François Bonnet/ Kassel Jaeger (Foto: Eléonore Huisse)

Die statischen, wie im zeitlosen Raum schwebenden Klangflächen der Französin Éliane Radigue ziehen sich schon seit den 70ern durch die wundersame Welt der Avantgardemusik. So auch auf dem diesjährigen MaerzMusik-Festival. Unter dem Thema Das Ende der Zeit findet das Festival ab dem 19. März 2021 im virtuellen Raum statt. In einem binauralen Audiostream aus dem Zeiss-Großplanetarium wird unter anderem Radigues Trilogie de la Mort übertragen. Wie das Thema des Festivals so spiegelt auch dieser Programmteil die Ambivalenzen der Zeit wider, welche während der MaerzMusik in ihren verschiedenen Dimensionen verhandelt werden.

Die Trilogie de la Mort gilt als eine der großen Epen der elektronischen Klangmeditation. Über Geburt und Tod erstreckt sich das ausgedehnte Werk. Dieses Jahr wird es präsentiert durch den französisch-schweizerischen Musiker, Autor und Komponisten elektroakustischer Musik François J. Bonnet. Der in Paris lebende Künstler tritt meist unter dem Namen Kassel Jaeger auf. In seiner Arbeit schwankt er zwischen konkretem Experimentalismus, Ambient Noise und elektroakustischer Improvisation. Zusätzlich zu seiner dreistündigen Darbietung von Radigues Trilogie wird er auf der diesjährigen MaerzMusik außerdem einen Film präsentieren.

Éliane Radigue – Still aus dem Film „Éliane Radigue – Échos” von François J. Bonnet und Eléonore Huisse

Mit Éliane Radigue – Échos hat Bonnet gemeinsam mit Filmemacherin Eléonore Huisse ein Porträt der mittlerweile betagten Künstlerin geschaffen, welches tiefe Einblicke in ihre Lebensweise und ihr Denken bietet. Mitten in der Pandemie haben sie dafür Radigue besucht, um mit ihr über existentielle Fragen wie Alleinsein, Phantasie, Rückzug, die innere Stimme und Zeitlichkeit zu sprechen.

Auch an der diesjährigen Abschlussveranstaltung wird Bonnet teilnehmen. Das TIMEPIECE soll eine monumentale Zeitansage werden, das von Berliner*innen live im Haus der Berliner Festspiele aufgeführt und von zahlreichen Kompositionen aus der ganzen Welt begleitet wird. Das insgesamt 27-stündige Projekt basiert auf einer Arbeit von Peter Ablinger und startet am 27. März um 20 Uhr. Insgesamt werden über 100 Musiker*innen und Sprecher*innen an der ausgedehnten Veranstaltung teilnehmen. Als Gemeinschaftsprojekt wird es dadurch nicht nur zu einem künstlerischen Denkmal in Zeiten der Pandemie, sondern auch zu einer großen Solidaritätsbekundung für Künstler*innen auf der ganzen Welt.

Still aus dem Film Éliane Radigue – Échos von François J. Bonnet und Eléonore Huisse

Kurz vor Beginn des Festivals beantwortete uns François Bonnet alias Kassel Jaeger ein paar Fragen.


Für MaerzMusik 2021 werden sie Éliane Radigues Trilogie de la Mort aufführen. Was bedeutet ihr Vermächtnis für sie und wie passt dieses besondere Stück Musik in das aktuelle gesellschaftliche Klima?

Eines der wichtigsten Aspekte von Elianes Vermächtnis ist für mich ihre Art, Musik mit völliger Freiheit zu betrachten. Sie bewegte sich fort von einem spezifisch soziologischen und kulturellen Verständnis und hin zu einem „phänomenalen” Musikverständnis. Musik ist hier eher ein Vektor der Erfahrung als ein kultursensibles Artefakt.

Sie werden 50 Lautsprecher und ein leeres Planetarium zur Verfügung haben, wenn sie das Stück klanglich inszenieren. Welche auditiven Eigenschaften hat die Trilogie de la Mort und warum wird sie auf diesem Soundsystem besonders klingen?

Ich werde versuchen, die Philosophie von Eliane in Bezug auf die Klangprojektion so weit wie möglich zu respektieren. Es geht darum, eine immersive Klangumgebung zu schaffen, in der die Zuhörer im Rhythmus der Musik treiben können. Es geht nicht um Gesten oder räumliche Effekte. Der Klang muss überall und nirgends sein. Das ist ziemlich schwierig zu erreichen.

Still aus dem Film Éliane Radigue – Échos von François J. Bonnet und Eléonore Huisse

Das Stück ist fast drei Stunden lang und in drei Kapitel unterteilt. Wird es schwer sein, fokussiert zu bleiben?

Eigentlich sind es drei separate Teile, die im Nachhinein zu einer Trilogie verbunden wurden. Jedes ist also ein eigenes Universum. In der Tat muss man konzentriert bleiben, es sind fast 3 Stunden, aber gleichzeitig betritt man in gewisser Weise jedes Mal eine andere Zeitzone. Ich denke, es sollte in Ordnung sein!

Was haben Sie in den letzten Monaten gemacht und was erwarten sie vom Rest des Jahres?

Ich war eigentlich ziemlich ausgelastet, da ich damit beschäftigt war, neue Projekte bei der Groupe de Recherches Musicales zu planen und auf den Weg zu bringen. Außerdem habe ich neue musikalische Werke entwickelt, neue Schriften, etc.

Für den Rest des Jahres erwarte ich, wie wohl jeder, dass ich das tun kann, was noch nicht möglich ist. Konzerte spielen, Konzerte besuchen, Galerien und Museen besuchen, in Restaurants gehen, Freunde treffen. Ich lebe in Paris. Paris ohne diese Aspekte ist nicht ganz Paris. Aber der Frühling kommt.

Groove präsentiert: MaerzMusik 2021

19. bis 28. März 2021

Tickets: Kostenlos oder gegen eine Zahlung auf freiwilliger Basis

Line-Up: Uli Aumüller, Bang on a Can, Sandeep Bhagwati, François J. Bonnet, Jessie Cox, Halim El-Dabh, Ensemble Extrakte, Ensemble Mosaik, Ensemble Modern, Beatriz Ferreyra, Lucas Gutierrez, Carlos Gutiérrez Quiroga, Sofia Jernberg, Marisol Jiménez, Vimbayi Kaziboni, Hannah Kendall, Mazen Kerbaj, Andile Khumalo, Daniel Kidane, Pavel Kolesnikov, Komposter Kollektiv, Daniel Kötter, Timo Kreuser, Tania Léon, Sonia Lescène, George Lewis, Robert Lippok, Roberto Maqueda, Jasmina Metwaly, Cathy Miliken, Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos (OEIN), Bernard Parmegiani, PHØNIX16, Deniza Popova, Quatuor Bozzini, Éliane Radigue, Farhan Sabbagh, Alvin Singleton, Manuel Rodriguez Valenzuela, Ute Wassermann, Ueli Wiget, Zafraan Ensemble

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