Alex Neri – It’s All About Love (Slow Life)
The Wizard is back! Damit ist nicht Jeff Mills gemeint, sondern Alex Neri. Mit seiner Platte The Wizard gehörte der zu den Pionieren der italienischen House-Bewegung. Perkussiv, groovend, herzerwärmend – ein kunstvoller Tupfer Methylendioxy-N-methylamphetamin auf dem Gemälde eines melodramatischen Sonnenaufgangs an der italienischen Riviera. Diesem High rannte Neri dann viele Jahre hinterher.
Sprechen wir Tacheles: Neri war erfolgreich, nur hatte er in den Zweitausendern den schönen italienischen Strandzauber gegen Ibiza-Ruhm eingetauscht. Musikalisch die falsche Entscheidung. Allzu oft gab es daher x-beliebigen Schunkel-Nonsens statt der qualitativ hochwertigen House-Schmankerl, die Neri eigentlich zimmern kann. Ein Beweis seiner Skills kommt jetzt mit It’s All About Love auf Slow Life filigran dahergegroovet. Classy, lässig und gefühlvoll. Andreas Cevatli
Dez Andrés – Back In My Space (Beretta Music)
Vor elf Jahren samplete, zerschnipselte, dehnte und arrangierte Dez Andrés in klassisch-rau-deeper Detroit-Manier den Jazz-Fusion-Track „Time Is Teacher” von Dexter Wansel. Der war als Keyboarder der Bands MFSB und Instant Funk ab Mitte der Siebziger einer der Protagonisten des Sound Of Philadelphia und somit des Disco der ersten Stunde. In den Neunzigern sampleten Wansel unzählige Hip-Hop-Künstler:innen. Mit den ikonischen Strings auf Wansels Album Voyager produzierte Andrés den Deep-House-Klassiker „New For U”. Davor nahm er bereits zusammen mit der Detroiter House-Legende Moodymann auf. Und auch Discoeinflüsse sind in Andrés’ neuen Produktionen – wenn auch für den Second-Floor etwas aufgeräumt-funktionaler – deutlich erkennbar.
So samplet „Don’t Be Fooled” den New-Romantic- und Blue-Eyed-Soul-Track „Twilight World” der britischen Smooth-Jazz-Gruppe Swing Out Sister aus dem Jahr 1987, die ihrerseits wiederum im Jahr 1994 den Philly-Soul-Hit „La-La Means I Love You” der Delfonics coverte. Die transatlantischen Feedbackschleifen sind also noch intakt. „Back In My Space” könnte auch im Hinterhof beim Barbecue laufen und „Back To Nature” verweist mit dem schweren Basslauf auf P-Funk. Der wiederum zeigt DJ Dez’ Hip-Hop-Nähe. Als Sample-House-Scheibe ist diese 12-Inch ein stimmiges DJ-Tool. Mirko Hecktor
Dorisburg – Voices (Aniara)
Alexander Berg alias Dorisburg liefert mit der Voices EP die erste von drei angekündigten Aniara-12-Inches in diesem Jahr. Die Veröffentlichung auf dem schwedischen Label stellt einmal mehr des Künstlers respektable musikalische Bandbreite und sein Dasein als Meister der transzendentalen Soundscapes unter Beweis und wagt den Seiltanz zwischen Melancholie und Euphorie.
Obwohl der Opener noch etwas zu viel Winterschlaf in sich trägt, weiß das Stück einen stilistischen Pfad zu verfolgen. Nichts ist überladen, und Bergs Klänge sind so gestaltet, dass sie das gewünschte Gefühl – bewusst oder unbewusst – unterstützen. Gerade rechtzeitig erscheint mit „Skulptur 7” das Frühlingserwachen. Hier ist das Gewagte die Zurückhaltung. Ein hypnotischer Drumtrack, der auf einer trippigen Grundlage aufbaut und zwischen zärtlichem Überschwang und rauer Finsternis pendelt. Aline Fuerer
Nurah – CTRL (Freakadelle)
Ein undurchsichtiger, dichter Wald voller hoher, tropischer Bäume, mystischer Lebewesen und ummantelt von Regen. Nurahs Debüt CTRL tapst sich an die Erfahrung von Natur heran. Elektronische Klänge werden so modifiziert, dass sie wie Field Recordings klingen – wie das Strömen des Regens, die Schreie von Tieren oder das Summen von Moskitos. Was zuerst da war, Beat und Melodie oder artifizielle Naturgeräusche, kann man nur erahnen. Denn es geht weder darum, zu der von Nurah hergestellten Soundscape die passende Begleitung zu finden, noch die Instrumentation mit ein wenig Rauschen und Rascheln zu untermalen. Vielmehr verschmelzen alle Elemente in den sieben Tracks ineinander, sodass sie wie Naturimpressionen selbst wirken. Oder eben wie Nurah, die Natur wahrnimmt.
So schwappt „Untitled” zwischen minimalen Passagen mit ploppender Bassline und haudünnen Pads und dichten Stellen, die sich mit scheppernden Hi-Hats sowie Regenplätschern und fern klingendem, animalischem Kreischen hervortun. Bei dem Urwald, den Nurah akustisch heraufbeschwört, kommt sogar ein verlockendes Gefühl der Wildnis-Romantik auf. Louisa Neitz
Ribé – El Camino EP (Semantica)
Ribé aus Madrid schranzt auf seiner EP El Camino psychedelisch, was nicht nur der Weg allgemein sein könnte, sondern auch der St.-Jakobs-Pilgerweg oder, näher an der dunklen Ästhetik dieser sechsteiligen EP, ein Spin-off-Film gleichen Titels aus der Serie Breaking Bad.
Ein helles Grundrauschen läuft auf allen Tracks mit, was wohl mit der Produktionsweise zu tun hat: Ribé hat sich ganz der Steuerung, der Klangveränderung und der Klangerzeugung der modularen Synthesizer verschrieben. Der Titeltrack rauscht mit geometrischen Wölkchen über Electro-Hi-Hats hinweg. Danach vertieft Ribé die Reise. Er setzt dabei krasse Industrial-Basslines ein, wie am Schluss auf „Nostalgia”, er loopt Roboterartiges in „Frequencias”. Das Schattenspiel in verschiedenen Graustufen namens „Las Sombras” krönt in seiner Spannung diese verstörend gute EP. Christoph Braun