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August 2020: Album des Monats

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Ant Orange – You’re Super in Diagonal (Karaoke Kalk)

In 13 Jahren zwei Alben und sieben EPs herausgebracht zu haben und bis heute anonym in Erscheinung zu treten, ist im Dance-Wesen doch einigermaßen ungewöhnlich. Meistens neigen die Kolleg*innen der Clubmusik zu höherer Produktivität, auch ist es selten, dass jemand nach so vielen Jahren seinen bürgerlichen Namen immer noch verborgen halten kann.

Diese Eigenschaften tragen in Kombination alle zum Mythos Ant Orange bei. Hinzu kommt, dass das schmale Œuvre des Unbekannten, von dem man immerhin weiß, dass er in Berlin lebt, Brite ist und als DJ arbeitet, stets Grund zur Freude geboten hat. Seine Vinyl-Diskographie beginnt dabei 2015 mit der selbstbetitelten EP für das Label Karaoke Kalk. Zuvor erschien schon 2007 sein Debütalbum auf CD, ebenfalls selbstbetitelt, drei frühe EPs brachte er digital heraus.

„House spielt diesmal eine deutlich geringere Rolle als zuvor, Ant Orange hat sich mehr den verschachtelten Synkopen zugewandt.”

Sehr entspannte House- und Hip-Hop-Nummern mit niedrigen Drehzahlen und gelegentlichen Jazz-Anleihen waren es vor allem, die Ant Orange für Karaoke Kalk zwischen 2015 und 2018 beigesteuert hat. Auch mit seinem zweiten Album You’re Super in Diagonal bleibt er weiter dem Label treu, das so unterschiedliche Künstler wie Hauschka, Senking oder The National Jazz Trio of Scotland hervorgebracht hat. Und mit seinem Ansatz, der das Ausgeruhte dem Hektischen vorzieht, das weniger Erwartbare gegenüber der Routine pflegt, passt er dort sehr gut hin.

House spielt diesmal eine deutlich geringere Rolle als zuvor. Zwar gibt es mit „We’ll Call You” einen Beitrag mit silbrigen Akkord-Flächen und quirligem Bass über geradem Vierer-Beat, dessen angeschrägt sprudelnde Hintergrundgeräusche zunehmend nach vorn gemischt werden, ansonsten hat sich Ant Orange jedoch mehr den verschachtelten Synkopen zugewandt.

Bassmusik ist die Folie für fast die gesamte Platte, hier und da lassen die Ergebnisse mitunter an Hip-Hop-Forschung im abstrakten Breakbeat-Raum denken. Ant Orange bleibt seinen bisherigen Produktionen insofern treu, dass er die vertrackten Rhythmen so gestaltet, dass sie nie in nervöse Hektik übergehen. Wo auf früheren Platten ein Jazzrhythmus für manche Kante sorgte, ist es diesmal der Drumcomputer, dessen Hi-Hats ein Flirren erzeugen, das in immer polyrhythmischere Strukturen überführt wird, ohne dass Ant Orange das Gefühl von Panik vermitteln würde. Fluchtreflexe aktiviert er mit seiner Herangehensweise keine. Die gesamte Angelegenheit hat etwas von einer Entwarnung auf Bass-Fundament.

„Was You’re Super in Diagonal ganz gewiss vollbringt, ist, der Bassmusik einen aufregend gelassenen Dreh zu geben, einen leicht exzentrischen zudem.”

Entspannte Nervosität herrscht sogar in der aufgekratztesten Nummer „All In”. Spannung entsteht darin durch das Sample „And we goin’ out in the clubs” mit seinen rasend schnell gesprochenen Worten, die phasenverschoben über dem vergleichsweise ruhigen Bass-Beat-Konstrukt irrlichtern. Ein bisschen wirkt es, als wolle Ant Orange mit diesem Kontrast einen Kommentar zur Clubmusik nach der Club-Ära liefern. Oder zumindest, man möchte ja nichts vorschnell herbeireden, ein Nachdenken in Rhythmus und Klang darüber, was aus dem Nachtleben wird unter verschärften Hygieneregeln und Luft, die unter generalisiertem Aerosol-Verdacht steht.

Was You’re Super in Diagonal ganz gewiss vollbringt, ist, der Bassmusik einen aufregend gelassenen Dreh zu geben, einen leicht exzentrischen zudem. Für beides sind Briten bekanntlich Experten. Die wortwörtlich schräge Poesie des Albumtitels fasst das wunderbar bündig zusammen. Und einen Raum, in dem sich dazu wird tanzen lassen, gibt es bald hoffentlich auch wieder.

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