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Die Platten der Woche mit Dev/Null, Diogo und Stolen Velour

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Dev/Null – MICROJUNGLIZM (Evar)

Dev:Null – MICROJUNGLIZM (Evar)

Das Hüpfen war nie weg. Nach der Ursuppe und dem Hype um Drum’n’Bass und Jungle der 1990er blieben manche Leute einfach drauf hängen, das Hardcore Continuum gebar weitere Spezien, und bis heute tauchen immer wieder aufregende Drum’n’Bass-EPs auf. Das ist eine.

Muskelbestückte Breaks des in Los Angeles ansässigen Pete Devnull, der seinen Lebenslauf besonders mit Breakcore-Veröffentlichungen bestückt. Die Rohheit, auch das Wilde, sie tun diesen Stücken supergut. Wie er in „Breath” den Beat mit einem Offbeat gegenschüttelt, in „E-Yeah” einen ganzen Film mit ausgeprägter Dramaturgie anlegt und der Track dennoch bloß wie ein unwiderstehliches Teil für jeden Floor rüberpustet.

„Orch Stomp” und „Dark Fours” lassen Bass-Anschläge von der dunklen Seite rüberwachsen, um dann doch immer wieder mit rollendem Rhythmus zu schillern. Im Hit „Broken Bell” klingt die Glocke zunächst nicht besonders gebrochen, gibt weiter an die sich permanent verändernden Beat-Patterns, bleibt am Ende immer noch ganz, und doch ist viel passiert. „Time To Rhyme” ist verspielter Jungle, der auf einem sweeten Dancehall-Beat reitet. Mit dem Alarm in „Warning Sign” ist nochmal die Laune gud bis unkontrolliert. Christoph Braun

Diogo – Sempre Para Diante (Paraíso)

Diogo – Sempre Para Diante (Paraíso)

Auf dem portugiesischen Label Paraíso erscheint diese Maxi der Lissabonner Lokalgröße Diogo mit insgesamt sechs Originalen und zwei Remixen. Die A1 „Paz d‘Alma” eröffnet zunächst recht brachial und kommt mit düster anmutenden, von einer Acidline überlagerten Electro-Breaks daher. Acid, das wird schnell klar, ist der rote Faden der Platte, die demonstrieren soll, was mit einer 303 noch alles machbar ist. Auf der A-Seite dominiert dabei Electro, mit „Novidades” als stimmigstem Track, während sich „Não Finjas, Sente” ein wenig zwischen atmosphärischen Pads und säuerlichem Gebrettere verliert.

Auf der stärker technoorientieren B-Seite ist „Sempre Para Diante” am deutlichsten in Richtung Dancefloor ausgerichtet. Hier treibt die Acidline stur voran, bevor es mit „Brick & Mortar” noch einmal etwas breakiger in die Tiefe geht. Beide Tracks haben schließlich noch einen Remix erhalten, von denen vor allem der von Ecstasya tief in die Trickkiste greift und das geradlinige „Sempre Para Diante” dekonstruiert. Etwas beruhigender hingegen ist Moreno Ácidos schön dubbiger Remix von „Brick & Mortar”.Letzten Endes hat die Platte für jede*n etwas zu bieten, ohne jedoch wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Tracks sind sauber produziert, und trotz des offensichtlichen Fokus auf Acid werden zwar die ganz großen Klang-Klischees umschifft, vor allem die A-Seite schwimmt jedoch mit ihrem düster daherwummernden Electro in aktuell viel befahrenen Gewässern. Ruben Drückler

Eversines – Solvation EP (De Lichting)

Eversines – Solvation EP (De Lichting)

Hm. A tale of two sides haben wir hier, so scheint es. Eversines startet seine Vier-Track-EP mit dem luftig-fluffigen „Digital Plant System”, einer Art futuristischem Cyborg-Stepper, in dem sich abgehackte Frauenstimmen an einem Breakbeat-Gerüst emporwippen.

Hernach wird’s düsterer. Sowohl „Solvation” mit seinen pflugartig durch den Tanzboden schubbernden Acidlines als auch der treibende Psychedelic-Techno von „Laby” sind wohl als Tanzfutter für die tiefere Nacht gedacht, in die sie hypnotisch hinabziehen.

Beim Abschlusstück „Altar” werden die Zügel dann wieder etwas loser gelassen, was in verspieltem Trance ohne Goa-Ernsthaftigkeit gipfelt – zum Glück. Insgesamt also vier Tracks so zeitgemäßer wie verschiedenartiger Tanzmusik, in die fallen zu lassen sich absolut lohnt. Tim Lorenz

One Swallow Doesn’t Make A Summer Part 4 (Running Back)

One Swallow Doesn't Make A Summer Part 4 (Running Back)

So langsam scheint sich doch ein kleiner Schwarm zu formieren: Teil vier der One Swallow Doesn’t Make A Summer-Serie auf Running Back setzt das Konzept der Compilation-Reihe nahtlos fort. Erstmals besteht die EP nicht aus vier, sondern aus fünf Tracks unterschiedlicher Producer, die dem lakonischen Skeptizismus landläufiger Spruchweisheiten wie der reihentitelgebenden mit betont hedonistischem Sommerfeeling eine gutgelaunte Absage erteilen. Eine Maßnahme, die nebenbei auch den Autoquartett-Charakter der Reihe zumindest formal ein wenig aufbricht.

Verdientermaßen die Pole-Position – um dennoch noch kurz im Bild zu bleiben – besetzt „Starlight” von Yungruzt feat. Eluize: So klingt ein Abend, der mit dem Wunsch beginnt, er möge niemals enden. Baldo erweitert mit „Human Connection” den Spielraum, etwas pauschale Rave-Atmo mit breakigen Jungle-Beats und Acid-Alarm inklusive. Hymnisch, deep und in Breitleinwand-Farben rollt dagegen „Ara” von 9th House über den Dancefloor. Das strahlende Blau des Himmels über der Adria grundiert „7_11 House” von Delphi, bekannter als eine Hälfte des Duos Tiger & Woods. Dritter Debütant (neben Yungruzt und Baldo) ist Signal Mute, der mit „Reminiscence” einen zeitlos pazifischen Housetrack vorlegt. Lediglich die Disco-Facette des Reihenprofils bleibt mit dieser Folge etwas unterrepräsentiert. Harry Schmidt

Stolen Velour – Onyx (Kindergarten)

Stolen Velour – Onyx EP (Kindergarten)

Stolen Velour. Typ aus London. Eigenes Label. Neuer Release auf Kindergarten. Klingt weniger nach Wohlfühlprogramm als nach Stress – aber wollen wir mal sehen, was uns die Katze heute vor die Tür gelegt hat! Wer sich nach der geklauten Inneneinrichtung von Opa Hansens Benz benennt, bekommt jedenfalls Likes, Likes, Likes. Deswegen muss man die Platte zwar nicht bedingungslos feiern.

Spätestens bei „Tibi Bat” verliert aber selbst das disziplinierteste Pokerface die Contenance, weil: Onyx ist Eskalationsstufe 1000. Ein Sprung ins Strobo-Inferno. Jahrmarktsbänger mit Hände-hoch-yeah-Vibes, die nicht mal die verrückten Beat-Ingenieure von MoMa Ready in die Tiefgarage zimmern. Man will sich gar nicht vorstellen, was passierte, würde man zu dieser Scheibe mehr als 2G wegputzen. Vollkommene Auflösung in kreiselnder Bewegung? Purzelbäume auf dem Dancefloor? Ein Handstand überm DJ-Pult? I don’t know! Aber egal wie: Wer sich erdreistet, diesen Korkenzieher zum späten Abendessen aufzutischen, sollte Kooperationsverträge mit der nächsten Zahnarztpraxis ausverhandeln. Eine Platte, bei der man nicht nur einmal mit dem Gedanken spielt, sich nachträglich zum 13. Geburtstag Buffalos zu schenken. Christoph Benkeser

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