieses Jahr gab es viele verschiedene Bereiche: ein Cruising Village mit einer überdachten Hütte, einen kleineren vielseitigen Raum, einen größeren Outdoor-Cruising-Bereich im Wald mit Baugerüst und Labyrinth-Struktur, einen FLINTA*-focused-Bereich in Zusammenarbeit mit Team Hot Space, einer Crew aus Amsterdam, eine Art Baumhaus und einen Darkroom, ebenfalls aus Baugerüst, das sind eher die härteren Spaces. Die Gloryholes schaffen tagsüber nochmal mehr Privatsphäre, da es da ja nicht wirklich dark ist. Natürlich muss auch alles feuerfest sein.

Gibt es extra Brandschutzrichtlinien für Darkrooms?
Es sind dieselben Anforderungen wie für den Club insgesamt. Materialien, die wir verwenden, müssen feuerfest sein, und der Bereich muss genug Notausgänge haben.
Darfst du schon etwas zu dem neuen Festival verraten, an dem du mitwirkst?
Es heißt RUINED MY RAINBOW, ist ein zweitägiges queeres Live-Music-Festival und wird nächstes Jahr in Berlin stattfinden. Im November wird es wahrscheinlich angekündigt. Das ist meine erste Head-of-Marketing-Position.

Wer hat das Projekt gestartet?
Raquel, die auch bei Pornceptual und Whole mitwirkt, hat es ins Leben gerufen.
Was bezweckst du mit deinen Social-Media-Kanälen? Willst du deine Arbeit zeigen, aufklären oder hast du einfach Spaß am Content produzieren? Und wie geht es für dich weiter?
Ich freue mich, dass ich gerade einen neuen Weg als Freelancer einschlage, und möchte diese Gelegenheit bewusst nutzen. Neben der Freelance-Arbeit habe ich zusammen mit Lolsnake und Chris auch die Afterparty Serie BÜBBLE gestartet. Früher habe ich solche Sachen nebenbei gemacht, jetzt bin ich gespannt, wie es auf TikTok weiterläuft. Mir ist wichtig, dass wir dabei Aufklärung vermitteln – gerade bei Pornceptual ist das ein zentraler Ansatz.