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Bashkka: „Sobald ich das Haus verlasse, bin ich Aktivistin”

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München und New York, das klingt erst mal nach einem Gegensatz. In beiden Städten hat die DJ und Produzentin Bashkka, zu Deutsch: „anders”, lange gelebt, beide Orte haben sie geprägt. Dabei herausgekommen ist eine der spannendsten Künstlerinnen, die das Nachtleben derzeit zu bieten hat.

Und wer sich in den vergangenen Monaten in selbigem rumgetrieben hat, wurde höchstwahrscheinlich Zeug:in eines ihrer Sets: Bashkka spielt oft, auf Festivals wie in Clubs, und so abwechslungsreich, dass kaum ein Gig dem anderen ähnelt, doch immer intensiv, tanz- und nahbar.

Höchste Zeit also, die Künstlerin im Rahmen eines Porträts vorzustellen: Livia Lergenmüller hat sich mit Bashkka über ihren Durchbruch, ihre Berührungspunkte mit der New Yorker Ballroom-Kultur und die gelebte Repräsentation ihrer Community unterhalten.

Kommt Bashkka an einem Dienstagabend in das Münchner Restaurant Blitz, kommt sie vor allem erst einmal aus dem Begrüßen nicht raus. Beschwingten Schrittes läuft sie erst durch den Garten, dann durch die Innenräume, alle freuen sich, alle umarmen sich. Das Restaurant liegt im Gebäudekomplex des Deutschen Museums, direkt neben dem gleichnamigen Club.

Auf dem Kopf trägt Bashkka eine grüne Cap, dazu eine große, dunkle Sonnenbrille, eifrig kaut sie ein Kaugummi. Ein wenig unter Strom sei sie: „Ich arbeite gerade gefühlt an zehn Projekten gleichzeitig.” Tatsächlich ist ordentlich etwas los: Ein Re-Release ihrer 2023 erschienenen EP Maktub, Platz eins in den GROOVE Top 30 aus dem Frühling, mit Remixen auf Vinyl ist geplant, Tracks für Compilations stehen an, nächste Woche ein großes Fotoshooting, dazu das Tourleben. Spätestens seit 2021, als sie zum ersten Mal im Kiewer Club K41 spielte, kommt Bashkka aus dem Auflegen nicht mehr heraus.

Foto: EMC AG

Aufgewachsen ist sie als Başka im Münchner Norden, als Kind türkischer Immigrant:innen. Musik war bei ihr zu Hause stets ein großes Thema: Bashkkas Vater war leidenschaftlicher Plattensammler: arabische, türkische Musik, Sounds aus allen Teilen der Welt liefen im Wohnzimmer. Nur elektronische Musik, die habe es in ihrem Umfeld eher nicht gegeben. „Die Liebe zu House und Techno war zwar schon immer präsent”, erzählt sie. „Während meiner Teenagerzeit bin ich aber größtenteils mit R’n’B und Hip-Hop aufgewachsen.” Mit Anfang 20 wurde ihr der Münchner Horizont zu klein, stattdessen zog es sie in die weite Welt. Elf Jahre lang lebte Bashkka in New York, von 2006 bis 2017. „Das war eine sehr einflussreiche Zeit für mich”, erinnert sie sich. „Sowohl persönlich als auch musikalisch habe ich mich dort finden und entwickeln können.”

Eigentlich kam sie zum Studieren in die USA, Musiklehre sollte es werden. Doch die Gebühren wurden nach einem Semester zu teuer. Stattdessen jobbte Bashkka fortan in der Gastronomie und im Nachtleben und war in der Ballroom-Szene aktiv. Auch, wenn sie kein aktives Mitglied eines Houses war (die Einheit, in der die Szene organisiert ist), sei sie gut eingebunden gewesen, erzählt sie. Den Ballroom beschreibt sie als besonders prägenden Raum. „Die Community, vor allem die trans POC Frauen dort, haben mich inspiriert, die Person zu sein, die ich heute bin”, erzählt sie, nun mit nachdenklicher Stimme. Gerade in Bezug auf ihre eigene Queerness, ihre trans Identität, habe die Szene ihr dabei geholfen, „unapologetically ich selbst zu sein.”

„München hat sich erst mal angefühlt wie das Ende der Welt.”

Bashkka

2017 ging es für Bashkka dennoch zurück nach Europa, in ihre Heimatstadt München. „Das hat sich natürlich erst mal angefühlt wie das Ende der Welt”, erinnert sie sich. „Schließlich bin ich eigentlich mal von hier geflüchtet.” Dann wurde es aber doch ganz gut. „Ich glaube daran, dass alles aus einem Grund passiert”, erzählt sie lächelnd. Und tatsächlich war München, zumindest mit Blick auf ihre DJ-Karriere, ein Wendepunkt: Zurück in der bayerischen Hauptstadt schloss sich Bashkka dem queeren Kollektiv Lovers an, mit dem sie ihre ersten Schritte als professionelle DJ machte. Dann ging alles ganz schnell: Das Blitz begann, sie zu buchen, schon bald darauf folgte die dortige Residency. Seitdem spielt Bashkka ungefähr überall: Paris, London, Barcelona, Berlin und Ibiza stehen allein im Juli an.

Seit letztem Jahr darf sich Bashkka zudem Produzentin nennen. Als die Künstler:in und Bashkkas gute Freundin Nene H ihr Label Umay gründete, bot sie ihr ihre erste Veröffentlichung an. „Ehrenhafterweise”, wie Bashkka sagt. Ihr Musikstil? „Facettenreich, ehrlich, fun”, meint sie. Die Ballroom-Szene, die New Yorker House- und Techno-Szene sieht sie als wichtige Einflüsse. Ihre Musik soll eine Reise durch die „past, present and future” der Dancemusik sein. Besonders wichtig ist ihr, stets auch die Geschichte der Musik näherzubringen, den Ursprung in der queeren POC-Community aufzuzeigen und „zu ehren”.

Repräsentanz und Hingabe

Als wichtige Erfahrung beschreibt Bashkka, dass sie Honey Dijon auflegen sah, 2009 in einem New Yorker Club. „Es war das erste Mal, dass ich jemanden am DJ-Pult gesehen habe, die meine Community repräsentierte.” In allererster Linie gehe es beim Auflegen aber darum, was man tut, wirklich zu lieben, findet sie. „Egal, wie stressig das Tourleben ist, egal, ob du mal Gigs hast, die weniger magisch sind, du musst mit Hingabe bei der Sache sein.”

Braucht zwischendurch den Off-Button: Bashkka (Foto: EMC AG)

Deshalb ruht sie sich unter der Woche in erster Linie aus, erledigt all die Dinge, die sonst so anfallen. Von Montag bis Freitag wird sich „um den Rest des Lebens gekümmert”, erklärt sie. Meist verbringt sie ihre Zeit zu Hause oder in der Natur. Und das ist wichtig: „Man ist so extrem viel unterwegs, trifft unglaublich viele Leute – tolle und nicht so tolle –, ist ständig umgeben von Menschen und Extremsituationen”, erklärt sie. „Da brauche ich zwischendurch den Off-Button.”

„Allein schon durch meine Person bin ich Politik auf zwei Beinen.”

Bashkka

Der muss hin und wieder betätigt werden, um die Stärke und den Stolz nach außen zu tragen, der sie im Alltag kennzeichnet. „Sobald ich das Haus verlasse und auf die Straße gehe, bin ich Aktivistin”, erklärt sie. „Allein schon durch meine Person bin ich Politik auf zwei Beinen.” Aber auch musikalisch drückt sie ihre politische Haltung aus. „Dance Music war immer auch aktivistisch, die Szene drumherum immer ein wichtiger Schutzraum”, sagt sie. Es ist vor allem das community building, das Kreieren einer Gemeinschaft, das Bashkka antreibt. In einer besseren Welt, „everybody would mind their fucking business”, findet sie. „Leben und leben lassen, diese Welt ist groß genug für uns alle, es gibt nur eine Erde, und wir müssen alle irgendwie miteinander klarkommen und koexistieren. Das müssen die ganzen Hater begreifen.”

Bashkka trägt Schwarz und schnelle Brille. (Foto: EMC AG)

Akzeptanz ist ihre Botschaft, ihr wichtigstes Anliegen, das sie auch ins Nachtleben trägt. Auch in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist Bashkka aktiv. Schließlich hat sie ihre ersten großen Erfolge in Kiew gefeiert. Entdeckt wurde sie damals von der Bookerin des K41, Tanya Voytko, auf Soundcloud. „Das hat mich damals sehr happy gemacht, denn es gibt wenig Menschen, die noch wirklich nach Talenten diggen und nicht einfach ihre DJ-Freunde anfragen”, erzählt Bashkka. „Das K41 hat mich schon unterstützt, bevor ich in Deutschland bekannt war.” Daher sei es auch nicht verhandelbar, in dieser Szene aktiv zu sein. „Als jemand, der im Nachtleben ist, sollte man sich bewusst machen, dass es tägliche Anstrengung braucht, sich diese Räume zu bewahren und sie vor der Gentrifizierung zu beschützen.”

Die Nacht als Refugium

Ab und zu geht Bashkka auch noch privat feiern, das versucht sie sich zu bewahren. „Im Nachtleben wurde ich schon immer so wahrgenommen, respektiert und wertgeschätzt, wie ich bin”, sagt sie. Natürlich geht sie weniger aus als vor ihrem DJ-Dasein. Aber vor allem ihre Peers versucht sie zu unterstützen. Zuletzt hat sie die Hamam Nights im Augsburger City Club besucht, die Partyreihe ihrer guten Freundin und DJ Sedef Adasï. Der beste Club aller Zeiten? Das Londoner FOLD, besonders die sonntägliche Partyreihe „UnFold”. Aber auch die „Cruise” im Blitz liebt Bashkka sehr, sie sei „eine der besten Partys der queeren Clubkultur.”

Foto: EMC AG

Wie gut, dass Bashkka diese Kultur bereichert – künftig sogar noch mehr. Münchner:innen dürfen sich freuen: Ab Oktober kuratiert Bashkka eine eigene Nacht im Blitz. Zudem steht ein Album an, außerdem Kollaborationen mit anderen queeren Kollektiven. „Es sieht nach einem aufregenden nächsten Jahr aus”, lächelt sie. An diesem Abend geht es erst mal raus aus dem Industriegebäude, zurück nach Hause. Die Sonne senkt sich schon leicht über München, als Bashkka wieder eiligen Schrittes den Garten durchquert. Sie muss sich weiter ausruhen. Denn morgen geht es schon nach Berlin.

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