Garderobe, Bar, Reinigungskraft, Nightmanager, Booker – und auch Resident. Vy Tran hat in der ROSA praktisch alle Stationen durchlaufen, die man durchlaufen kann. Deshalb ist er auch der Richtige, um etwas über den Greifswalder Club zu erzählen. Wie er in der mecklenburgischen Studentenstadt zu dem DJ wurde, der er heute ist, wie sich das Programm der ROSA über die vergangene Dekade hinweg entwickelt hat und wie ein Set dort für ihn idealerweise klingt, lest und hört ihr im Folgenden.
Seit wann gibt es die ROSA in Greifswald? Wie viele Personen passen in den Club? Wie viele Floors und welche musikalische Ausrichtung hat er?
Die Geschichte der ROSA geht tatsächlich bis in die Zehnerjahre zurück, noch vor meine Zeit in Greifswald. Ich habe den Club Ende 2013 als Gast kennengelernt, als ich fürs Studium nach Greifswald gezogen bin und angefangen habe, elektronische Musik zu hören. Zu dem Zeitpunkt hatte die ROSA in verschiedenen Off-Locations Partys gemacht, bis sie 2014 ein altes Callcenter als Location fand. Nach ein paar Monaten hat der Vermieter den Vertrag überraschend gekündigt, und es ging eine lange Suche nach einer Location los, die 2017 schließlich zu einem Wertstofflager führte. Dort ist die ROSA immer noch.
Der Club selbst ist klein, kompakt und hat einen schönen DIY-Charakter. Es gibt einen großen Hauptfloor, und je nach Veranstaltung kann in den Toiletten ein kleiner Floor umgebaut werden. In den Club passen etwa 250 Leute, aber eine angenehme Fülle ist etwa zwischen 150 und 200 Leuten. Die musikalische Ausrichtung ist größtenteils elektronisch, grundsätzlich ist der Club aber für alle Musikrichtungen offen.
Greifswald ist mit etwa 60.000 Einwohner:innen eine relativ kleine Stadt, weist gleichzeitig mit knapp 10.000 einen hohen Studentenanteil auf. Wie schlägt sich dieses Verhältnis im Club nieder? Wie sieht das Publikum aus?
Als ich das erste Mal in Greifswald ankam, war ich doch schockiert von der Größe der Stadt. Ich bin das erste Semester jedes Wochenende nach Berlin gependelt. Als ich aber mal länger geblieben bin, habe ich mich in die Stadt und die Nähe zum Meer verliebt. Greifswald ist zwar in der Tat klein, aber durch den hohen Anteil an Studierenden wirkt die Stadt unheimlich jung und lebendig. So würde ich auch unser Publikum beschreiben, und durch die neuen Studis in jedem Jahr gibt es eine Fluktuation, die immer neue Bewegung und Energie bringt. Man kennt sich außerdem sehr schnell, weil man sich im Alltag oft über den Weg läuft. Dadurch entsteht ein sehr familiärer Vibe auf der Tanzfläche. An manchen Abenden hat man natürlich keine Lust, immer dieselben Gesichter zu sehen, aber eigentlich ist es total schön und herzlich.
Durch die starke Präsenz der Uni wird viel mit studentischen Organisationen zusammengearbeitet. Beispielsweise werden viele Solipartys veranstaltet. Es gibt außerdem verschiedene Veranstaltungsformate wie Lesungen, DJ-Workshops und Konzerte, um den Raum, der gegeben ist, möglichst breit zu nutzen und ein vielseitiges Programm für die Studierenden anzubieten.
Wie kamst du zur Residency in der ROSA und welche Geschichte hast du mit dem Club? Welche Stationen hast du durchlaufen?
Als der Club 2017 aufgemacht hat und Leute zum Arbeiten gesucht wurden, habe ich mich direkt gemeldet. Ich habe Einlass und vor allem Garderobe gemacht. Die Garderobenschichten waren der Horror. Wir mussten die Jacken auf einer wackeligen Trittleiter an selbst eingeschlagene Nägel hängen, und die Kleiderstangen sind jedes Mal zusammengebrochen. Winter war die schlimmste Zeit! Ich habe auch mal die Bar gemacht, das aber wenn möglich gemieden, weil ich ganz schön scheiße im Cocktails-Mischen war. Da hab‘ ich lieber die Kotze auf dem Klo weggewischt.
Zur Residency bin ich dann gekommen, als ich am allerersten Silvester das Closing übernehmen durfte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich im Auflegen an verschiedenen Off-Locations und WG-Partys ausprobiert. Und plötzlich dann ein Silvesterclosing in einem richtigen Club mit meinem Controller. Es war ein total schöner Gig. Ab dann hab ich öfter gespielt. Es wurde gar nicht richtig ausgesprochen, dass ich Resident geworden bin, es war einfach so. Mitte 2019 wurde ich schließlich gefragt, ob ich das Booking übernehme. Bis auf ein paar kleinere Veranstaltungen, wo ich auch nur kleinere Aufgaben übernommen hatte, hatte ich so gut wie keine Booking-Erfahrung. Es hat mich total gerührt, dass ich gefragt worden bin, und natürlich habe ich zugesagt. Für mich war der Booking-Job in gewisser Weise ein kleiner Traum, den ich nie auf dem Schirm hatte, aber mir trotzdem erfüllen konnte. Mein besonderer Dank gilt Murat, meinem Chef. Es waren sein Vertrauen und sein Support, die mir das ermöglicht haben. Dafür bin ich ihm für immer dankbar.
Inzwischen arbeitest du nicht mehr als Booker der ROSA.
Als ich vor zwei Jahren zurück nach Berlin gezogen bin, habe ich den Job zwar zunächst im Homeoffice weitergemacht, wusste aber, dass es langsam zu Ende geht, weil ich nicht vor Ort sein konnte. Letztes Jahr habe ich die neuen Kolleg:innen eingearbeitet und mich nun nach sieben Jahren schweren Herzens vom Club verabschiedet. Ich bin diesem Club auf so unendliche Art und Weise dankbar, für das Vertrauen, den Support und alles, was er mir ermöglicht hat.
Wie hat dich deine Residency als DJ geprägt?
Ohne diese Residency wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Nicht nur als DJ, sondern auch beruflich und persönlich. Als DJ war die Residency für mich das Beste überhaupt, weil ich einen Ort hatte, wo ich regelmäßig spielen und grundlegende Sachen wie Beatmatchen oder Selektieren üben konnte. Auch mit Vinyl konnte ich hier üben. Ich weiß noch, dass meine ersten Vinyl-only-Sets dort eine Katastrophe waren. Gleichzeitig habe ich verschiedene Slots ausprobiert, von Openings bis hin zu Closings. Vor allem musste ich oft das Closing übernehmen, weil ich zu dem Zeitpunkt der einzige Resident war, der an die 130 BPM gespielt hatte – damals war das noch schnell! Die Devise hieß zunächst immer: Am Ende rausknallen. Mit der Zeit habe ich aber für mich entdeckt, den Abend abzurunden und runterzufahren. Meistens war um 7 Uhr Feierabend, und es gab nicht wirklich viele Möglichkeiten, danach weiterzufeiern. Jede Party, egal wo, findet irgendwann mal ein Ende, und deshalb finde ich das richtig.
Openings habe ich aber genauso gern gespielt: Schön mit Ambient und unter 100 BPM anfangen, verschiedene Subgenres ausprobieren und dann langsam hocharbeiten. So habe ich gelernt, wie wichtig sie für eine Party sind. Ich habe sowohl vor vollen Tanzflächen als auch an Abenden gespielt, wo gerade mal 30 Leute da waren oder an denen es musikalisch einfach nicht gematcht hat. Auch das sind wichtige Erfahrungen, die man machen sollte. Aus den Fehlern lernt man am meisten.
Wie sieht deine Residency heute aus?
Mittlerweile spiele ich seltener dort, weil wir viele neue, teilweise auch jüngere Residents haben, und das ist völlig ok. Ich freue mich eher, dass sie vielleicht eine so prägende Erfahrung machen können, wie ich sie hatte, und ich bin sicherlich noch das ein oder andere Mal hinterm Pult.
In deinem Mix finden sich mit Jeff Mills, Surgeon, Head High oder Steve Stoll diverse große Techno-Namen, auch Fadi Mohem oder Stojche stehen für eine Rückbesinnung auf die Grundwerte des Genres. Ist dieses Traditionsbewusstsein eine Qualität, die dir auf dem Floor der ROSA wichtig ist? Wenn ja, wieso?
Wenn ich Techno auflege, lasse ich grundsätzlich verschiedene Stimmungen mit einfließen. Ich mag es, wenn es dynamisch bleibt, und ich liebe es auch, Alt und Neu zu kombinieren. Für diesen Mix hatte ich Lust auf ein bisschen Detroit, ein bisschen Groove, ein wenig Dub Techno und zum Schluss etwas House. Aber ich bin da nicht so festgelegt, und es kommt immer drauf an, wann und wo ich spiele.
Ich würde da gar nicht mal von Traditionsbewusstsein sprechen. Einer der Gründe, warum ich damals mit dem Auflegen anfing, war, dass mir solche Musik in Greifswald fehlte. Ich musste sehr oft nach Berlin pendeln, um die Acts und Partys zu erleben, auf die ich wirklich Lust hatte. Es ist ein Klischee, aber das Ausgehen in Berlin war eine prägende Erfahrung, auch in Hinsicht auf Greifswald.
Welche programmatische Ausrichtung verfolgt der Club grundsätzlich?
Das ist gerade gar nicht leicht zu beantworten. Grundsätzlich ist die Ausrichtung aber schon immer elektronisch. Als der Club 2017 aufmachte, waren eher Sachen wie Katermukke oder 3000Grad im Vordergrund. Dann wurde unser Sound eher traditioneller, was House und Techno anging, mit Gästen wie Cinthie, Yamour, Vincent Neumann, Ogazón, Stojche und vielen mehr. Momentan gibt es mehr Veranstaltungen mit Trance und Hard Techno für ein jüngeres Publikum. Seit der Eröffnung des Clubs hat sich viel gewandelt, vor allem durch die Pandemie, die neue Trends und neue Erwartungshaltungen eines jüngeren Publikums zur Folge hatte.
Was seit den Anfängen des Clubs gleich geblieben ist, ist der Wunsch, verschiedene Einflüsse von außerhalb nach Greifswald zu holen. Denn oft war es so, dass du zum Feiern in größere Orte fahren musstest, wenn du einen ganz bestimmten Act oder ein bestimmtes Musikgenre hören willst. Man wollte auf der einen Seite diese Einflüsse herholen und auf der anderen Seite zeigen, dass kleinere Orte in Mecklenburg-Vorpommern auch was zu bieten haben.
Aktuell wird deutschlandweit viel über das Thema Clubsterben diskutiert. Wie ist es um die Zukunft der ROSA bestellt?
Natürlich zwingt uns der ökonomische Druck, entsprechend zu reagieren. Mit höheren Getränkepreisen und einem Eintrittspreis von zehn Euro, was in der Region tatsächlich schon viel ist. Auf der einen Seite laufen die neuen Veranstaltungen gut, aber auf der anderen Seite steigen die Kosten immer weiter. Gleichzeitig ist ja nicht nur für Clubs, sondern auch für die Menschen alles teurer geworden, und es wird immer schwieriger, Feiern fair und bezahlbar für alle zu halten.
Überall scheinen Clubs ums Überleben zu kämpfen, und es gilt, diese zu retten, vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Großangelegte Förderungen wie Neustart Kultur haben damals gezeigt, was für ein Potenzial es gibt, wenn Clubs gefördert werden und so einen wertvollen kulturellen und gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten können. In der aktuellen politischen Lage, in der bundesweit Kürzungen im Kultursektor thematisiert werden und teilweise auch schon passiert sind, und mit einem Rechtsruck, der sich durch das ganze Land zieht, ist die Rolle der Clubkultur umso wichtiger: Wenn der einzige Club, das einzige Jugendzentrum oder das einzige Kulturhaus in einer Stadt wie Greifswald dicht macht, was bleibt dann?
Tracklist:
Timothy Leary – Turn On, Tune In, Drop Out
Kønnë / NTT5 – TP
Anastasia Kristensen – Irregularity (Yogg Remix)
Edward Bei – Meta Dub 02
J.S. Zeiter – Untitled (1997)
Martinou – Solid Core
Adlas – Magnectic
Tils – Freak
Jeff Mills – Automatic
Beka Webu – Untitled (JV Detro Dub)
Zisko – Climax
Fadi Mohem – We Are
Stojche – Counterpunch
Samuel L. Session – Givin‘ You Pt. 1
Deluka – Mind Games
Vxlr – Upstack
Scheermann – Unreleased
John Thomas – Down Hill
Steve Stoll – Captured
Surgeon – East Light Untitled (B1)
Head High – Rave (Dirt Mix)
Mr. G – Lights (G’s Out Dub)
Ryan Elliott – Smith Lake
Blue Hour – Moments (Steffi Remix)