Delano Smith – Shades Of Detroit (Sushitech)

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Sushitech wird 15 Jahre, wozu man erstmal gratulieren möchte! Nach wie vor darf sich das Berliner Label höchster Reputation erfreuen, was unter anderem auch an Legenden wie Delano Smith liegt. Anlässlich zum halbrunden Geburtstag werden seine beiden Singles Dark– und Light Shades of Detroit aus dem Jahr 2011 neu aufgelegt. Zusammengeführt heißt das Ganze jetzt attributslos Shades of Detroit und erscheint in einem hellerem Artwork. Der Mann, der den Detroiter Vibe der 80er maßgeblich mitgeprägt hat, wartet hier mit sechs Tracks auf, die zwischen housigen und dubbigeren Sounds changieren. Funkige Basslines preschen unter organischen Perkussionen nach vorne und steuern auf wohlmeinende und smoothe Breaks zu. Die Klänge der schimmernden Retro-Pads werden dann zum Beispiel mit Vocal-Samples, wie bei „In Limbo” oder „Change Is Coming”, ergänzt oder verschwinden bei „Trying Times” auch mal in der Tiefe. Eine leichte und doch hochintensive Atmosphäre, die vertraut erscheint und extrem erfreut! Lucas Hösel

Earl Grey – Infinite Loop EP (Western Lore)

Earl Grey - Infinite Loop EP (Western Lore) -min

Neues aus Großbritanniens pulsierendem Musik-Mekka Bristol! Dead Man’s Chests Label Western Lore, das schon seit Jahren mit abgefahrenen Bastard-Childs aus den Stilrichtungen Drum’n’Bass und Jungle zu begeistern weiß, feiert jetzt mit Infinite Loop Earl Greys Label-Debüt. Und nicht nur unsere Teekanne pfeift bei diesen vier deadly Cuts, die der Producer aus Manchester darauf abliefert, vor Begeisterung laut auf. Gleich der erste Track verblüfft nach kurzem Intro, das ein bisschen an Homemade Weapons erinnert, mit einem Paradigmenwechsel der besonderen Sorte. Die Schlagzahl wird mal eben verdoppelt und zu den Bonga Rolls, subtilen Bleeps und choralem Woodwind kommt eine heftige Bassline, die zum breakigen Jungle-Höhepunkt hinführt. Der volle und atmosphärische Sound macht nicht nur diesen Track, sondern die ganze EP zum Winner. Denn auch „Levitate (VIP)”, „Wiretap” und „Fugitive Version” kombinieren die Zukunft und Vergangenheit des Bristol Sounds so gekonnt, dass man sich (wieder aufs Neue) in ihn verliebt. Vor allem all denjenigen, die dachten, ihre 90’er-UK-Phase eigentlich schon überstanden zu haben, muss an dieser Stelle ein heftiger Rückfall prognostiziert werden. Und wer diese überhaupt noch nie hatte, wird in den nächsten Wochen überhaupt gar nichts anderes mehr diggen! Am besten zaubert man dazu noch die alten Source-Direct-Platten hervor und mixt sich in Ekstase. Andreas Cevatli

Kai Alcé ft Rico & Kafele Bandele – Take A Chance (The Dubs) (NDATL) (Re-Release)

Ursprünglich hatte NDATL-Labelchef Kai Alcé mit seiner EP Take A Chance bereits 2015 einen exzellenten, souligen Housetrack hingelegt, der von Ricos Vocals und dem Trompetenspiel Kafele Bandeles lebte. Auf der Platte spendierte Alcé seinem Vorbild Larry Heard gleich drei Remix-Slots, schiebt jetzt aber nochmal einen Rutsch Dub-Versionen hinterher. Dabei wird das Original eingerahmt von je einer Mr.-Fingers– und Larry-Heard-Interpretation. Während letztere dem gefühlvollen Stück noch mehr Raum zum Atmen gibt, die shufflige Percussion zurückschraubt und stattdessen die zurückhaltend gesetzten Piano-Akkorde sowie das Trompetenspiel das verträumte Motiv bestimmen lässt, ist Mr. Fingers’ „Full Ambient Acid Instrumental” alles andere als Ambient und konzentriert sich stattdessen auf eine sanfte Acid-Bassline in bester Fingers-Manier, die den aufs Wesentliche zurückgebauten Track mühelos über seine siebenminütige Laufzeit trägt. Leopold Hutter

Two Shell – Touchpad (Mainframe Audio)

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Auf ihrem Soundcloud-Profilbild präsentiert sich das Londoner Duo Two Shell als Bilderbuch-Raver mit spacy Schutzbrille und dem 2020er-Update der Party-Gasmaske (du darfst auch Mund-Nasen-Schutz dazu sagen) – Camouflage-Hoodie inklusive. Im Infotext zur Platte, der auch auf den einschlägigen Shop-Plattformen zitiert wird, ist die Rede von „energischen Tracks” und „britischem Techno”. Hört man die Stücke dann aber, offenbaren sie eine ganz andere Ausstrahlung. Ok, Energie steckt schon auch in ihnen, aber keine vordergründige, keine Auf-die-Zwölf-Attitüde. Dafür zeichnet alle Tracks eine im Club-Kontext nicht allzu oft vorhandene Vielschichtigkeit aus: Der Titelsong groovt gerade, ist schnell und gleichzeitig leicht mit einer sympathischen Albernheits-Komponente, mehr Pop als Techno, aber auch wieder Lichtjahre entfernt von aktuellen Song-Formaten und Mainstream-Belanglosigkeit. Die drei folgenden Stücke basieren allesamt auf Breakbeats und transportieren gebrochene Stimmungen zwischen schattigem Downbeat mit Trip-Hop-Genen, durchgeknallt-kunterbuntem Drum’n’Space und 80er-Eno/Byrne-Referenzen. Von Hörer*innen, die blind dem Infotext vertrauen, dürfte die EP hin und wieder als Mogelpackung empfunden werden. Musikalisch offeneren Zeitgenoss*innen entpuppt sie sich aber als hocherfreuliches Überraschungsei. Mathias Schaffhäuser

Diverse – Workshop 28 (Workshop)

Workshop 28-min

Tolle neue House-und-mehr-Mini-Compilation auf Workshop. Nur japanische Produzent*innen, die nichts weiter tun, als die Grenzen des Genres neu auszuleuchten. Machte Workshop zwar schon immer. Diesmal aber wieder in Bestform. Es geht los mit dem episch meditativen „Strip Down To E”, ein Tune des in Berlin lebenden Produzenten Yone-Ko. Ein von Piano-Loops getragenes, mit einer simpel klopfenden Kickdrum versehenes Stück, das auch gut in den Katalog von DJ Sprinkles passen würde. Es folgt „Grand Street Piano”, ein faszinierend nervöser und trotzdem irgendwie zurückhaltender House-Not-House-Track der in New York lebenden Japanerin Kiki Kudo, den sie ohne viel Überlegung und Produktionskenntnis einfach mal so auf den elektronischen Maschinen ihres Partners Brian Close – eine Hälfte des US-amerikanischen Duos Georgia – kreiert hat. Ihr in Tokyo lebender Landsmann Iku Sakan kommt dann mit „Cerebral Repertoire” zum Zug. Acht Minuten tiefe Meditation, die ohne großes Bassvolumen auskommt und wie eine fröhliche Gamelan-Version eines unbekannten Chain-Reaction-Stücks klingt. Journey Music im Geiste von Laraaji. Nichts für den Dancefloor, dafür schön erhellend bei jeder Form musikalisch getragener Entspannung. Den letzten Track steuert YPY aus Osaka bei. Zackiger Leftfield-House, in dem die Melodien nie voll auslaufen und die Kickdrum irgendwie mit sich selbst spielt, ohne die Leinen los zu lassen. Dazu eine melancholische Synthline mit minimaler Veränderung in der Tonhöhe, dank der alles mehr den Kopf als das Tanzbein anspricht. Das tut Workshop 28 ohnehin weitestgehend. Und da derzeit leider fast jeder Dancefloor stillsteht, kommt diese EP genau zur richtigen Zeit. Mental-Rave für mentale Ausnahmezustände! Michael Leuffen

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