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Lighthouse Festival 2022: Der elektronische Halbinsel-Urlaub in 5 Performances

Action im Autodrome – auch bei Regen ein Spaßgarant (Foto: Mato)

„Electronic Music On Vacation” ist das Motto des Lighthouse Festivals im Lanterna Premium Camping Resort nahe der kroatischen Hafenstadt Poreč. Und selten war ein Slogan treffender. Das vorwiegend deutsch-, besser: österreichischsprachige Publikum kommt in Istrien nicht zusammen, um fieberhaft Track-IDs zu sammeln oder im Vollsprint von einem Floor zum nächsten zu hetzen, um ja nichts zu verpassen.

Nein, die Besucher*innen verteilen sich in moderatem Tempo, aber mit einer gewissen Lautstärke von ihren Bungalows und Ferienwohnungen aus über die Halbinsel. Der Geist des Festivals offenbart sich paradoxerweise besonders, wenn die temporären Behausungen ihre Bewohner*innen beherbergen. Viele bringen eigene Soundsysteme mit, manche haben auch DJ-Equipment ins Ferienresort gekarrt, mit dem sie auf den zahlreichen Balkonen kleine Privatpartys veranstalten, deren Klang sich erbarmungslos auf dem Festivalareal ausbreitet. Kate Bushs „Running Up That Hill” in einer ans Blasphemische grenzenden Tech-House-Version etwa hatte Hochkonjunktur.

Fuck Me Im Famous LHF by Lucie Blacher
Ein Hauch von Guetta (Foto: Lucie Blacher)

Auf den Bühnen, die auf dem gesamten Gelände sehr zahlreich verstreut waren, lief glücklicherweise Besseres. Der Fokus des Lighthouse liegt trotz stilistisch diversem Booking am ehesten auf House und Open-Air-angemessener Musik. Das macht angesichts der Hauptbühne und des Beach Floors, die beide direkt am Wasser liegen und als Hauptarterien des Festivals fungieren, unbedingt Sinn. Auch auf den restlichen Bühnen, etwa dem technoiden Indoor-Floor Nassraum, dem epileptisch-hyperaktiven Autodrom oder dem vom Münchner Radio 80000 kuratierten Hakuma Bay Club, präsentierten Künstler*innen starke Sets. So grell und überschwänglich sich das Publikum ab und an präsentierte, so erwachsenenurlaubstauglich und wohl kuratiert fiel das Booking aus. Im Folgenden besprechen wir fünf Sets, die dem Auskennerruf des Lighthouse gerecht wurden.

Gidëon

Lighthouse 2022 Beach Floor by Emanuel
Bereits am Mittwochabend brachte Gidëon motivierenden Kommando-House auf dem Beach Floor unter (Foto: Emanuel)

Satte fünf Nächte lang kann man auf dem Lighthouse feiern, tagsüber sowieso. Wenn man tatsächlich über die volle Distanz gehen und nach der Hälfte der Zeit nicht wie eine orientierungslose Qualle am Strand siechen will, ist der erste Abend entscheidend für das Gelingen der Restfestivitäten. Wichtig dafür bei der diesjährigen Ausgabe: Gidëon, der als Open-Air-erfahrener DJ einen routinierten, wohldosierten Auftritt hinlegte.

Der Londoner ließ sich nach einem bereits gelungenen Liveset von Bufiman genüsslich Zeit: Sein Set schwoll gemächlich, aber stetig an, die Tracks zwischen House und Disco liefen verhältnismäßig lange. Am Schluss peitschten bestimmende Kommando-Vocals durch die dichter werdenden Nebelschwaden auf dem Dancefloor, die den Nährboden für THCs Partyhouse – unter anderem lief Eminems „The Real Slim Shady” in einem düdeligen, galoppierenden Edit – bereiteten.

Ceephax Acid Crew

Ceephax Acid Crew LHF by Maximilian Fritz
Andrew Jenkinson alias Ceephax Acid Crew – nach seinem Set im Autodrom noch immer unter Strom (Foto: Maximilian Fritz)

Das „Crew” in Ceephax Acid Crews Künstlername ist gelogen, außer man versteht die Symbiose, die Andrew Jenkinson mit seinem Maschinenpark eingeht, als freundschaftliche Begegnung unter gleichberechtigten Individuen. Ein Geniestreich jedenfalls, den Briten ins grelle Autodrom zu buchen, das „Acid” im Künstlernamen ist nämlich nichts als die Wahrheit. Während Gesloten Cirkels Liveset im Nassraum nicht so recht die Erwartungen erfüllt, brennt auf dem konzentrierten, von allen Seiten gut einsehbaren Autoscooter-Floor die Luft.

Wo sich tagsüber während der träge anlaufenden Rollerdisco noch vereinzelt Personen auf den Hosenboden legten, dirigiert nun Jenkinson die Menge. Das geschieht nicht nur mit Musik: Neben den Gerätschaften hält er, passend zum Kirmes-Floor, ein Mikrofon bereit, in das er akustisch schwer, der Logik des Moments folgend leicht verständliche Botschaften für den Floor nuschelt. Die Devise ist Abfahrt, die komplette Spielzeit über, was die angecoolte Cluburlaubsatmosphäre mit reichlich Säure zersetzt – Set des Festivals.

Hakuma Bay Club / Radio 80000

Hakuma Beach LHF by Cristina Plett
Der Hakuma Bay Club, kuratiert von Radio 80000. Hier an den Decks: Chatbot Caro und Sedef Adasi, THC als innocent bystander (Foto: Cristina Plett)

Auf der Halbinselseite ziemlich genau gegenüber des Beach Floors gelegen, fungierte der Hakuma Bay Club mit der vom Münchner Radio 80000 kuratierten Kleinbühne tagsüber vor allem als Chillout am Wasser mit gelegentlichem Planschen. Die Atmosphäre hatte bis zum späten Nachmittag dabei tatsächlich etwas von einem Strandclub, nur mit wesentlich besserer musikalischer Untermalung.

Neben dem Kernteam des Senders, das für sich bereits eine beachtliche musikalische Bandbreite auffächerte – von Photeks „Glamourama” bis hin zu Octave Ones „Black Water” oder nonlinearen Nous’klaer-Platten fand sich in den Sets einiges wieder –, beschallten auch bekanntere Gesichter den Sandstrand. Am Donnerstag beispielsweise DJ Pete, der zur Mittagszeit mit einem Plattenkoffer voller Dub und Reggae anrückte. Oder Victor im b2b mit Marie Montexier, die vor Jennifer Cardinis Festivalhitgeballer auf der Mainstage in den Sonnenuntergang begleiteten. Auch hier lief übrigens der oben bereits erwähnte Eminem-Edit, was in intimer Atmosphäre aber auf eigentümliche Weise besser funktionierte.

Jane Fitz

Jane Fitz LHF by Cristina Plett
Jane Fitz kramt in den Morgenstunden im Plattenkoffer – ihr Set auf dem Beach Floor zählte zu den Highlights (Foto: Cristina Plett)

Erneut ist der Beach Floor der Tatort, die Tatzeit aber eine völlig andere. Jane Fitz spielt bis in die Morgenstunden, von 3 bis 6 Uhr, und beweist sich einmal mehr als eine der versiertesten Selektorinnen überhaupt. Praktisch die ganze Zeit über gibt es keinen Grund, vom Floor zur Bar zu gehen oder sich eine Verschnaufzigarette zu genehmigen. Gesäumt von Palmen und Funktion Ones, grinst die Britin aus der Booth und spielt unnachgiebigen, euphorischen House, der die ohnehin willfährige Menge sichtlich in Ekstase versetzt.

Immer wieder tupft Fitz außerdem Acid-Kleckse, auf dem Lighthouse sowieso ein roter musikalischer Faden, an die richtigen Stellen, um so etwas wie einen monotonen Trott gar nicht erst aufkommen zu lassen. Während unter anderem Freddy K im Nassraum seine Platten für die technoidere Fraktion jongliert, lebt die Crowd am Strand ihre Euphorie bei diversen Hands-up-Momenten ungebremst aus, Kaltschweiß zum Sonnenaufgang inklusive.

Don Williams b2b XDB

Nassraum by Mato
Der Nassraum, am Samstagabend Spielwiese von Roman Flügel und Don Williams b2b XDB (Foto: Mato)

Ein höchst symbiotisches b2b zeigten Don Williams und XDB, die die Decks im immerschwitzigen Nassraum am Samstagabend von Roman Flügel übernahmen. Der spielte überhaupt nur mit Dach überm Kopf und nicht auf der Mainstage, weil das Wetter im Laufe des Samstags kippte. Tagsüber dominierte der Regen, abends lachten – zumindest außerhalb des Nassraums – diejenigen zuletzt, die zu ihrer Urlaubsgarderobe in vorauseilendem Gehorsam eine wetterfeste Raverkluft in den Koffer gepackt hatten.

Nach Flügels Set, der den Bogen von anfangs moderatem House zu immer schnelleren, abgdrehteren Selektionen spannte, übernahmen der Mojuba-Boss und der Grieche, um mit kontrolliertem, aber gewieftem Techno in die Nacht zu führen. Die Kommunikation zwischen den DJs schien fast telepathisch abzulaufen, Nonverbalität oberste Maxime. Überbordende Bewegung hinter den Decks: Fehlanzeige. Stoisch thronten beide hinter den langsam auf und ab wogenden Deckenvisuals mit irisierenden LEDs, für die alleine sich ein Besuch im Nassraum lohnte. Das Ergebnis: Konsistente, kollektive Trance, ohne Überreizung.

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