Maara, zwar nicht auf dem Krake, aber auch im Zwielicht (Foto: Presse)
36 Stunden voller DJ-Sets und Live-Acts, indoor und outdoor, versprach The Kraken, die diesjährige Klubnacht des Krake Festivals. Aus Outdoor wurde leider nichts, der Garten des OXI blieb aufgrund der notorischen Lärmbeschwerden, die den Club quasi seit Tag eins gängeln, unbespielt. Stattdessen wurde sich auf Bretterverschlägen und alten Möbeln ausgeruht und in bruchstückhaften Konversationen geübt, der Marathon-Rave tobte in den Eingeweiden des Clubs – auch den 21. August über, an dem die GROOVE sich vor Ort im Berliner Osten ein Bild machte.
Bei Ankunft um 11 Uhr wirkt das OXI, nur wenige Gehminuten vom Berliner Ostkreuz entfernt, noch etwas verschlafen. Der Einlass ächzt nicht gerade unter Massen an Besucher:innen, der Weg ins Innere ist praktisch ohne Wartezeit zu absolvieren. Man merkt im Garten, dass sich viele der Anwesenden, offensichtlich schon seit Samstag mit von der Partie, für eine Ruhephase entschieden haben. Es wird geraucht, die Gespräche finden vornehmlich auf Englisch statt, tendenziell scheinen zumindest auf der Klubnacht des Krake noch mehr Expats anwesend zu sein als im regulären Berliner Clubbetrieb. Das Modegetränk des Vormittags ist schnell ausgemacht: Jede Person, die was auf sich hält, schlürft am Espresso Martini, stilecht aus dem Cocktailspitz.
Drinnen ein gänzlich anderes Bild: Der X-Floor des OXI ist stockdunkel, Personen sind nur silhouettenhaft auszumachen. Wenn sich das Auge an die Düsternis gewöhnt hat, fällt auf: Viel ist noch nicht – oder nicht mehr, wie man’s nimmt – los, die vorhandene Crowd präsentiert sich dennoch extrem motiviert und teilweise oberkörperfrei. Weil das aber kein soziologischer Feldforschungsbericht ist, sondern es nicht zuletzt um Musik geht, hier die vier Acts, die tags- und nachtsüber in Erinnerung blieben.
DJ Fart In The Club
DJ Fart in the Club scheint hinter den Decks nicht aus der Ruhe zu bringen zu sein. Wer etwa im Laufe des Jahres mal bei den lebhaften und unprätentiösen Imaginary-Friends-Partys nahe des Spreeufers vorbeigeschaut hat, weiß, wie lässig die Südkoreanerin agiert, wenn sie regelmäßig mit ihrer passionierten Berliner Crew den in den Morgenstunden aufkommenden Wahnsinn dirigiert.
Ihr Auftritt auf dem Krake Festival ging ihr ebenfalls sichtlich mühelos von der Hand. Bevor ab 12 Uhr mittags die zweite Halbzeit der Sonntagssause anlief, schaffte sie es, zum Höhepunkt ihres dreistündigen Sets mit progressiven House-Tunes die letzten Kräfte aus den verbleibenden Raver:innen rauszuholen. Nicht nur diesen schien die Vornacht in den Knochen zu sitzen, auch der Lightjockey brauchte offenbar mal eine Auszeit und hatte sich vorübergehend vom Acker gemacht. Daher war auf dem stark abgedunkelten X-Floor Vorsicht geboten, als DJ Fart in the Club auf der Zielgeraden ihrer Spielzeit Four-to-the-Floor-Gefilde verließ und sämtliche Tänzer:innen mit glitschigem Electro und frechen wie flinken Breakbeats zu immer waghalsigeren Dancemoves herausforderte. Tobender Applaus oder vielmehr krächzend klingende Laute waren zum Schluss auch noch drin. Leonard Zipper
Maara
Mit dem Schlag der Mittagsstunde machte der Großteil der ersten Dancefloor-Schicht schlapp und verabschiedete sich ins Sonnenlicht. Das hielt Maara aber nicht davon ab, die verbliebenen Gäste im moderaten Tempo mit trippigen, glibbrigen, geraden Tracks zu umgarnen. Wer ihr eisern die Stange hielt, durfte sich noch einen Eindruck davon machen, wieso die Kanadierin zurzeit in immer mehr Clubs hinter den Decks steht.
Was die aufstrebende Künstlerin aus Montreal im Laufe der folgenden drei Stunden auf dem X-Floor verschmelzen ließ, reihte sich definitiv in den progressiven Vibe ein, der vor allem diesen Sommer mit Konsort:innen wie THC, D.Tiffany oder Byron Yeates wieder Hochkonjunktur erlebte – aber nicht ohne dem Ganzen mit allerhand Eigenproduktionen einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Delfingesänge, heulende, sehnsüchtige Urwaldlaute und freches Froschgequake: Maara gibt in ihren Nummern, die bereits auf Labels wie Radiant Love, NAFF oder Kalahari Oyster Cult erschienen sind, etlichen sonderbaren Geräuschen aus der Tierwelt einen Platz. Eingebettet in ein subtiles, tranciges Ökosystem, ließ sich dazu munter das Tanzbein schwingen. Leonard Zipper
David Vunk
Wenn ein DJ für ein extrem hohes Energielevel hinter den Decks bekannt ist, dann David Vunk. Derzeit trägt die Rotterdamer Exzessmaschine, ganz dem Namen seines Labels entsprechend, Schnauzer. Dazu entschied er sich an diesem Abend für eine Basecap und ein Oberteil mit seinem Künstlernamen – der Niederländer ist ein wandelndes Gesamtkunstwerk.
Musikalisch servierte er bewährte Kost: New Wave, Achtziger-Pop-Hits und scharfkantige Synths, im Tempo nur marginal langsamer als Peak-Time-Techno, die Tänzer:innen auf dem spätestens jetzt ordentlich gefüllten Zweitfloor des OXI dankten es, konnten mit den roboterartigen Moves des DJs aber nur schwer mithalten. Irgendwann streikte aber wohl Vunks erstaunlich langer USB-Stick, sodass nach einer kurzen Verwirrungspause
I-F
etwas früher als geplant einspringen musste. Die niederländische Legende, auch bekannt für sein Projekt Unit Moebius oder den Allzeit-Hit „Space Invaders Are Smoking Grass”, präsentierte sich mit prächtigem, ergrautem Ziegenbart. Auch er, seines Zeichens Stellvertreter Den Haags, hat in der Booth einen distinkten Ablauf.
Während der jüngere Vunk während I-Fs Set weiterzappelt, mal hinter den Plattentellern, mal auf dem Dancefloor, begnügt sich der Routinier damit, seine Textsicherheit zur Schau zu stellen: Ferenc van der Sluijs kennt jeden seiner Tracks in- und auswendig, wirft mehrfach den Kopf in den Nacken und holt zu euphorischen Gesangseinlagen aus. Sein Klang als DJ gibt das her: Der rohe, technoide Maschinenfunk, der ihn früher auszeichnete, ist schon seit langem einem Partysound gewichen, der Pop und Electro mit einem elaborierten, aber zugänglichen Spaßverständnis kombiniert. Dass I-F der richtige Mann ist, um eine Party bis zum Höhepunkt hochzukochen, zeigt er auch auf der Krake-Klubnacht, die nach seinem Set-Ende gegen 1 Uhr mit Acts wie CYRK oder Jcow noch eine Weile vor sich hinbrodelt. Maximilian Fritz