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Achim Szepanski und seine Wegbegleiter:innen: Die Ekstase der Revolution

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Am 30. November findet in Berlin eine „Veranstaltung mit politischen und musikalischen Weggefährten in Gedenken an Achim Szepanski” statt. Zu Wort kommen dort Joshua Clover, Karl-Heinz Dellwo, Lain Iwakura und Sebastian Lotzer. Sascha Kösch legt Platten auf. Veranstaltungsort ist die Montagsbar in der Fehrbelliner Straße 6. Der Eintritt ist frei.

Am 22. September ist der Labelbetreiber und Theoretiker Achim Szepanski im Alter von 67 Jahren verstorben.

Inwiefern Achim Szepanski die elektronische Musik in Deutschland und global auf so einzigartige Weise prägte, ist heute gar nicht mehr so leicht zu verstehen. Ein Aspekt ist dabei offensichtlich: als Betreiber der Labels Force Inc. und Mille Plateaux verschaffte er einem außergewöhnlich breiten Spektrum von Künstler:innen ein Forum. Gleichzeitig, und das machte ihn so besonders, bettete er seine Arbeit als Labelbetreiber in einen ambitionierten theoretischen und politischen Kontext ein, den er in zahllosen Büchern und Artikeln ausarbeitete. Entscheidend ist, dass es sich dabei nicht um ein Hobby handelte, sondern einen Rahmen, der Fallhöhe für die Musik produzierte.

Achim Szepanski machte in seinen Texten und Vorträgen den Anspruch deutlich, den er an die Musik richtete. Im Anschluss an die poststrukturalistische Theorie von Denkern wie Gilles Deleuze und den Marxismus forderte er eine Klangkunst ein, die sich keinen Stilstand, keine Langeweile gestattete. Dieser ästhetische Anspruch spiegelte sich in der Absage an die kapitalistischen Verwertungszusammenhänge, die unser Leben beherrschen.

So stand die Musik nicht wie heute so oft für sich selbst, ebenso wenig war sie Aspekt eines Businessplans, sondern Teil eines schöneren und gerechteren Morgens für alle Menschen. Natürlich war dieser Anspruch dazu bestimmt, mit Realitäten zu kollidieren. Auf manche wirkte Szepanski als Person abgehoben, unnahbar und bisweilen auch gallig. Für andere war er die Verlässlichkeit in Person, ein guter Freund oder gar eine Vaterfigur. Wir wollten wissen, wie ihn Weggefährt:innen, Freund:innen und seine Familie erlebt haben. Dazu gehören Ian Pooley und DJ Tonka, die er als houseverliebte Teenager entdeckte, der frühere RAF-Terrorist Karl-Heinz Dellwo, bei dessen Verlag er publizierte und Achims Schwester, mit der er mehrmals am Tag telefonierte.

Ian Pooley (DJ & Produzent)

Ian Pooley und Achim Szepanski (Foto: Archiv Ian Pooley)

Wir haben uns um 1990, 1991 kennengelernt. Tonka und ich [alias T’N’I’, d.Red.] gingen einmal die Woche Platten kaufen. Den Detroit-Sound gab es nur im Boy Records, einem kleinen Laden, der von Achim geleitet wurde. Die neuesten Lieferungen kamen immer dienstags oder mittwochs, da musste man schnell sein. Irgendwann sind Tonka, Achim und ich ins Gespräch gekommen, und wenig später haben wir ihm eine Demo-Kassette gegeben. Das ging dann recht schnell, sodass wir gleich beim Gründungsbeginn von Force Inc. mit involviert waren.

Mit Achim an Releases zu arbeiten, war total einfach. Du hast produziert, kamst zu ihm in die Wohnung und er suchte aus. „Die, die und die nehm’ ich”, sagte er dann, und ab dem Punkt ging es nur noch darum, dass ich einen Namen für die Tracks finde.

„Für mich persönlich wiegt das ganze Jahrzehnt von House und Techno bei Force Inc. viel mehr als die späteren Veröffentlichungen.”

Ian Pooley

Damals, als wir angefangen haben, Musik zu machen, war er Mitte dreißig, und wir waren siebzehn. Er war also so gesehen genau im richtigen Alter, um mitzufeiern, aber gleichzeitig immer den Überblick zu behalten. Er hat die ganzen Raves und Partys von Force Inc. mitgemacht und sich dabei sogar um die Organisation unserer Anreise gekümmert. Er hat uns die Grundlagen mit auf den Weg gegeben, immer mit etwas Chaos dabei.

Die Portion Chaos kam vielleicht aus seinem studentischen, linken Background und dieser Anti-Haltung, die mitschwang. Er kam schließlich aus einer intellektuellen Szene und hat zum Beispiel Sachen von [Neuem-Musik-Vordenker, d.Red.] Karlheinz Stockhausen abgefeiert. Er mochte aber auch Pop – diese riesige Bandbreite und Offenheit haben ihm beim Betreiben des Labels bestimmt geholfen.

Achim Szepanski, Thomas-René Gerlach und Ian Pooley in der Einfahrt der Gerlachs 1992 (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

Als wir damals auf die Raves gefahren sind, hat Achim Reisebusse gemietet und uns alle zwischen Frankfurt und Mainz eingesammelt. Dazu kamen noch Freunde, und wir sind dann mit 40 bis 50 Leuten nach Basel, Bern und Paris gefahren. Er hat alle zusammengehalten – das muss man erst mal können. Menschlich war er ganz vorne mit dabei, was wahrscheinlich nicht so rüberkommt, wenn man Porträts über ihn liest. Von wegen Frankfurter Einsiedler, der sehr theoretisch vorhergeht.

Für mich persönlich wiegt das ganze Jahrzehnt von House und Techno bei Force Inc. viel mehr als die späteren Veröffentlichungen. Das Tempo war am Anfang noch sehr interessant. Ich habe viel daraus gelernt und rausgezogen.

Achim Szepanski, Thomas-René Gerlach und Ian Pooley im Studio von Jam El Mar von Jam & Spoon in Frankfurt 1991 (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

Geschrieben hat Achim immer gerne. Meine Hochachtung gilt aber vor allem der Tatsache, dass er diese Meute aus unterschiedlichen Leuten zusammengehalten und das Label am Laufen gehalten hat. Was heute ein 20-köpfiges Team erledigt, hat er alleine in einem Zimmer gemacht. Trotzdem kam er nie als Macher rüber, weil er immer Lederjacke und weiße Jeans trug und auch gerne mal in die Eckkneipe ging. Sein Alltag war in all der Unordnung dann doch total gut organisiert.

Eine Sache will ich nachträglich gerade rücken: Oft wird seine theoretische und politische Leidenschaft betont. Manchmal hat es durchaus auch genervt, wenn er mit Foucault und Deleuze angefangen hat. Das hat mich – gerade zu Beginn meiner Karriere – nicht so interessiert, und ich habe es auch nur zur Hälfte kapiert. Deshalb habe ich das Politische bei ihm einfach ausgeblendet. Für mich ging es nur um die Musik, und das hat er auch verstanden. Dabei wird meistens vergessen, dass Achim ein super lustiger Typ war. Dass er einen sehr guten Humor hatte, erwähnen viele Leute mit keinem Wort.

Sigrid Szepanski (Schwester von Achim Szepanski)

Achim ist drei Jahre älter als ich. Man kennt sich sein ganzes Leben. Wir haben uns immer schon sehr gut verstanden, auch als Kinder. Wenn ich mir jetzt alte Bilder anschaue, sieht man, dass wir auch damals schon ein wunderbares Verhältnis hatten. Erlebnisse gibt es viele, die würden den Rahmen sprengen.

Als jüngere Schwester habe ich meinen Bruder natürlich immer bewundert. Während die anderen bei ihren größeren Geschwistern die Bravo gelesen haben, hat er mir die Kämpfende Jugend [Zeitschrift des Kommunistischen Jugendverband Deutschlands der KPD, d.Red.] gezeigt. Achim war schon ganz früh in der KPD. Schon mit 16 Jahren war er aktiv und nahm mich als 13-Jährige mit.

Ich habe grundsätzlich zu ihm aufgeschaut, das galt nicht nur für seine politischen Überzeugungen. Ich kenne keinen Menschen, der so tolerant, so großzügig und so intelligent war wie er. Unsere Mutter sagte, dass er schon als kleines Kind besonders klug gewesen ist und sich früh gelangweilt hat. In der Schule war er ein Überflieger, er konnte sich unheimlich viel erlauben. Schon damals war er sehr eigenständig und wollte alles alleine machen, ohne die Hilfe unserer Mutter. Viel lernen musste er nicht, er musste sich nur hinsetzen. Bei Klausuren hat er einfach drauf los geschrieben und Einsen bekommen. Wenn ich etwas nicht verstand, hat ihn das verwundert. Er war schon als Kind unheimlich klar in dem, was er tat, und ging schon damals ziemlich geradlinig durch sein Leben.

Wir sind in der Nähe von Karlsruhe geboren und aufgrund des Berufs unseres Vaters in die Nordpfalz gezogen, in die Nähe von Kaiserslautern. Achim ist relativ schnell weggezogen. Kaum kamen wir an, wollte er weg. Er mochte das Landleben nicht, unser Dorf war ihm zu eng. 1977 zog er zum Studium nach Mainz, dann nach Frankfurt. Dorthin bin ich später, auch zum Studieren, nachgekommen. Unsere Wege haben sich immer gekreuzt, bis zu seinem Tod.

Auch im Nachtleben waren wir zusammen unterwegs, eine Zeit lang haben wir sogar zusammengelebt. Es fing in Mainz an, dass wir nachts zusammen ausgingen, da war ich 17 und habe noch zuhause gewohnt. Ich fuhr nach Mainz und habe bei ihm in seinen Wohngemeinschaften übernachtet. Das waren tolle Zeiten, auch in Frankfurt und später, als ich dann in Köln lebte. Mit Achim wurde es nie langweilig, weil er immer in Bewegung war. Man hat uns als Geschwister im Frankfurter Bahnhofsviertel gekannt: Die Leute sahen, wie ähnlich wir uns waren, und sagten „Die Geschwister Szepansky sind da!” Manche haben sich gewundert, dass wir als Bruder und Schwester so viel zusammen unternehmen. Es ist ja nicht unbedingt üblich, dass man auf derselben Wellenlänge liegt.

Seine Leidenschaft für die Musik hat in den Achtzigern begonnen, mit seiner Punkband PD. Wenn Achim sich für etwas interessierte, tauchte er komplett in das Thema ein. Mit allem, was er tat. Er hat geschrieben wie ein Besessener, sodass ich öfters sagte, er soll sich auch Zeit für Pausen nehmen. Bei Achim gab es nur Schwarz oder Weiß. Er war eben schon früh ziemlich konsequent in allem, was er tat. Er stand immer hinter seinen Werten und Prinzipien und hat gerne lautstark diskutiert.

Es gibt kaum einen Menschen, der so entschieden und knallhart in seinem Handeln ist. Auch mein Lebensgefährte, der Achim 25 Jahre lang gekannt hat, sieht ihn so. Gleichzeitig war er äußerst menschlich. Wenn jemand Hilfe brauchte, auch Geld, hat er die Leute unterstützt. Das war nie ein Thema. Auf der Trauerfeier haben viele betont, dass man ihn jederzeit anrufen konnte, wenn es einem schlecht ging. Sogar nachts.

Achim war für mich immer eine Inspiration und ein Informant, der mich über alles Mögliche aufklärte. Ich habe seine Intelligenz immer bewundert und oft gemerkt, dass er in seinem Umfeld einen besonderen Diskurs und eine gewisse Herausforderung brauchte. In Deutschland hat er sich oft gefragt, wofür und für wen er überhaupt schrieb.

Weil Achim es ablehnte, den Führerschein zu machen, habe ich ihn damals mit dem Auto zu Ian [Pooley, d.Red.] und Thomas [Thomas-René Gerlach, DJ Tonka] nach Mainz gefahren. Die beiden waren noch Schüler. Ob mit Zug oder Taxi, Achim war der Meinung, dass er sowieso überall hinkomme, auch ohne eigenes Auto. Ich habe ihn natürlich sehr gerne hingefahren. Zwischen uns war das ein Geben und Nehmen und in keiner Form anstrengend. Wir haben uns gegenseitig inspiriert. Viele haben mich um das Verhältnis, das wir hatten, beneidet, und der Verlust ist auch deswegen unbeschreiblich schmerzhaft. Aber nichts kann mir die intensive Zeit nehmen, die ich mit ihm hatte.

Das Wesentliche waren für ihn die Literatur, das Schreiben und Politik. Viele Dinge, die andere Menschen als Priorität ansehen, waren für ihn völlig banal. Das Mittelmaß hat ihn nicht interessiert. Ich bin bis heute stolz auf meinen Bruder, auch auf das Extreme an ihm. Gerade bin ich dabei, seine Wohnung auszuräumen und die Bibliothek zu sortieren. Wenn ich jetzt wieder lese, was er geschrieben hat, ist das schon unglaublich. Da empfinde ich eine tiefe Bewunderung.

Ich denke noch täglich an unsere Rituale. Wir telefonierten drei- bis viermal am Tag. Er rief mich um halb neun von Zuhause oder vom Park aus an. Mein Vater fragte immer, was wir uns noch zu erzählen hätten. Aber es gab immer etwas zu bereden. Heute begreife ich noch gar nicht, dass er nicht mehr lebt. Ich habe mit seinem Tod in keinster Weise gerechnet, es kam für uns alle aus heiterem Himmel.

Achim hat vieles mit sich selbst ausgemacht. Er war damit sehr rücksichtsvoll, weil er wusste, dass mich die Pflege unserer Eltern ziemlich belastet. Er hat sich immer auch mir gegenüber zurückgenommen. Er wusste zwar, wie es um ihn stand. Dennoch ging er zu wenig zum Arzt. Vielleicht war er sich diesbezüglich selbst nicht so viel wert. Ich frage mich oft, warum er nichts gesagt oder getan hat.

Meine Mutter hatte sogar fünf Geschwister und zu allen ein sehr gutes Verhältnis. Ich denke, dass diese Werte, die uns unsere Eltern vermittelt haben, prägend waren. Selbst wenn Achim diese traditionellen Familienklischees ablehnte, hatte er zu unserer Mutter ein sehr gutes Verhältnis. Bei unserem Vater war das nicht so, aber Vater-Sohn-Beziehungen sind ja immer etwas speziell.

An Weihnachten besuchten wir unsere Eltern. Auch wenn Achim das nie ausgesprochen hat, fand er das bestimmt schön. In dieser Hinsicht war er nicht so der emotionale Typ – das sind wir generell in unserer Familie nicht, wir halten aber immer zusammen. Hart, aber herzlich.

Meine Mutter ist nicht mehr da, mein Vater ist 97 – ich habe immer gedacht: Gott sei Dank habe ich noch den Achim. Wir haben gegenseitig aufeinander aufgepasst. Mein Bruder war immer meine Stütze, mein großes Glück.

Marcus S. Kleiner (Autor & Kulturwissenschaftler)

Marcus S. Kleiner (Foto: Marc Süß/Sweetspot Studio)

Wir haben uns durch frühe Bücher von mir kennengelernt: Klangmaschine und Radio Derrida. Ich habe Achim die Bücher geschickt und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, eine CD dazu aufzunehmen. Die Idee fand er gut. Irgendwann kam er auf mich zu und meinte, dass er einen guten Kontakt zu Suhrkamp habe. Das fand ich natürlich super. So ist unser Buch entstanden.

Achim hat der Entzug von allem, was als Klassische Musik galt, gefallen. Er wollte das einordnende Verständnis auflösen, sodass etwas Neues entsteht. Etwas, das keine Musik als Musik ist, sondern Klangerlebnis, Erzeugnis und Farbe. Deleuze und Marx waren ihm wichtig, Theorie generell. Aber nicht im Sinne einer Ordnung. Achim wollte eine andere Art der Theoriearbeit. So wie ich ihn wahrgenommen habe, hat er versucht, Deleuze auf Techno zu übertragen und die Inhalte auf seine Labelarbeit umzusetzen. Es war alles chaotisch ohne Ende, es gab keine Ordnung, kein nine to five.

Ich erinnere mich, als ich das erste Mal im Büro der ersten Etage im Bahnhofsviertel ankam. Da lagen links in der Ecke auf einem Tisch unglaublich viele Schecks, bei denen es um riesige Beträge ging. Es ging aber nicht darum, irgendwie Kohle abzufeiern. Diese Schecks gehörten einfach zur Selbstverständlichkeit, wie die restliche Arbeit. Es war eine sehr wilde Kreativität. Achim war wirklich überzeugt von Deleuze und hat versucht, ein produktives Chaos zu entwickeln und dieses auch zu leben. Der Ordnungswille war gar nicht da. Sein ganzes Arbeiten war ohne roten Faden – Dinge sind oft einfach entstanden.

„Brauchtest du einen Kontakt, bekamst du ihn.”

Dabei war Achim gar kein Netzwerker. Trotzdem entstand vieles über Kontakte und Zufälle. Man war in der Kneipe, da wurde hart gesoffen und dann wurde die Weltrevolution ausgerufen. Achim war ein Maniac, der die ganze Zeit vibrierte und nie zur Ruhe kam. Ein richtiger Macher, der so eine kreative Unruhe in sich hatte, die einfach ansteckend war. Ich mochte diese wilde Kreativität, diese Energie und die Leidenschaft für das, was er tat. Diese Unbedingtheit, seinen Weg zu gehen, egal was vor einem stand. Dieses komplett Blauäugige: Ich lauf’ jetzt in jeden Scheiß rein, selbst wenn es nicht funktioniert – dann mache ich trotzdem irgendwie weiter. Das fand ich immer sehr bewundernswert.

Ich erinnere mich an die schönen Abende, die wir hatten. An denen wir rumzogen, in Kneipen und Galerien waren und intensive Gespräche hatten – die Momente, in denen sich der Raum drumherum verliert. Außerdem erinnere ich mich an seine Gabe, zu teilen. Brauchtest du einen Kontakt, bekamst du ihn. Er wollte halt, dass alle kreativen Scheiß zusammen machen, solange es nicht in der Norm lag.

Can Oral alias Khan (Produzent)

Can Oral (Foto: Presse)

Kennengelernt haben wir uns 1992, 1993, auf Partys. Wir waren damals ein sehr enger Kreis. Mein Bruder [Cem Oral alias Jamin’ Unit, d.Red.] Dr. Walker [s.u.], Alec [Empire], Ian [Pooley], das Label Djungle Fever und, und, und. Ich bin zu der Zeit nach New York gezogen und habe Achim DAT-Kassetten geschickt. Das Spannende an ihm war: Er hat die Tracks direkt herausgebracht und nie rumgenörgelt oder einem erzählt, was da noch fehlte.

Das war ein Stream of consciousness. Es kam aus einem herausgesprudelt und wurde aufgenommen. In dieser Form hat Achim auch die Labels betrieben. Mit ihm zu arbeiten war wie ein fließender Strom, der nie aufhörte. Er hat nie gesagt, dass ihm etwas nicht gefällt oder dass noch ein Hit fehlt. Wir haben aber viel darüber gesprochen, wo die Musik hingehen soll.

Und du hast immer deine Kohle bekommen, was ich von anderen Labels nicht behaupten kann. Achim war professionell und zugleich völlig weggedriftet in seinem politischen Universum. Manchmal habe ich auch nicht so ganz gerafft, was er mir erzählte. Wenn er mir praktische Sachen erklärte, vermischte er das oft mit politischen und soziologischen Themen, sodass du dann nicht mehr ganz wusstest, wo du bist. Das war halt total Achim.

Ich mochte den Zusammenhalt. Wir waren echt eine Punk-Community. Damals war das noch sehr speziell, man konnte davon leben und sich finanzieren. Man hat sich gegenseitig Gigs besorgt und Platten auf den Labels gemacht. Achim war in dieser Zeit sehr früh dran und hat gezeigt, wo es hingeht. Absoluter DIY-Punk.

Karl-Heinz Dellwo
(ehemaliges Mitglied der RAF, Autor und Filmemacher)

Szepanski mit Karl-Heinz Dellwo (Foto: Privat)

Zu den Force-Inc.-Zeiten kannte ich Achim überhaupt nicht, ich bin ja erst 1995 aus dem Gefängnis gekommen. Zu den Musik-Geschichten kann ich deshalb wenig sagen, nur: Zu der Zeit, als ich ihn kennengelernt hatte, lief das ökonomisch nicht mehr so gut.

So richtig gut kennengelernt haben wir uns während des G20-Gipfels in Hamburg. Achim hat mit einem weiteren Freund bei uns gewohnt, Thomas Seibert. Wir haben Tag und Nacht diskutiert, über das Unmittelbare, über die politische Lage oder über seine Bücher geredet. Das war für uns alle eine ungemein produktive Zeit. Ein Hauch von Revolte lag über allem. Über ihn bin ich erst auf Begrifflichkeiten wie die Surplus-Bevölkerung gekommen. Da war er sehr weit vorne in seinem Denken.

Wir sind zusammen durch die Straßen gezogen und manchmal auch durch die Kneipen. Achim ist immer sehr radikal gewesen in seinen Aussagen. Insbesondere nachts. Morgens musste man ihm manchmal sagen, auch lachend: „Achim, das geht nicht, diesen Post musst du jetzt löschen.” Und das hat er dann auch gemacht.

Er war wahnsinnig belesen, besonders bezogen auf die Franzosen, Baudrillard oder Deleuze. Er saß Tag und Nacht an Büchern und hat die seltsamsten Webseiten gefunden. Das waren meist sehr qualifizierte Seiten, über die Aktualisierung des Marxismus und was dieser heutzutage bedeuten könnte. Viele wissen das gar nicht, aber er hatte ja einen beachtlichen Erfolg in China. Dort wurde sein Buch Kapital und Macht ins Chinesische übersetzt und ist im zweitgrößten marxistischen Staatsverlag erschienen.

Wir haben uns aber weniger im Abstrakten unterhalten, sondern immer versucht, von bestimmten Thesen zur Wirklichkeit zu kommen. Oder von der Wirklichkeit über das hinauszugehen, wie es allgemein interpretiert wird. Das ging mit Achim sehr gut. Außerdem war er auch im Alltag verankert. Er hatte teilweise eine ungeheure Wut auf die Linke gehabt und ist da auch oft angeeckt. Für ihn war sie zu passiv und inhaltlich vergreist.

„Schreib’ doch nur mal 150 Seiten.”

Achim stellte sich immer gegen eine Alternativlosigkeit. Für ihn war die Suche nach Begriffen schon Praxis. Es ist ja so, dass wir derzeit über die Negation der Verhältnisse nicht hinauskommen, weil wir kein Konzept finden, aus dem heraus wir sagen: Wenn wir das und das jetzt umsetzen, könnten wir eine Gegenmacht aufbauen. Wir bleiben bei der Negation, aber die, das war Achims Punkt, muss auch Teil deiner Lebensgrundlage sein. Du kannst also nicht fröhlich alles mitmachen und gleichzeitig für die theoretische Negation einstehen. Die Ablehnung des Ganzen muss sich auch in deinem Leben widerspiegeln. Diese Einstellung hat Achim besonders gekennzeichnet.

Achim ist gerne losgepoltert, aber wenn du mal mit ihm zusammengesessen bist, war er ein total sensibler, wahnsinnig freundlicher Mensch. Man konnte sich mit ihm wunderbar unterhalten und ihn auch kritisieren. Dann hat er mit einem langgezogenen „Na ja, gut” geantwortet und war bereit, die Dinge anders zu betrachten. Wenn er nachts seine super radikalen Posts geschrieben hat, dann dachten wahrscheinlich viele, dass da jemand mit einem Knüppel in der Hand sitzt, der auf die Tastatur donnert. Es ist aber einfach nur über ihn gekommen, das Unhaltbare, das Kaputte und Nichtige der heutigen Welt. Gegen die Ekstase des Kapitals hat er sich die Ekstase der Revolution gewünscht.

Die Zusammenarbeit zwischen uns war meistens sehr einfach. Die anfängliche Schwierigkeit lag eher darin, dass seine Bücher immer 500 Seiten lang waren. Ich musste immer wieder sagen: „Schreib’ doch nur mal 150 Seiten.”

Wir haben zum Ende hin viel telefoniert. Manchmal war er deprimiert. Aber er hat auch versucht, das nicht gelten zu lassen. Selbst sechs Tage vor seinem Tod kam eine Nachricht, dass alles in Ordnung sei. Ich hatte eigentlich vorgehabt, wieder runterzufahren. Er war für mich ein wichtiger Freund und jemand, den man schätzt. Allein wie er rumgelaufen ist, ohne etwas hermachen zu wollen.

Achim war ein guter Freund und ein wertvoller Mensch. Wenn ich zurückdenke an unsere Zeit, macht mich das traurig. Er ist ja ein paar Jahre jünger als ich. Ich kenne niemanden, mit dem ich diese Auseinandersetzungen, die ich mit ihm hatte, führen könnte. Wenn jemand stirbt, sagt sich das so leicht: Die Person ist unersetzbar. Für bestimmte theoretische, aber gleichzeitig auch ins Radikale transformierte Dinge, gilt das für mich jedenfalls auch für Achim.

Ingmar Koch alias Dr. Walker (Produzent und Labelmacher)

Ingmar Koch alias. Dr. Walker (Foto: Wulfmanson)

Ursprünglich habe ich Achim natürlich im Boy Records kennengelernt. Dort aber eher oberflächlich. Später habe ich ihn durch Wolfgang Voigt näher kennengelernt. In der Anfangszeit von Force Inc. haben wir ihn häufiger besucht. Wir haben im Mainzer Brückenkopf die Nächte durchgesoffen und über den Technosound philosophiert. Bei elektronischer Musik ging es bei Achim vor allem um Radikalität und Innovation. Das Morphen von Klang zum Restgeräusch und zurück. Darüber hätte Achim einen langen Vortrag halten können.

Ihm war es egal, ob jemand bekannt oder ein talentierter Newcomer war. Was gezählt hat, war der Sound. Aus seinen politischen Überlegungen habe ich mich allerdings rausgehalten. Ich bin kein großer Freund der Theorie. Das war auch in Ordnung – wir haben uns gegenseitig damit aufgezogen.

Achim gefielen Air Liquide, [Projekt mit Khan, d.Red.] und mein Label Djungle Fever. Deshalb hab’ ich angefangen, bei ihm zu veröffentlichen. In einer Nacht in Frankfurt haben wir diskutiert, ob es Sinn macht, ein Label zu gründen, mit dem Sound von Air Liquide. Wenige Tage später startete Achim dann mit Mille Plateaux.

In der Regel habe ich ihm DAT-Tapes mit zehn bis 20 Tracks geschickt, und er hat ausgesucht. Releases auf Force Inc. und Mille Plateaux konnten sehr weird sein. Sie haben sich trotzdem verkauft. Als Force Inc.- und Mille-Plateaux-Act hatte man in der Mitte der Neunziger dadurch einen internationalen Namen und wurde gebucht. Bestimmte Peinlichkeiten, die andere DJs erlebten, blieben uns zum Glück erspart. Obwohl man einen harten, experimentellen Sound spielte, erreichte man viele Leute und Gleichgesinnte. So, wie es im Underground sein sollte.

Insofern waren Releases auf Force Inc. und Mille Plateaux immer eine Bestätigung, den eigenen Weg weiterzugehen. Und nicht Sounds aus anderen Teilen der Erde zu kopieren, um mehr Leute zu erreichen. Deutscher Techno und experimentelle Musik wären ohne Force Inc. und Mille Plateaux sicherlich langweiliger gewesen. Für mich persönlich gehören die Labels mit zu den wichtigsten, größten, radikalsten in der Geschichte der elektronischen Musik.

Was unglaublich ist: Ich hatte mir neulich überlegt, Achim zu kontaktieren, um ihn zu unserem Air-Liquide-Konzert in Lissabon einzuladen. Wir hatten seit den Corona-Lockdowns keinen Kontakt mehr gehabt, was aber nichts Außergewöhnliches war. Wir hatten häufiger mal Kommunikationspausen, wenn das Leben uns in unterschiedliche Richtungen getrieben hat. Jedenfalls gehe ich auf seine Facebook-Seite, um ihm über Messenger zu schreiben und ihn einzuladen. Und da lese ich, dass er an diesem Morgen tot aufgefunden wurde. Das hat mich natürlich schwer getroffen.

Robin Rimbaud
(Musiker und Multimediakünstler)

Robin Rimbaud (Foto: Jonathan Stewart)

Ich wurde zum ersten Mal durch die Experimentalgruppe P16.D4 auf Achim aufmerksam. Das war eine große Inspiration für mich und auch entscheidend für die Entstehung meiner eigenen Arbeit. Wie bei vielen Verbindungen in der Vergangenheit lernte ich Achim etwas später über das Telefax kennen. Er fragte mich wegen einer möglichen Veröffentlichung an, woraufhin sofort unzählige Telefonate folgten. Später trafen wir uns in Deutschland bei meinen Live-Auftritten.

Achim wirkte auf mich wie ein sehr ernster, nachdenklicher und intelligenter Mann. Ich erinnere mich lebhaft an seinen schweren Atem bei unseren Gesprächen, und ich konnte auch die verrauchte Atmosphäre am anderen Ende der Leitung spüren. Persönlich war er dann viel herzlicher und zugänglicher.

Da er aus einer Zeit stammte, in der das Intellektuelle mit dem Klanglichen verschmolz, interessierte er sich für das Potenzial von Klängen, die das Denken antrieben. Er mochte das Gesichtslose der Musik – wo Identitäten verändert und mit ihnen gespielt werden konnte, wo Künstler:innen alternative Persönlichkeiten annehmen konnten.

Ich erinnere mich noch daran, wie er mir erzählte, dass er dem mittlerweile verstorbenen französischen Philosophen Gilles Deleuze meine Arbeit vorgespielt hat und wie sehr ihn meine Arbeit bewegte, was sehr schmeichelhaft war.

Er hat vielen von uns zu der Erkenntnis verholfen, dass es nicht unangenehm oder peinlich ist, intellektuell über Musik zu sprechen, was uns auch beim Musikmachen half. Deshalb spielte er eine sehr wichtige Rolle bei meiner eigenen Entwicklung als Künstler – er hat etwas hinterlassen, das man bis heute erforschen kann. Er wird uns fehlen.

Sascha Kösch alias DJ Bleed
(Musikjournalist und DJ)

Sascha Kösch alias DJ Bleed (Foto: Unbekannt)

Gefühlt haben wir uns Ende 1991, Anfang 1992, genau genommen mit der FIM003 kennengelernt. Riley Reinhold und ich waren in Köln chaotisch umtriebige Rave-Veranstalter und DJs. Weil wir die ersten Force.-Inc.-Platten in der damals noch viel zu überschaubaren und oft peinlichen Welt deutscher Techno-Releases überraschend gut fanden, landeten wir natürlich schnell auf Achims Promo- und nahezu ebenso schnell auf seiner Speed-Dial-Liste. Achim war ja irgendwie Anti-Frankfurt in Frankfurt, da hatten wir schon mal die erste Gemeinsamkeit.

Ich mochte ihn von Anfang an. Achim war immer fordernd und pushend, und es gab nie Geplänkel, sondern immer Diskussion über Theorie und die Position von Techno in allen Spielarten. Ich teilte mit ihm auch die Vorliebe für Revolution, französische Theorie, insbesondere Deleuze, was die Telefonrechnungen immens in die Höhe trieb. 

Meine Superpower, die mich gegen die rabiateren Seiten von Achim immunisierte, war vermutlich, Mille Plateaux [das Schlüsselwerk von Gilles Deleuze und Felix Guattari, d. Red.] im französischen Original zu lesen. Wir haben viel über Theorie gestritten: Er ging letztendlich eher in Richtung von Laruelles Non-Philosophy – ich zu ihm: „du Darkness-Sophist”! –, ich eher in Richtung von Derridas Dekonstruktivismus – er zu mir: „du Champagner-Revoluzzer”!

„Eigentlich bin ich immer noch verblüfft, dass er kein Label „Machines de guerre” genannt hat.”

Er hatte letztlich eine handfestere Vorstellung von Revolution als ich. In anderen Welten wäre Achim natürlich zu einem der herausragendsten Philosophen Deutschlands geworden – er hätte auch gut in Frankreichs Siebziger gepasst.

Für Achim ist die Musik eine revolutionäre Kommunikation. Widerstand. Die Gegenästhetik, die Materialität von Sound und natürlich die konstante Bewegung in neue Richtungen. Eigentlich bin ich immer noch verblüfft, dass er kein Label „Machines de guerre” genannt hat.

Wer mit Achim zusammenarbeitete, fand sich schnell in einem extrem heißlaufenden Kosmos wieder. Da gewährte man einerseits extrem viel Verständnis für die künstlerischen Aspekte der Arbeit, sehr viel Freiheit, neue Dinge auszuprobieren. Andererseits konnte aber auch schnell ein radikales Urteil zu Streit führen. Achim war sehr direkt. Während unzählige Künstler ihm sicher viel verdanken, waren nicht wenige auch froh, danach auf eigenen Beinen stehen zu können.

Ich vermisse am meisten den Streit mit ihm. Die Auseinandersetzung. Das Gefühl, sich mit jemandem über das recht spezielle Feld zwischen Musik und Theorie auf einem Level gemeinsamer Geschichte auseinandersetzen zu können, ohne dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Thomas-René Gerlach alias DJ Tonka
(House-DJ und Produzent)

DJ Tonka (Foto: Dave Ostrowski)

Ian [Pooley] und ich haben uns in der 7. Klasse im Gymnasium in Mainz kennengelernt, wir sind dann jede Woche durch die Plattenläden gestreift. Da hatten wir schon ein Projekt, Sub-au-di-ble, damit sind wir auf der Athmoparty in Mainz aufgetreten, das müsste 1988, 1989 gewesen sein. Wir haben aber noch gezögert, etwas zu veröffentlichen. Achim haben wir als Chef von Boy Records kennengelernt, ich hatte mir gerade das White Label von Deskee – „Let There Be House” gekauft. Mit dem habe ich später auch auf Force Inc. veröffentlicht. Wir kannten Achim aber schon vom Sehen.

Wenig später kam unsere erste Platte bei Force Inc. raus. Das alles war 1991, da waren wir 17 oder 18. Aufgenommen haben Ian und ich im Haus meiner Eltern, die waren als Kunsterzieher, Galeristen und Jazzmusiker tätig und hatten ein eigenes Tonstudio im Haus.  Achim hat uns ein Mischpult und einen Sampler geliehen, er hatte Equipment von seiner Zeit mit Blackout, dem Label vor Force Inc. Lustigerweise mussten wir uns die DAT-Kassette mit einem anderen Act teilen, weil die so teuer waren. Deshalb gab es auch immer einen Grund, Achim im Frankfurter Bahnhofsviertel zu besuchen. In seiner großzügigen, minimalistisch eingerichteten Altbauwohnung haben wir dann bei Gnocchi Gorgonzola und Pizzabrot vom Italiener um die Ecke abgehangen, ihm unsere neuesten Tracks vorgespielt, viel gelacht und Pläne geschmiedet. Das war eine Zeit des Aufbruchs. Im Gegenzug kam er auch manchmal nach Mainz. Da fuhr ihn immer seine Schwester, weil er keinen Führerschein hatte.

Wir nannten uns T’N’I, das stand eher für House. Die Projektnamen Outrage und Space Cube standen für Techno und Breakbeat. Thomas Heckmann kam zur gleichen Zeit zu Force Inc., er kam auch aus Mainz. Wir Drei waren die Protagonisten, die die ersten Force-Inc-Releases bestritten haben. Leute wie Alec Empire und Mike Ink beziehungsweise Wolfgang Voigt kamen später dazu.

Achim Szepanski und Thomas-René Gerlach 1993 in München am Rave-Merch-Stand auf einer Party (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

Ich war von den Achtzigern geprägt, mein Lieblingsproduzent war Trevor Horn, wir haben die gesamte House- und Techno-Welle mitgenommen und auch geritten. Wir haben als Mainzer die Rivalität zwischen Berlin und Frankfurt belächelt, gehörten aber schon zum Sound of Frankfurt.

Dann gab es natürlich auch noch die legendären Brückenkopf-Partys, initiiert von einem Kunstverein aus Frankfurt, geleitet von Roger Schönauer und eben auch Achim. Das waren halblegale House- und Techno-Partys im Kopf der Theodor-Heuss-Brücke in Mainz, einer Art Kellerraum mit kleiner Bar, einem DJ-Pult und dicker Anlage. Eine einzige Toilette bei dem kleinen Eingang, bei dem man sich ducken musste. Der Kalk rieselte von der Decke auf die laufenden Platten. Strobo, Nebel, fertig.

Er stand dann manchmal auf seinen Platten, er hat sie einfach auf den Boden geschmissen. Auch das war Achim.

Es kam nur rein, wem zuvor eine private Einladung in Form eines limitierten Flyers mit Stempel der jeweiligen Party ausgehändigt wurde. Ian und ich, das T’N’I DJ-Team, waren als Mainzer Locals die Residents. Coolerweise haben sich dort aber auch manche Frankfurter Kollegen und internationale House- und Techno-Größen wie Richie Hawtin und Derrick May die Klinke in die Hand gegeben.

Unsere Freunde und Mitschüler sind auf die Partys geströmt und haben verstanden, um was es bei unserer Musik geht. Das waren die Anfänge, aus denen sich dann eine ganze Szene entwickelt hat. Der Brückenkopf wurde zum Aushängeschild der Region, zu einem Gegenpol zu Frankfurt, wo es professioneller zuging. Später wurde das Ganze dann noch durch den Tower, der sich einige hundert Meter weiter an der Rheinpromenade befand, erweitert. Dieses Mal in einer Eisenbahnbrücke, ausschließlich mit Old-School-Breakbeat, also UK Hardcore und Jungle.

Im Brückenkopf drehte sich jedoch alles um House und Techno. Tracks von Labels wie NuGroove, Strictly Rhythm, Eightball, Azuli, Emotive bis hin zu R&S, Djax-Up-Beats, KMS oder Plus 8 liefen da rauf und runter. Vincent Floyd – „I Dream You” war eine von Achims Lieblingsnummern. Entweder haben wir solche deepen Sachen ganz zu Beginn der Nacht gespielt, oder Achim hat zu später Stunde seine eigenen zehn Platten rausgeholt. Er stand dann selbst meist auf seinen coverlosen 12-Inches, weil er sie nach dem Abspielen meist auf den Boden warf. Auch das war Achim. Dieses Rebellentum rührte wohl aus seinem politischen Verständnis.

Thomas Gerlach/ DJ Tonka, Achim Szepanski und Thomas P. Heckmann im Jahr 1992 (Foto: Archiv Thomas Gerlach)
Thomas-René Gerlach/ DJ Tonka, Achim Szepanski und Thomas P. Heckmann im Jahr 1992 (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

Meine Mutter sammelte uns nicht selten erst gegen elf Uhr morgens vor dem Club mit dem Auto ein. „Wenn Eure Longsleeves nicht total durchgeschwitzt sind, war es keine gute Party”, meinte sie einmal. Im Prinzip war es so: wenn Ian auflegte, habe ich getanzt, und umgekehrt. Es gab keinen Stillstand, Tanzen war unser Sport, man war ganz in die Musik vertieft, ganz im Gegensatz zu so einigen Veranstaltungen von heute.

Später sind wir auf Raves im Ausland gefahren, wir haben unser Equipment im Studio abgebaut, in einen Bus geladen, auf dem Rave wieder aufgebaut und sind da live aufgetreten. Wir wurden zu einer Crew und auch als solche wahrgenommen. Wir haben mit DJ Bleed & Triple R, Gene Farris und DJ Rush gespielt, dafür hatte Achim gelb-blaue Trikots mit Force-Inc.-Filz gemacht. Mit Fußball hatten wir gar nichts am Hut, es ging um den Posse-Gedanken.

Man war stolz, dass man dazugehörte, und so ist man dann auch aufgetreten. Was Politik anging, war Achim ganz anders unterwegs als wir. Uns ging es vorrangig um die Musik. Aber wir mochten den Sturm und Drang. Das hat auch in die Zeit gepasst, zum Beispiel in Berlin in besetzten Gebäuden aufzutreten. Meine spätere Entscheidung, eben nicht auf der Mayday zu spielen, resultierte aber durchaus auch aus dieser Force-Inc.-Punk-Rock-Haltung, denn Achim stand vor allem für Rebellion und Revolution. Ähnlich wie bei Underground Resistance aus Detroit.

Thomas-René Gerlach/ DJ Tonka, Thomas P. Heckmann und Achim Szepanski 1992 auf der Terrasse der Gerlachs (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

Wir sind oft mit Achim zu Discomania [Plattenvertrieb, von 1985 bis 2010 aktiv, d.Red.] in Rossbach [zwischen Frankfurt und Bad Nauheim, d.Red.] gefahren. Eine Halle voller Platten, das war ein Wonderland für uns. Wir haben uns mit dem Vertriebsteam um Armin Johnert angefreundet. Nach einer Besprechung zu Themen wie Verkaufszahlen haben wir uns dann in die Platten gestürzt und so viele mitgeschleppt, wie wir tragen konnten. Zum Auflegen war das natürlich super, so direkt an der Quelle von Importen zu sein.

DJ Tonka alias Thomas-René Gerlach, Lain Iwakura und Matthias Doll, ein Cousin von Achim (Foto: Privat)

Natürlich war Achim auch sprachlich sehr gewandt und in ganz anderen Sphären unterwegs. Wir waren dagegen die Kids, die mit Techno und House loslegen wollten, das war eine interessante Mischung. Das ging auseinander, als ich mein eigenes Label gemacht habe, Uplifting Records. Aber acht Jahre haben wir zusammengearbeitet, das war eine schöne, prägende Zeit.

Mich und Achim verbindet ein besonderes Kapitel: Das Sublabel Force Inc. US gründetete er damals eigens für meine erste DJ-Tonka-Platte, die Flashback EP. „Für den Sound brauchen wir ein neues Label”, sagte er. Da kamen dann auch US-Acts wie DJ Sneak oder Glenn Underground dazu. Wegen meines für die damaligen Verhältnisse eher undeutschen Sounds dachten am Anfang alle, ich sei ein schwarzer DJ aus New York.

Jetzt, nach seinem Tod, ist mir ein Punkt wichtig: In manchen Nachrufen wird Achim als komischer Kauz hingestellt, der irgendwie dazugehörte. Das wird ihm nicht gerecht, bei allem, was er geleistet hat. Das war absolut einzigartig. Achim hatte in Sachen Musik sehr oft die richtige Intuition und trieb die Dinge aktiv nach vorne – kompromisslos und stets mit einer sehr klaren Haltung. Viele Künstler sind ihm bis heute dafür dankbar. 

An eine Situation aus dem Brückenkopf denke ich bis heute: Mode hat Achim nie besonders interessiert, weil er andere Sachen im Kopf hatte. Meistens hat er Schwarz und Grau getragen. Aber ich weiß noch, dass er im Brückenkopf immer eine weiße, recht schicke Hose anhatte, die nach einer durchzechten Nacht total verdreckt war. Irgendwann habe ich ihn dann gefragt, warum er ausgerechnet eine blütenweise Hose trug. Die wird doch dreckig, sagte ich. „Da weiß man wenigstens, was man gemacht hat”, erwiderte er kurz. Die Hose als Leinwand der gelebten Party. Und die hat er nur im Brückenkopf getragen.

Simona Zamboli
(Produzentin)

Simona Zamboli (Foto: Presse)

Wir lernten uns durch die Musik kennen. Ich fragte mit viel Bescheidenheit, ob ich auf Force Inc. veröffentlichen dürfe. Das war zu meinen Anfängen, damals brachte ich nicht besonders viel heraus. Aber ich war ein großer Fan von Mille Plateaux und Force Inc. Achim und ich schrieben dann über Messenger, und er war sofort bereit, meine Musik zu veröffentlichen. Das war 2021. Wir lernten uns in der digitalen Welt kennen.

Nach und nach intensivierte sich unser Kontakt, und ich sendete ihm immer mehr Tracks. Ich hatte ein gesamtes Album, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich es Achim zeigen sollte oder nicht – ich respektierte ihn sehr, und unsere gesamte Interaktion über Messenger war immer sehr trocken. Sehr direkt. Schon in seinen Nachrichten konnte ich seine anarchistische Art, seine Punk-Seele spüren. Ich mochte seine Art sehr, sie übte zu der Zeit viel Einfluss auf mein Leben aus. Ich war immer sehr nervös, wenn er mir antwortete. Dann ermutigte er mich allerdings, an einem gesamten Album zu arbeiten, und das brachte mich zum Nachdenken. Warum ich? Ich war ja in keiner Weise bekannt. Das gab mir zu Beginn meiner Karriere unglaublich viel Selbstbewusstsein, einfach nur weil Achim an mich geglaubt hat.

„Er war der perfekte Übersetzer von Musik in Worte.”

So begann meine Karriere aufzublühen und ganz besonders auch mein Selbstbewusstsein. Auf eine bestimmte Art war Achim mein Mentor, weil er mehr an mich glaubte als ich. Trotzdem blieb unsere Kommunikation immer trocken. Wir telefonierten nicht mal. Keine Stimme. War nicht erlaubt. Aber in dieser Kälte fühlte ich eine gewisse Verbundenheit. Ein Jahr zuvor ist mein Vater gestorben, und über die Musik verschaffte er mir in dieser Zeit Geborgenheit. Er war ein Vater auf der musikalischen Ebene.

Er schrieb immer die Texte zu meinen Alben. Jedesmal, wenn er etwas über meine Musik schrieb, fühlte es sich an, als würde er meine Botschaft sofort spüren, ohne dass wir uns absprachen. Alle Texte waren sehr philosophisch und konzentrierten sich sehr auf die Ultra-Blackness. Auf philosophischer Ebene, aber auch generell habe ich das Gefühl, dass er meine Musik gut verstand. Er war der perfekte Übersetzer von Musik in Sprache.

Ultra-Blackness und die Negativität. Das waren Themen, die uns verbunden haben. Die Konzeption von Non-Rhythmischem und unharmonische Wege, Musik zu produzieren. Auch das Erzeugen von entfremdeten Welten, in die man eintauchen kann, um sich selbst zu erleben, waren Bereiche, die wir beide möchten. Das Dekonstruieren der Musik war ein Prozess, der uns besonders wichtig war. Ich habe das Gefühl, dass er mich dahingehend verstanden hat und immer noch versteht.

Achim war ehrlich in seiner Art. Er hatte keine Angst, zu sagen, was er dachte. Selbst wenn es zu extrem für manche schien. Das verbindet mich bis heute mit ihm.

Lain Iwakura (Aktivist:in, Autor:in, DJ)

Achim und ich sind ungefähr vor zwölf Jahren ins Gespräch gekommen. Damals habe ich mit ein paar Freund:innen regelmäßig illegale Raves in Frankfurt und Umgebung geschmissen. In der Zeit hat Achim gerade an seinem ersten Buch zum „Non-Marxismus” geschrieben, da haben wir ihn mehrfach zur Vorträgen vor unseren Partys eingeladen. Parallel kam Achim wöchentlich zu unseren Barabenden: Auflegen, Sounds hören und diskutieren.

Trotz seiner meist vernichtenden Kritik, die manchmal rau und hart wirken konnte, habe ich ihn als sehr offenen und sensiblen Menschen wahrgenommen. Vielleicht wäre es treffend, zu sagen, dass er ausgesprochen gut dazu in der Lage war, mit Widersprüchen umzugehen.

In Frankfurt hat man ihn an allen möglichen und unmöglichen Orten antreffen können: Im versteckten Hinterraum eines Kiosk mit den dort schon seit dem Vormittag stehenden Alkoholikern, am YokYok, gemischt unter eine Gruppe sich selbst feiernder Hipster, umgeben von Frankfurter Ultras im Moseleck, in einem der besetzten Häuser oder im Studierendenhaus Café KoZ. Wenn man ihn antraf, war er meist in hitzige Diskussionen verwickelt.

Der Flyer für die „Abschiedsfeier für Achim” im Kunstverein Familie Montez in Frankfurt am Main

An der Musik hat ihn das Sonic Thinking (ein Buch von Bernd Herzogenrath, d.Red.) besonders interessiert. Das Denken in und durch den Sound, nicht über den Sound, welches andere Zugänge und Möglichkeiten bietet.

Nur durch Achim kam ich dazu, Computermusik am IEM in Graz zu studieren. Vermutlich hätte ich mich ohne seinen Support und Zuspruch nie dort beworben, denn ich hatte nie viel Gefühl oder Interesse für Melodie und Harmonik. Insofern schien eine Musikhochschule absolut ungeeignet für mich. Aber wenn man gegen eine Wand stößt, dann haut man eben den Kopf so lange dagegen, bis sich neue Wege auftun.

Zum einen war Achim absolut unversöhnlich gegenüber einer Welt, die nichts anderes als ihr Ende verdient hat. Das ist eine Qualität, die mir durch seine Abwesenheit nur allzu schmerzlich fehlt, die diese ohnehin schon einsame Welt noch ein wenig einsamer werden lässt. Was von ihm bleibt, ist eine kleine negierende Kraft, trotz und wegen aller Ausweglosigkeit auf die Möglichkeit eines Außen zu beharren.

Zum anderen war er für mich ganz persönlich – und dieser Begriff hätte ihm womöglich nur begrenzt gefallen – in gewisser Weise ein zusätzliches Elternteil, eine Art queere Familie. So war er ein wichtiger Diskussionspartner und unerlässlicher Kritiker, unterstützte mich sehr in meiner musikalischen Arbeit, war aber eben auch emotionaler Support in Zeiten, in denen es mir nicht besonders gut ging.

Palais Sinclaire (Autor:in)

Palais Sinclair (Foto: Palais Sinclair)

Ich habe Lain Iwakura 2019 kennengelernt und wir wurden Freunde. Durch sie habe ich Achim kennengelernt. Ich kannte Mille Plateaux und Force Inc. vom Stöbern in der Geschichte und den Plattenarchiven, aber erst als ich mich mit Achim und Lain anfreundete, verbrachte ich viel Zeit damit, Mille Plateaux zu hören, Interviews zu lesen, in NON zu stöbern und Mille Plateaux-Tracks in meinen Sets bei Gigs und im Radio zu spielen. 

Auf persönlicher Ebene war er sehr freundlich, sehr unterstützend und zeigte viel Feingefühl. Ich verstand, dass er sich über die richtigen Dinge ärgerte. Vor allem fielen mir seine Bereitschaft und Fähigkeit auf, den Leuten etwas über das beizubringen, was ihn interessierte. Auf jede Frage, die man hatte, bekam man eine Antwort mit Referenzen. Er gehörte zu der Art von Denkern, die scheinbar alles gelesen hatten. In diesem Sinne war er ein Mentor. Manchmal fühlte sich das Chatten mit ihm auf Telegram so an, als sei er eine KI, so schnell wie er war.

Die „Abschiedsfeier für Achim” im Kunstverein Familie Montez in Frankfurt am Main am 26.Oktober (Foto: Thomas-René Gerlach)

Irgendwann kam es dazu, dass wir zwei Bücher über Baudrillard herausgaben, die er zu schreiben beginnen wollte. Ich scherzte darüber, dass ich einen Teil meines gesunden Verstandes in diesem Buch gelassen habe, aber ehrlich gesagt ist Gegenteiliges passiert. Ich bin aus diesem Buch mit einem besseren Realitätssinn herausgekommen, als wäre ich wirklich nüchtern geworden.

Ich habe von ihm gelernt, dass man Musik auch dann noch lieben kann, wenn man von ihr desillusioniert ist. Man kann der Meinung sein, dass Techno ein Kontrollsystem ist oder dass Popmusik eine faschistische Kraft hat, und sie trotzdem genießen. Musik wird immer aus der Hegemonie ausbrechen. Selbst wenn man denkt, dass alle musikalischen Formen vom Kapital vereinnahmt worden sind, wird es immer eine Form von Musik geben, die das negiert. Musikalische Formen werden sehr schnell von hegemonialen Systemen zurückerobert, aber Musik kann nie in ihrer Gesamtheit vereinnahmt werden. Er hat auch nie den Verlust von Techno beklagt, denn das, was Techno so besonders gemacht hat, lebt weiter, in anderen neuen Formen, anderswo.

Ich habe ihn in den ersten 60 Jahren seines Lebens nicht gekannt, und soweit ich weiß, war es ein ziemlich langes Leben. Ich wusste genau, wie wichtig Achim für mich war: ein Lehrer, ein Kamerad, eine Bibliothek.

Jan Heintz (Autor)

Es mag einfältig klingen, an dieser Stelle den Begriff des „Plateaus” der beiden französischen Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari zu bemühen, wo dieser doch nach einer Korrespondenz mit Gilles auch den Namensgeber des von Achim gegründeten Labels darstellte. Gleichzeitig hilft er aber, meinen nichtlinearen Zugang zu ihm zu beschreiben, der nie total „aufgegangen”, vielmehr weitverzweigt, von allen Seiten zugänglich, gleichzeitig auch das Gegenteil davon, im besten Sinne sperrig, opak, das heißt ultraschwarz war und sein wird.

Mille Plateaux hatte bis auf ein kurzes Interregnum nie aufgehört zu existieren. Achim war über seinen immensen Output bei der Plattform NON, seine heterodox marxistischen Bücher zu Riot, Surplus-Proletariat, Staatsfaschisierung und Finance, aber auch seine originären Lesarten poststrukturalistischer Theorie – zum Beispiel Deleuze, Laruelle oder zuletzt Baudrillard – ein wichtiger Bezugspunkt für mich als jemand, der eher von der Theorie kam.

Achim war damals ein maßgeblicher Einfluss auf mich, Übersetzungen dezidiert politischer Texte – wobei ich auch sein Übersetzer war –, aber auch mein eigenes Schreiben anzutreiben. Wir waren nicht nur projekt- oder arbeitsmäßig, sondern auch freundschaftlich eng miteinander verbunden und im ständigen Austausch.

„Abschiedsfeier für Achim” im Kunstverein Familie Montez in Frankfurt am Main am 26. Oktober (Foto: Thomas-René Gerlach)

Achim hatte für mich durchaus enigmatische Qualitäten und eine unglaublich produktive, mit den Verhältnissen auf Kriegsfuß stehende, anarchische Kraft, die über das reine Spezialistentum in einem Fach oder einförmiges Können hinausgeht. Dabei trieb er aber auch seine Fähigkeiten und Horizonte auf die Spitze und zur Meisterschaft. Ein durch und durch Marx’scher Charakter! Oft wurde gerade dieser Zug, seine oft beißend-intensive, aber nie unangebrachte Kritik in seinen Textbeiträgen oder seinem spezifischen Duktus des Social-Media-Engagements als snobbishe Unantastbarkeit missinterpretiert. Achim war jemand, der, ganz im Gegenteil, wegen seiner äußersten Sensibilität und Feinfühligkeit mit seiner Kritik ins Schwarze treffen konnte, weil diese Dinge ihm das Äußerste bedeuteten. Abgehobenheit ist etwas komplett anderes.

Ich habe von ihm die Praxis der Unversöhnlichkeit gelernt, der Kritik und der radikalen Weigerung, die Spielregeln der gewohnten, einer auf ihre Vernichtung hinauslaufenden Welt zu akzeptieren. Sich dieser mal peitschenden, mal stummen Konformität zu widersetzen, das heißt zum Maschinenfutter der Kriegsmaschinen des Kapitals gemacht zu werden, mit all den Widersprüchen, die das mit sich bringt. Das bedeutet, den Anspruch des Ultraschwarzen zu verteidigen.

Achim geht nicht spurlos an einem vorbei. Mir werden der über Jahre erfolgte Austausch, die mitunter heiß geführten Auseinandersetzungen mit ihm zu allem Möglichen, die Treffen und das um die Häuser Ziehen in Frankfurt mit Genossen fehlen. Es bleibt ein Kosmos an Erinnerungen zurück, aber ein Bild ist mir besonders teuer: Wie wir uns nachts in Achims Wohnzimmer voller Bücher und unzähliger Banger-Schallplatten getroffen haben, Achim von RAF und Widerstand erzählt, ich rauchend auf der Fensterbank im offenen Fenster sitze, und sich unser Gelächter mit der Dunkelheit vereint.

Achim Szepanski 1992 auf der Terrasse der Familie Gerlach (Foto: Archiv Thomas-René Gerlach)

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