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Rakete-Macher Tom Zitzmann: „Ich weiß bis heute nicht, warum die eigentlich da waren”

In den Morgenstunden des 14. Mai fand eine Razzia im Techno-Club Rakete in Nürnberg statt. Augenzeug:innen und Betroffene beschreiben das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig und teilweise brutal. Polizeisprecher Markus Feder verteidigt das Vorgehen der Polizei und rechtfertigt den Großeinsatz mit dem Ergebnis von 40 Strafverfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz.

Nähere Infos zu den festgestellten Delikten und Mengen der beschlagnahmten Drogen sind noch nicht öffentlich. Razzien wie diese ziehen Diskussionen nach sich, die die Verhältnismäßigkeit und Härte solcher Polizeieinsätze hinterfragen. Vor allem Clubs aus der elektronischen Musikszene geraten dem Anschein nach vermehrt ins Visier der Behörden, wie Beispiele in Berlin oder zuletzt in Jerewan zeigen.

Wir haben mit Rakete-Geschäftsführer Tom Zitzmann gesprochen, um zu erfahren, welche Vorgeschichte der Einsatz hat, wie der Club selbst, aber auch Unterstützer:innen mit ihm umgehen und welche Folgen das nun für die Rakete hat.

GROOVE: Am 14. Mai verschaffte sich die Polizei gegen 4:45 Zugang zu eurem Club. Kannst du den Vorgang beschreiben? Warst du vor Ort?

Nein, ich war nicht dabei. Aber als ich dann um halb neun „Razzia, Razzia” auf dem Handy gelesen habe, bin ich sofort zur Rakete gefahren und habe es mir erzählen lassen. Die waren alle noch käseblass. Letztendlich sind 100 Polizisten von zwei Seiten in die Rakete gestürmt. Das komplette USK [Unterstützungskommando – Spezialeinheit der bayerischen Polizei, Anmerkung d.Red.], wie beim Terroranschlag.

Inwiefern ist das Verhalten der Polizei unprofessionell gewesen?

Ich weiß bis heute nicht, warum die eigentlich da waren. Der Beschluss ist relativ nichtssagend. Wir sind auch dagegen vorgegangen, ich habe Beschwerde eingelegt. Ich weiß nicht, ob es der typische Weg ist, bei Verdacht gleich mit einer Hundertschaft anzureisen und erst mal alles kaputt zu machen. Klar, wenn sie eine Razzia machen müssen, müssen sie die machen. Aber muss das so laufen? Ich wage zu bezweifeln, dass die Beamten Türen aufbrechen müssen, die kein Schloss haben.

Eine Beschädigte Tür in einem Lagerraum (Foto: Rakete)

Du hast Beschwerde eingelegt. Wie sieht die aus?

Das muss ich schon machen, um den Sachschaden bezahlt zu bekommen. Ich sehe nicht ein, dass ich auf 8.000 Euro sitzen bleibe, obwohl ich nichts dafür kann. Deshalb habe ich zusammen mit meinem Anwalt Einspruch eingelegt. 

Welche Fortschritte gibt es da? 

Wir haben Akteneinsicht beantragt. Diese wurde uns aber leider nicht gewährt. Mehr wissen wir eigentlich noch nicht wirklich.

Wie waren die Reaktionen auf euren Zeugenaufruf?

Viele, sehr viele haben sich gemeldet. Wir haben von allen Seiten gutes Feedback bekommen. Alle finden das überzogen. Die Ultras des 1. FC Nürnberg [Banda di Amici, d.Red.] haben sogar ein Banner aufgehängt. Das ist sehr geil. Die Mehrheit ist auf unserer Seite.

Banner der Ultragruppe des 1. FC Nürnberg, Banda di Amici (Foto: Facebook @Supporters Club 1. FC Nürnberg)

Und wie sieht die Unterstützung aus der Politik aus?

Die Kulturliga hat einen guten Job gemacht. Sie hat sich auch an die Politik gewandt. Daraufhin haben die Grünen eine Akteneinsicht beim Bürgermeister beantragt. Das waren bisher allerdings die Einzigen.

Seid ihr damit zufrieden oder fühlt ihr euch im Stich gelassen?

Eigentlich hätte ich erwartet, dass auch andere Parteien mitgehen. Aber anscheinend ist es für die meisten okay. Da sollte man sich vielleicht mal bei der Wahl überlegen, etwas zu machen. Mein Verständnis von Recht ist ein anderes. Es kann nicht rechtens sein, dass die in einen Laden gehen, ohne handfeste Beweise zu haben, und dann so einen Schaden anrichten.

Wie sieht denn der Kontakt mit der Stadt und Polizei aus?

Es gab ja ein Vorspiel. In Bayern gibt es eine Sperrzeit. Normalerweise durften wir aber von Samstag auf Sonntag mit einer Ausnahmegenehmigung durchgehend bis 10 Uhr aufhaben. Feiertage müssen wir separat beantragen. Das habe ich im Januar gemacht, wie immer. Eine Woche vor dem ersten Event am Ostersonntag hatte ich aber noch immer keinen Bescheid. Dann habe ich mich nochmal ans Ordnungsamt gewandt, und die haben gesagt: „Nach Rücksprache mit Polizei und Vorgesetzten gibt es für alle Feiertage keine Sperrzeitverkürzung.”

Und diese Nachricht kam wann?

Am Mittwoch vor dem Gründonnerstag. Da haben die Nürnberger Nachrichten über das Tanzverbot berichtet. Die haben eine Umfrage zu dem Thema gemacht und hatten sich deshalb auch bei mir gemeldet. Das Tanzverbot war mir zu dem Zeitpunkt aber nicht wichtig, es ging um die Sperrzeit. Daraufhin hatte die Zeitung dazu einen Fragenkatalog an das Ordnungsamt geschickt. Erst dann ist das Ordnungsamt auf meinen Wunsch nach einem Gespräch eingegangen. Wobei ich ja auch ein Gespräch mit der Polizei verlangt hatte, um die Sache mit der Sperrzeit zu klären. 

Das Ordnungsamt scheint dem Club gegenüber eher negativ eingestellt zu sein. 

Letztendlich machen wir ja alles, was die Behörden sagen. Wir durchsuchen die Leute, wir lassen uns von jedem den Personalausweis zeigen, wir haben ein Wiedereinlassverbot. Als einziger Club in der Stadt, weil wir elektronische Musik spielen. Das ist immer böse. Das ist leider seit 30 Jahren so.

Das beschädigte Eingangstor (Fotos: Rakete)

Hat sich durch die schlechte Kommunikation irgendwas in der Zusammenarbeit geändert?

Ich hatte Polizei und Ordnungsamt um einen Termin gebeten. Wir wollen schließlich vermeiden, dass wir nicht mehr durchgängig öffnen können oder sie ständig kontrollieren. Die nächste Aktion war dann die Razzia. Wenn das der gemeinsame Termin war, dann gute Nacht! Die haben nur gesagt, dass das mit dem Termin dauern kann. Ich habe bis heute keine Rückmeldung. Ein Dialog ist leider nicht wirklich vorhanden. Anscheinend haben die keinen Bock.

Die Razzia war nun der Höhepunkt. Schon seit Monaten gibt es auch vor dem Club vermehrt Kontrollen. Wie hat sich das Feiern dadurch verändert?

Es kommen weniger Leute. Wer hat da schon Bock drauf? Teilweise lässt die Polizei die Leute sich auf der Straße ausziehen und kontrolliert sie. Wenn die das in Berlin machen, fallen alle in Ohnmacht. Das finde ich nicht okay.

Wie geht es deinen Mitarbeiter:innen damit?

Auch die werden laufend kontrolliert. Am ersten Juniwochenende das erste Mal seit Längerem nicht. Vielleicht bessern sich die Dinge, ich weiß es nicht. Aber würde man einen Dialog suchen, wie es sich normalerweise gehört, hätten wir das alles vermeiden können. Es ist ja nicht so, dass wir hier eine Amphetaminküche oder ein Drogenlager hätten – im Gegenteil. Meiner Meinung nach war der Laden noch nie so sauber wie aktuell.

Die Polizei sagt, sie hätte 250 Kontrollen durchgeführt und 40 Strafverfahren am Laufen.

Das glaube ich nicht. Dann hätten sie ja 100 Anwesende nicht kontrolliert.

Habt ihr jetzt noch härtere Maßnahmen ergriffen?

Die Maßnahmen sind immer gleich. Dazu gehört, die Taschen auszuleeren. Ich weigere mich, die Leute auszuziehen, das mache ich nicht. Dann kommt gar keiner mehr. Wir leisten uns hier die globale DJ-Elite. Da bist du auf Besucher:innen angewiesen. Aber wenn die ständig kontrolliert oder misshandelt werden, kommt keiner mehr, ist doch klar. Wir merken das.

Den Sachschaden von 8.000 Euro hast du schon angesprochen. Welche finanziellen Einbußen gab es noch?

Um 4:45 Uhr sind die hier eingelaufen, normalerweise hätten wir bis 10 Uhr aufgehabt. Da war natürlich auch der Barumsatz gelaufen. Ich habe den Schaden der Versicherung gemeldet. Die hatten so einen Fall auch noch nie. Wir wollen das nicht bezahlen. Das waren alles neue Brandschutztüren. Wir haben den ganzen Club komplett renoviert.

Aufgebrochene Brandschutztür (Foto: Rakete)
Beschädigte Tür (Foto: Rakete)

Am darauffolgenden Mittwoch ging euer Programm direkt weiter. Sam Paganini und Thomas Schumacher waren eingeladen. Konnte die Veranstaltung normal stattfinden?

Ja, wir haben den Notausgang so weit repariert. Sonst hätten sie uns ja wieder was anhängen können. Bis dahin bin ich jede Stunde zum Briefkasten gelaufen und habe geschaut, ob nicht doch noch eine Verfügung angekommen ist.

Wie hast du die Berichterstattung über den Vorfall aufgenommen?

Einige Medien hatten etwas überzogen von Drogenfunden geschrieben. Wenn ich bei t-online lese: „Drogenarsenal ausgehoben” – das ist für mich etwas völlig anderes. In einem anderen Bericht stand neulich so was wie „Beutel mit Drogen in der Vogelweiherstraße gefunden”. Was stellst du dir unter einem Beutel vor? Der normale Zeitungsleser muss ja denken, wir sind die reinste Drogenhöhle.

Das ist ja erst mal recht unspezifisch. Da können in der Tat nur eine Handvoll oder auch 300 Pillen drin sein.

Oder eben auch nur eine. Wenn überhaupt.

Du bist seit 2019 Geschäftsführer der Rakete. Wie würdest du eure Gesamtsituation beschreiben?

Wir waren auf einem guten Weg. Nach Corona war der erste Knick schon da, klar. Die Freitage sind immer schwächer als die Samstage, weil wir Samstag bis 10 Uhr geöffnet haben und damit die Einzigen in der Gegend sind. Wenn sie uns das noch nehmen, kannst du es eigentlich vergessen.

Seit der Corona-Pandemie gibt es für die Clubkultur vermehrt Unterstützung aus der Politik. Profitiert ihr davon auch?

Klar gab es Überbrückungshilfen, wenn man sie bewilligt bekommen hat. Viele sind auch abgelehnt worden. Und wenn du einen Laden umbaust, musst du auch Brandschutztüren einbauen. Das haben sie als Investitionsstau gesehen. Es laufen auch noch Kredite.

Und welchen Zulauf habt ihr aktuell?

Seit der Razzia ist es massiv weniger geworden. Ich schätze, so 30 Prozent weniger Besucher:innen. Man weiß nie, woran es wirklich liegt. Es können auch das Wetter, Festivals oder andere Events am Wochenende sein.

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