Anastasia Kristensen – Essential Mix (BBC Radio One)
Eine offensichtliche, aber genauso logische Wahl, Anastasia Kristensens Essential Mix zum Mix des Monats zu küren. Die BBC stellt die in Dänemark lebende DJ und Producerin als „A new Queen of Techno” vor, was nicht nur platt, sondern angesichts ihrer bereits jahrelangen Karriere etwas abenteuerlich wirkt. Passend hingegen, dass Moderator Pete Tong sie auch für ihre Remix-Arbeiten lobpreist. Unter anderem hat sie die nämlich für Daniel Avery erledigt, der mit gleich zwei Stücken im wie üblich zweistündigen Mix vertreten ist. Nach eher melodischen ersten Minuten unterbricht Kristensens „I’d Love To Do It”, das ihren Stil zwischen rastlosem Atzinnen-Techno und cleveren, mitreißenden Melodien auf Tracklänge durchexerziert, Sherelles abebbendes Sprechstück aus „Higher”.
Nun regiert eine Weile der Techno, meistens mit gerader Kick, mal etwas gemächlicher und introvertierter wie in Jon Hesters „Rituals”, dann wieder stärker in Richtung Exzess tendierend wie in Rene Wises „Don’t Care” von der eben erschienen Knock Motion EP. Kurz nach der ersten halben Stunde bewegt sich die gebürtige Moskauerin im Peaktime-Modus, der ein Weilchen anhält. Anschließend lockern Breaks die Gemengelage auf, die allerdings so schnell an Fahrt aufnehmen, dass schleunigst wieder der Kreiseltanz angesagt ist.
Das Highlight des Sets liefert der Übergang von Jaydees „Plastic Dreams” im Etapp-Kyle-Edit in Daniel Averys „Unfolder” kurz vor der vollen Stunde. Danach ist, wie in so vielen Essential Mixen, noch Zeit für den ein oder anderen Klassiker, der die Künstlerin beeinflusst hat. Hier wären das etwa „Firestarter” von The Prodigy, das mit Pessimists breakigem „MDZhB” die perfekte Einleitung spendiert bekommt, oder CJ Bollands „Camargue” im trancigen „Galaxy Mix”. Egal, in welcher Sektion des Mixes man sich einklinkt, so ziemlich alles in diesen 120 Minuten macht Sinn und eignet sich für den Clubgebrauch wie für die Kopfhörer gleichermaßen. Ob es nun Equus’ angecoolter Acid-Electro aus „Worker” ist oder Ben Klock und Fadi Mohem, die gegen Ende nochmal den Berghain-Klang repräsentieren. Maximilian Fritz
DJ Luv You – HAWSMIX076 (Haŵs)
Ophelia ist DJ und interdisziplinäre:r Kunstschaffende:r aus Melbourne in Australien. Ophelia ist nicht-binär, moderiert bei lokalen Radiosendern wie Skylab und Hope St sowie LYL aus Paris und macht durch diverse künstlerische Formate auf queere und nicht-binäre Akteur:innen in der Musikszene aufmerksam. Ophelia inszeniert sich gern performativ, anhand eigener kompositorischer Fotografien und durch formierte House-Sets, die einer klaren Linie folgen. Vor einigen Jahren gründete Ophelia die von Queer/Femme geleitete Naarm-Party LUNA Blessings, die sich auf ein Booking von Künstler:innen aus Womxn-, Queer- und GNC-Communities konzentriert, um integrative Safer Spaces und solidarische Partys zu bilden und zu veranstalten.
Als DJ Luv You hat Ophelia für Haŵs einen über einstündigen Mix aufgenommen, der von einem unbeschwerten Rare-Groove-Sound mit Hi-NRG-Einflüssen und dynamischen Acid-House-Elementen geprägt ist. Insgesamt eine Stunde und 15 Minuten lang schmiegen sich House-Paradigmen und dynamische Progressive-Effekte aneinander. Die Symbiose vergangener und rezenter Electro-Klassiker wie „Soma” von Dylan Forbes sorgt für eine euphorische und energetische Atmosphäre, die Präambel des Sets, „I Want To Dance”, repräsentiert. Celeste Lea Dittberner
Narciss – 031 (Pulsår)
Narciss steht für einen modernen, groovigen Sound, der mit Vocals und Trance-Elementen geschmückt ist. Mit bürgerlichem Namen Nicolas Schmidt, lässt sich Narciss nicht in die monochrome Berliner Techno-Szene einordnen. Durch das bunte Auftreten vereint Narciss Gegensätze. Von Künstlern wie Bryan Zentz oder dem Duo Ignition Technician beeinflusst, sind Narciss’ Produktionen stets melodisch und vermitteln einen positiven Vibe. In den letzten Monaten konnten sich Fans über die zahlreichen Veröffentlichungen freuen. Neben einer Videoauskopplung zu „Power 2 Tha People” hat das Pulsår Festival einen einstündigen Mix von Narciss spendiert bekommen.
Das Set startet gleich mit einem typischen Narciss-Track. Melodische Synths glänzen, werden bald durch Vocals und einen groovigen Bass abgelöst. Breakbeats unterbrechen die trancige Stimmung und würzen das Set mit einem kleinen Stilwechsel. Dabei verliert der Mix jedoch nie seinen groovigen Vibe. Der gesamte Mix ist von Edits und Eurodance-Elementen geprägt. Narciss trifft damit den Nerv der Zeit, ohne eine trashige Grundnote aufkommen zu lassen. Neben altbekannten Stücken sind auch einige unveröffentlichte Tracks zu hören – darunter eine Koproduktion mit dem Berliner DJ-Duo DJ Heartstring. Felix Messmer
Nummer – Mix Series 09 (Sound Metaphors)
Nummer nennt sich das DJ-Duo, hinter dessen Namen die zwei Wahlberliner Silvere und Manu stecken. 2010 begannen die beiden zu produzieren. Seither füttern sie ihre Hörer:innenschaft mit einer Reihe an trancigen Downbeat-Alben, die unter anderem auf ihrem gemeinsamen Label Natural Selection erscheinen. Hinter den Decks der Berliner Clubs sind Nummer zu gern gehörten Gästen geworden. So ist es nicht verwunderlich, dass auch ihr Sound-Metaphors-Mix für Jubelrufe unter den Prog-House-Verfechter:innen sorgt.
Beseelte Melodien, ausgelegt auf atmosphärische Synthesizer-Klangflächen. Gemeinsam ergeben sie ein tranciges Soundgewitter, das von stampfenden Beats angeführt wird. Springende Rhythmen verleihen dem Mix seine Dynamik, die sich wie ein roter Faden durch eineinhalb Stunden Laufzeit schlängeln. Nummer fädeln ein atmosphärisches Set zusammen, bei dem die einzelnen Klangelemente wie die Teile eines Puzzles ineinander übergehen. Wencke Riede
Unsafe+Sounds – Tainted Futures – Agency of Immediacy (Struma+Iodine)
Der aktuelle Podcast von Struma+Iodine, Wiener Plattform, Institution und Eventreihe für progressive Musik- und Clubkultur und andere Phänomene der Gegenwart, hat dieses Mal keinen singulären Autor. Viel mehr vermittelt der Mix einen Querschnitt und Informationen des diesjährigen Festivals Unsafe+Sounds, das vom 23. September bis zum 1. Oktober 2022 in Wien stattfindet.
Verwurzelt in einer tiefen Sorge über die Gegenwart, scheint es sich jedoch keiner melancholischen Lähmung hingeben zu wollen, sondern sucht vielmehr nach Handlungsmöglichkeiten und neuer Kunst.
Der anderthalbstündige Mix zum Festivalmotto „Tainted Futures – Agency of Immediacy” gibt diese Stimmung gut wieder und funktioniert hierbei keinesfalls nur als Werbeteaser zum Festival, sondern als durchaus eigenes Musikstück. Eher eine gemeinsame und mahnende Stimmung als Genregrenzen vereinen die vielen Musiker:innen: So verbindet der Mix Spoken Word mit Avant-Hardcore, Elektroakustik mit psychedelischem Trance. Verdüstert, aber aufmerksam ist die Musik der Klangkünstler:innen, und Locals wie DJ Warzone, Rojin Sharafi oder Peter Kutin treffen auf Astrid Gnosis, Rrose, Mikkel Rev oder UFO95. Simon Popp