Baaz – Alley (Office)
Ich habe einen Freund, nennen wir ihn mal Simon, der hat Sprüche für bestimmte Stunden, für Wochentage. Und ein Klassiker von Simon ist es, Sachen als „bananophon” zu bezeichnen. Wer am anderen Ende der Bananen-Leitung ist, dass bleibt auch weiterhin sein Geheimnis; die theoretische Realität der Bananophone haben wir aber nie ausgeschlossen. Und schau mal an: Hier auf diesem Cover ist ein solches zu finden.
Setzt man daneben „Scroll”, das sich auf seinen 6:25 Minuten vehement gegen Vereinnahmung von allen Seiten wehrt und einfach immer weiter reindreht, dann könnte man meinen, man sei in einem Treppenhaus gefangen.
Das wäre nur eine Lappalie, wenn es nicht zum Produzenten Baaz passen würde, stets und immer wieder Versatzstücke aus der (potenziellen) Realität zu greifen, sie in Form zu gießen und neu zu verpacken. Das beginnt beim Namen: Klar steckt dahinter eine Verformung des bürgerlichen Namens Bastian Völker. Aber Baaz (eigentlich: Batz), das ist auch bayerisch und heißt sowas wie Schlamm oder Matsch. Nicht immer böse gemeint. Jetzt sind Stücke von Baaz nie wirklich baazy (wenn man das mal so benutzen mag an dieser Stelle); jedenfalls nicht im Sinne von klebrig. Wenn man drin hängen bleibt, dann ist das nicht wie im Watt – mit drohendem Ertrinkungstod –, sondern viel mehr so sanft wie das Puhlen einer Pomelo.
Kommen wir nochmal zu dem Telefon in Bananenform zurück: Die Leitung ist gekappt und erreichen wird man niemanden mehr damit. Aber es taugt noch als Erinnerungsstück, als MacGuffin, als Koffer aus Pulp Fiction. Funktionslos, und doch voller Bedeutung. Setzt man daneben „Scroll”, das sich auf seinen 6:25 Minuten vehement gegen Vereinnahmung von allen Seiten wehrt und einfach immer weiter reindreht, dann könnte man meinen, man sei in einem Treppenhaus gefangen. Je weiter man runterklettert, je mehr Stufen man auf einmal nach unten nimmt, desto mehr erscheinen am Ende. Wo kein Ausweg ist, da ist auch kein Ziel. Wo aber kein Ziel ist, da muss man auch nicht hetzen. Da kann man im Moment fast ewig verweilen.
An der Grenze zur Stasis rollen hier die Loops immer und immer wieder durch. Kaum spürbare Veränderungen, die sich erst im Nachhinein wie ein Spielfilm anfühlen, halten das Ding am Laufen.
„Scroll” und sein Nachfolger, der Titeltrack „Alley”, die treiben diese Entwicklung auf die Spitze. Der hier zelebrierte House ist so deep wie der Marianengraben – wenn der wirklich der tiefste Ort der Erde ist. An der Grenze zur Stasis rollen hier die Loops immer und immer wieder durch. Kaum spürbare Veränderungen, die sich erst im Nachhinein wie ein Spielfilm anfühlen, halten das Ding am Laufen. Jeder super-snappy Schlag der Snare auf Alley erzählt zwar von Tanzlustbarkeiten, einlösen wollen das die mellow Orgel-Hook und das kleine Universum an Insektengeräuschen aber nicht. Es ist ein Experiment: Wie wenig muss ich mich eigentlich bewegen, damit es noch als Tanzen durchgeht?
Dass Baaz es natürlich auch anders könnte, zeigt er bei so unterschiedlichen Stücken wie dem eindeutig vom Hip Hop kommenden „It Matters” oder auch „Gingko 2”, das mit seiner Dub-Attitüde auch als Infinity Loop bei Traumprinz auftauchen könnte. Wer aber jetzt wirklich anfangen möchte, die ganzen Fäden, die hier rumliegen, aufzulesen und zu verfolgen, der wird noch unzählige andere Ecken besuchen können und dürfen.
Aus „Charmus” etwa sprechen Detroiter Exkurse aus den frühen Tagen, auch wenn die sexy Stöhner vielleicht nach dem Soundtrack eines alternativen Pornos klingen mögen. Merke: Auch hier wieder Versatzstücke auf ungeahnte Weise verbastelt – bis die Grenzen zur Realität aufgebrochen werden. Das ist gerade in einer Zeit, in der sich nach 18 Monaten Pause der ein oder andere Schritt auf der Tanzfläche noch off und ungewohnt anfühlt, eine auffallend reflektierte Auseinandersetzung mit dem vermeintlich Bekannten. Da darf dann auch mal jemand mit dem Bananophon anrufen. Lars Fleischmann