Die 69. Biennale Musica findet vom 11. Oktober bis zum 25. Oktober in Venedig statt. Die diesjährige Kuration übernimmt die Wahlberlinerin Caterina Barbieri. Ihre Berufung als Kuratorin ist eine kleine Sensation, denn zum ersten Mal in der Geschichte der Biennale Musica wird dieser Zepter von einer Person übernommen, die im weitesten Sinne zur Welt der Clubkultur gehört.
Die Auswahl der Musiker:innen erstreckt sich dabei von Szene-Größen wie Detroit-Techno-Pionier Carl Craig oder Moritz von Oswald bis zu Vertreter:innen der Avantgarde in Hoch- und Subkultur. Mit dem Goldenen Löwen wurde Meredith Monk ausgezeichnet, die eine 3-Kanal-Video-Installation präsentieren wird, sowie Chuquimamani-Condori, welche:r mit einer musikalische Prozession die Besucher:innen durch Venedigs Kanäle führt.
Die Biennale Musica Venedig blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. Gegründet wurde sie in den Dreißigern. Zu den dort vertretenen Künstler:innen gehören Personen wie Komponist Igor Fyodorovich Stravinsky oder Psychedelic-Music-Koryphäe Brian Eno. Diesem wurde 2023 der Goldene Löwe für sein Lebenswerk verliehen.
Wie wollten von Caterina Barbieri wissen, welche Vision hinter dem Programm des Festivals steckt.
GROOVE: Was für eine Rolle spielt die Biennale Musica in der heutigen internationalen Musiklandschaft? Wie überschneiden sich deine persönlichen Visionen mit dem Vermächtnis des Festivals?
Caterina Barbieri: Die Biennale Musica ist für mich ein Raum, in dem sich die transformative Kraft der Musik offenbart. In dieser Zeit entsteht in Venedig eine Schwingung, die verschiedene Körper miteinander verbindet, von molekularer bis hin zur kosmischen Ebene, um das eigene Ego aufzulösen und Platz zu schaffen für Empathie und bewusstes Hören. In einer Zeit voller Krisen und Zersplitterung ist es wichtig, sein Hören anderen gegenüber zu öffnen. Das hat auch eine soziale und politische Bedeutung. Meine Vision überschneidet sich durch ihre Experimentierfreudigkeit mit dem Erbe der Biennale: Die Stadt Venedig ist durch ihre Spiegelungen, ihre Stille, ihren Drang zur Veränderung die perfekte Metapher für die Musik, die wir hier feiern. Eine Musik, die Welten erschafft, Grenzen auflöst und uns neue Wege des Zusammenlebens zeigt.

Künstlerlische Leiterin der Biennale Musica zu werden, ist zugleich Ehre und Verantwortung. Welche Emotionen und Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du davon erfahren hast? Und wie haben sie deine Herangehensweise geprägt?
Als ich gefragt wurde, ob ich Kuratorin der Biennale werden will, empfand ich ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit und Demut. Dankbarkeit aufgrund des Vertrauens in meine Arbeit und Demut aufgrund der historischen Bedeutung der Institution für die Musikgeschichte. Zugleich wollte ich die Biennale in einen Dialog mit den Dringlichkeiten unserer Gegenwart bringen, um diese radikal und am Leben zu erhalten. Dieser Gedanke beeinflusste meinen Ansatz von Anfang an. Ich wollte ein Programm gestalten, das immersiv und grenzüberschreitend ist, in dem Tradition auf elektronische Experimente trifft, wo Outdoor-Locations und ortsspezifische Kunst die Stadt in einen resonierenden Organismus verwandeln. Für mich ist das kein bloßes Kuratieren von Konzerten, mir geht es darum, Erlebnisse zu schaffen, die unsere Wahrnehmung verändern und unseren Sinn für Zeit, Raum und Gemeinschaft erweitern
Das Programm stellt ein Gleichgewicht zwischen Experimentellem, Tradition und neuen Stimmen her – kannst du uns mitteilen, welche Prinzipien in der Kuration und Leitfragen dich bei deiner Auswahl begleitet haben?
Das Leitbild des diesjährigen Mottos „La Stella Dentro” ist „Kosmische Musik”. Nicht als Genre, sondern als schöpferische Kraft. Musik als Kosmogonie, die zur Selbstentwicklung fähig ist. Aus dieser Vision gingen drei Prinzipien hervor. Erstens soll das Programm im Minimalismus und elektronischer Musik verwurzelt sein, aber sich gleichzeitig gegenüber älteren Genres wie Folk, Drone, Techno und Afrofuturismus öffnen, um in einen Dialog verschiedener Jahrzehnte und Geographien zu treten. Zweitens soll das Konzertformat durch immersive und ortsspezifische Erfahrungen erweitert werden, die die starren Grenzen von Zeit und Raum aufheben. Und drittens neue Stimmen neben den Meister:innen in den Vordergrund stellen, denn die Biennale muss sowohl ein Raum der Anerkennung als auch eine Plattform für die Zukunft sein. Die zentrale Frage war für mich immer: Wie kann Musik uns helfen, neue Weisen gemeinsamer Resonanz zu erfinden – als Menschen und darüber hinaus, in einer Welt, die radikale Formen des Hörens und der Empathie verlangt?

Die Ticketpreise variieren je nach Veranstaltung zwischen 25 und 60 Euro.
Unseren Bericht von der Biennale Musica 2023 findet ihr hier.