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30 Jahre Compost: Interview mit Michael Reinboth, Ticketverlosung!

Compost aus München ist eines der erfolgreichsten deutschen House-Labels. In den Neunzigern hat man sich mit Releases etwa von Rainer Trüby, Beanfield, Fauna Flash, Funkstörung oder Move D einen Namen gemacht. In der Folgezeit entstand mit Angora Steel, Compose, Compost Black Label, Compost Disco, Compute, Derwin, Drumpoet Community, Freshly Composted, Fueled For The Future, I Like It und Rumpelmusig ein weitverzweigtes Netzwerk aus Sublabels, das bis heute sechs Mitarbeiter:innen trägt.

Wir wollten von Macher Michael Reinboth unter anderem wissen, wie es ihm gelungen ist, eine Struktur aufzubauen, die im flüchtigen Musikgeschäft Jahrzehnte überdauert.

Am 7. Juli feiert ihr 30 Jahre Compost Records im Heideglühen in Berlin. Was erwartet uns?

Eine Reise durch die Welt des House auf zwei Floors in allen Facetten: Von deep, jazzy, electro, afro, spiritual, tropical, disco, future jazz, soulful bis techy. Darunter Raritäten, Promos, Unveröffentlichtes und Neues. Auch natürlich Vinyl-only-Sets, zum Beispiel von Mr Raoul K. Wer Compost ein bisschen näher kennt, weiß, was er von uns an Vibe und Variety erwarten kann. Ich hoffe, dass das Publikum entsprechend smart, nett und bunt ist. Schließlich waren wir als Label länger nicht in Berlin.

1993 hast Du Compost Records gegründet. Wie kam es dazu?

Ich habe 1980 angefangen aufzulegen. In den achtziger und neunziger Jahren habe ich als Musikjournalist, unter anderem auch 13 Jahre bei der GROOVE, DJ und Clubmacher Erfahrung gesammelt, da war es konsequent, ein Label zu gründen. Die Initialzündung war meine wöchentliche Clubnacht Into Somethin’ in München, die ich über zwölf Jahre jeden Freitag veranstaltete. Dort habe ich den damals aufkeimenden Future Jazz aufgelegt. Es gab weltweit vielleicht zwei, drei Labels, die diese neuartige elektronische Musik veröffentlichten. Aber keins in Deutschland.

Was zeichnet das Label aus? 

In den 30 Jahren hat sich sicher einiges geändert. Aber die Grundelemente sind immer gleich geblieben: elektronische, meist programmierte Musik mit seelenvollen Bestandteilen. Ob das ein Sample ist oder gespielte Instrumente, World-Music-Elemente, Jazz- und Soul- Einflüsse sind – das zieht sich wie ein roter Faden durch. Dabei ist das Tempo egal, ob Downbeat, House oder Broken Beat, Drum’n’Bass. Uns wurde immer bescheinigt, dass wir eines der musikalischsten Electronik-Labels in Mitteleuropa sind. Wir veröffentlichen elektronische Produktionen für Musiker und Gleichgesinnte anstatt für DJs, sage ich gerne augenzwinkernd. Deshalb gab es bei uns auch nie DJ-Tools, Minimal Techno oder billige oder schnell zusammengeschusterte Sample-Disco. Compost steht für: aus Alt mach Neu, was auch bedeutet: Hol’ dir Inspiration bei alter, guter Musik, verinnerliche sie und mach’ daraus was Neues.

Michael Reinboth als DJ (Foto:Presse)

Was waren für dich Höhepunkte in der Labelgeschichte?

Sicherlich die Future-Sounds-Of-Jazz-Touren und die Festival-Gigs mit Beanfield, Fauna Flash, Rainer Trüby, Jazzanova und Koop in den Neunzigern. Dann natürlich die Compilation-Reihen Glücklich, Future Sounds Of Jazz oder Elaste. Charterfolge hatten wir zwar ein paar wenige, die sind uns aber überhaupt nicht wichtig. Uns geht es um Kontinuität und Akzeptanz bei den Fans und um das Interesse von großen DJs und Produzenten, die uns auf dem Schirm haben.

Gab es auch Schwierigkeiten?

Das Ärgste war der Konkurs unseres Vertriebes 2002. Wir haben unglaublich viel Geld verloren, so viel, dass es ein absolutes Wunder ist, dass wir das überlebt haben. Es hat Jahre gedauert, viele Labels sind geschlossen worden. Wir haben aber bis heute viele Künstler, die von Anfang an dabei sind und das mit uns durchgestanden haben. Wenn man mal überlegt, dass Hunderte von Labels schon in den frühen Nullerjahren die Segel gestrichen haben, Mo Wax etwa, Talking Loud, Nuphonic, Wall Of Sound, Pork, Guidance, Yellow Prod. und Dutzende mehr.

Das Label besteht nun seit 30 Jahren, ist stets unabhängig und zählt etliche Sublabels. Warum habt ihr immer so viele verschiedene Sachen parallel gemacht?

Auf der musikalischen Seite zählen die Vielfalt und die Qualität der Veröffentlichungen, auf der strategischen Seite die Rubrizierung in engerer stilistischer Ausrichtung der Sublabels wie Compost Black Label für House, Compost Disco für Discoides, oder Beat Art Department für Hip-Hop-Orientiertes. Dazu kamen auch die Label-Kooperationen Drumpoet Community, Jazzanova-Compost-Records (JCR) und Rumpelmusig mit Kalabrese, die uns wirtschaftliche Erfolge lieferten und helfen konnten, den Stamm von Mitarbeitern zu halten. In den Heydays bis ungefähr 2002 waren wir 16 Leute, heute sind wir sechs im Büro. Thomas Herb und Tommy Bürkle sind seit 20 Jahren dabei. Letzteres ist sicher auch ein Grund, warum wir heute gut dastehen. Dabei veröffentlichen wir nur, was uns gefällt, was wir selber auflegen würden. Und wenn es Vinyl geben muss, machen wir das, auch wenn das oft nicht die Kosten einspielt.

Wie würdest du das Erfolgsrezept von Compost beschreiben?

Was Compost über die 30 Jahre auszeichnet, ist, dass wir Trends immer an vorderster Front mitgestaltet haben. Bei unseren Künstlern war uns immer wichtig, dass sie in alle Richtungen offen sind. So kam 1994 mit Fauna Flash, von allen UK-Größen akzeptiert und gespielt, einer der besten deutschen Drum’n’Bass-Acts hoch. Wenig später hat Rainer Trüby mit anderen Compost-Acts maßgeblich den Latin-House-Boom mit losgetreten. Compost hat den Genrebegriff Future Jazz erfunden, später haben wir die Bewegungen Neo Disco, Achtziger-Revival, Folky, Tropical und Balearic House früh aufgegriffen. Auch hatten wir etwa mit Funkstörung frickeligen, broken Electro im Repertoire, der Björk begeisterte. Im House-Bereich hatten wir Solomun, bevor er ganz groß rauskam, Dixon-Remixe, bevor dieser durchstartete, Frank Wiedemann von Âme, Konstantin Sibold, für die ein Compost-Release ein guter Sprung in ihrer Karriere war.

Außerdem habt ihr schon immer viele Remixe in Auftrag gegeben.

Im Katalog haben wir locker 350 Remixe, davon 90 von großen Namen. Warum? Weil wir gute, interessante Musik zum Remixen haben. Von 100 großen Namen gibt es vielleicht noch zehn, die wir schätzen, bei denen es bisher nicht geklappt hat. Die kommen aber noch.

Compost wird besonders für seine Stilvielfalt respektiert und bringt immer wieder bislang unbekannte Künstler raus. Was ist der Leitgedanke bei eurem Künstler-Roster?

Diese Vielschichtigkeit ist ein Resultat meiner Geschichte und meiner Offenheit. Ich lasse mich nicht auf einen Sound festlegen. Ich bin immer ein Freestyle-DJ und A&R geblieben. Deshalb hatte ich nie den durchschlagenden Erfolg als DJ, der die ganze Nacht nur House oder Nu Jazz spielt. Was als DJ hinderlich ist, ist für ein Label förderlich und Überlebensstrategie.

Wie sieht die dann konkret aus?

Unsere Künstler wissen, dass sie bei einem Major oder einem kommerziell ausgerichteten Label untergehen würden. Wir haben schon auch bekannte Künstler gesignet, dann aber mit ihren Nebenprojekten, die musikalisch spezieller, freier, waghalsiger waren und für ein großes Label schlicht zu unkommerziell. Dabei ist alles, was wir machen, im Front- wie im Backend oder in Sachen Promo für die Künstler transparent.

Was ist deine persönliche Rolle dabei als DJ? 

Ich habe mich als Artist (Beanfield, d.Red.) und DJ nie in den Vordergrund gedrängelt – im Gegensatz zu vielen Labels, deren Eigentümer die Stars sind, wie Gigolo, Mo Wax und viele mehr. Wenn wir ein, zwei sehr erfolgreiche Acts gehabt hätten, hätten wir definitiv viel weniger frisches Blut unter Vertrag nehmen können. Wir hätten ganz am Anfang mal Nelly Furtado signen können, aber das hätte volle Konzentration auf einen Künstler nebst Welttournee bedeutet. Da war mir meine damals noch kleine Compost-Familie viel wichtiger.

Wie finanziert man sich als Label in Zeiten magererer Streamingerlöse? 

Der große Katalog, die Treue vieler Artists, Kredibilität, eine funktionierendes Backend, gute Promotion auch im Bereich Sync/TV/Film, ein kleines, aber feines Team, Erfahrung, und kein kaufmännisches Anliegen auf Gewinnmaximierung – dann geht das schon. Und da wir im Streaming-Bereich auch echt gute Tracks im Katalog haben, die immer wieder aufs Neue von einer jüngeren Generation entdeckt werden, sind die Streaming-Umsätze schon okay und wichtig, um den Laden am Laufen zu halten.

Ihr habt viele Acts groß gemacht, die später eigene Wege gegangen sind. Wie geht ihr mit dieser Problematik um?

Viele Acts sind lange bei uns, und wenn sie nicht mehr dabei sind, ist oft die Auswertungszeit in den Bandübernahmeverträgen ausgelaufen. Wenn ein Act weg wollte, war das selten bis nie ein Problem, und die, die früh ausgeschert sind, sind auch nicht woanders erfolgreich geworden. Es gibt einige Künstler, die heute mit anderen Projekten, mit Musik, die nicht zu uns passt, oder auch im Werbebereich sehr erfolgreich sind. Denen weine ich nicht nach. Es ist nicht unsere Art, Künstler zu verhaften. 

Welche neuen Releases stehen an?

Wie immer eine Menge: Ein neues Album von Mr Raoul K, der auch auf unserer Party im Heideglühen spielt. Nach 20 Jahren wieder eine Glücklich-Compilation von Rainer Trüby, die sechste – Glücklich VI. Ein neues Album von Automat und das fünfte Album – in 5 Jahren! – von Web Web mit Max Herre. Und zwei neue Maxis von Kalabrese. Und wir haben Africaine 808, künftig A08, für ein Album gesignet. Dann kommt im September eine ganz tolle, wunderbare neue Compilation-Serie raus: Future Sounds Of Kraut, kompiliert von unserem Act Fred und Luna. Die birgt moderne, neue, krautige elektronische Musik im Stile von Kraftwerk, CAN, Rother et cetera, aber mit Tracks von jungen Künstlern. Oder wenn älter, wie bei Pyrolator, mit exklusiven neuen Songs. Seit Jahren haben wir jeden Freitag einen Release. Aktuell ist das bis Ende des Jahres durchgetaktet.

Wie sehen die nächsten 30 Jahre aus? 

Wenn’s gesundheitlich passt, dann nochmal 30 Jahre. Wenn nicht, sorge ich dafür, dass meine Mitarbeiter alleine weitermachen. Die machen das so gut, dass mir da nicht bange wird.

Lust auf die Party im Heideglühen? Wir verlosen 2×2 Tickets! Schickt uns dafür bis 3. Juli euren Vor- und Nachnamen und den Vor- und Nachnamen eurer Begleitung an gewinnen@groove.de. Betreff: COMPOST30.

30 Jahre Compost: Jubiläumsparty im Heideglühen

GROOVE präsentiert: 30 Jahre Compost

7. Juli 2023, 19 Uhr

Tickets: Abendkasse, 20€

Line-up: Eva Be, Laolu, Michael Reinboth, Mr Raoul K, Shahrokh Dini, Thomas Herb, Victor Simonelli

Heideglühen
Seestraße 1
13353 Berlin

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