Carla dal Forno – So Much Better (Kallista Records)
Carla dal Fornos neue Single auf ihrem eigenen Label Kallista Records unterscheidet sich zwar nicht im Stil, aber in der Stimmung von ihren früheren Releases. Die wie gewohnt mit Hall versehene Stimme erklingt nach wie vor von weit her über ein poppig angelegtes Arrangement, dal Forno mutet dabei wie eine zarte und verschwommene Nico an. Im Titelsong besingt sie eine vergangene Beziehung und ist dabei sehr um emotionale Distanz bemüht. So klingt „So Much Better”, wie auch das rein instrumentale, stoisch voranschreitende „Fever Walk”, ernster als erwartet. Dal Forno gelingt das Kunststück, sich nicht in Details zu verlieren und leicht zugänglich zu sein, ohne dabei in der Produktion nachlässig zu werden. So kann man sich von dem angenehm verwaschenen Sound treiben lassen und sich selbst auch ein bisschen leichter fühlen. Lucas Hösel
Dax J – Chaos Come To Conquer (Monnom Black)
Bestimmt kannst du dich noch daran erinnern. Ein Freund eines Freundes lud dich vor einigen Jahren ein zu dieser abgefahrenen Off-Location-Veranstaltung, weit draußen im tristen Industriegelände der Stadt. Schon von weitem schlugen dir wabernde Bässe entgegen. Je näher du kamst, umso klarer wurde die Musik. Raue Kickdrums im 4/4-Takt, vorwärts treibende Hi-Hats und der wohlbekannte, eigentlich alterslose Sound der legendären Roland 303. Dazu gesellten sich hier und da ekstatische, jedoch undefinierbare Vocals. Der nächste Track ging nahtlos einher und barbarische Basssequenzen dominierten den Moment. Kein Ende in Sicht. Ruhepausen gab es nicht. Wild tanzende Schemen, wo du auch hinsahst, bald darauf vom dichten Rauch der Nebelmaschine verschluckt. Eine Steigerung war eigentlich nicht mehr möglich, aber irgendwie knallte der nächste Track nur noch mehr. Nie endende Peak-Time-Madness. Der Berliner Dax J schafft es mit Chaos Come To Conquer auf seinem eigenen Imprint Monnom Black genau solche Erinnerungen zu reproduzieren. Man weiß plötzlich wieder, was einen ursprünglich an Techno fasziniert hat. Wer auf pure Eskalation bei 140 BPM steht, sollte diese Veröffentlichung definitiv mal genauer unter die Lupe nehmen. Andreas Cevatli
Girls of the Internet – Humble/U Changed (Drab Queen)
Mit Soul und Groove in Richtung Dancefloor: Das fünfte Release von Girls of the Internet blickt nostalgisch in die Zukunft. Der Opener „Humble“ vereint viele Elemente des 90er-UK-Garage. 2-Step-Rhytmus und groovige Bassline zwingen zum Mitwippen. Dazu eine softe, fast romantische Synth-Melodie gepaart mit chicagoesken Vocals: Die Nummer ist rund – keine Ecken, keine Kanten. Der Titeltrack “U Changed” schaut dagegen interessant in Richtung Zukunft. Das LoFi-Detroit-Fundament mit catchiger Bassline wird um herzzerreißenden R’n‘B-Gesang ergänzt – ein Killer-Hit. Insgesamt eine Platte für alle, die auf souligen, preschenden House mit Tanzgarantie stehen. Shahin Essam
Truncate – TRNCT_7_2 (Truncate)
David Flores aus L.A. ist bekannt für seinen heruntergestrippten Techno-Entwurf, der ohne viel Geschwafel auf den Punkt kommt. Seine Anfänge als DJ und Gabber-Producer liegen bereits in den Neunzigern, erst seit 2011 ist er aber unter seinem Truncate-Alias mit ebenjener Agenda bekannt und unterwegs. Nun gibt es zum alljährlichen Record Store Day neues Material, Truncate-Style: Unbetitelt, ohne viel Schnick-Schnack, zwei Seiten mit jeweils einem Track. Das erste Stück ist ein etwas langsamerer, pieksiger, in sich verzahnter Acid-Brummer, der sich aus seinen Claps speist. Das andere Proto-Acid mit Proto Acid-Bassline. Kick und Hi-Hats dazu – fertig. Mehr braucht es manchmal gar nicht. Oder vielleicht doch? Wahrscheinlich eine Frage des Blickwinkels. Nicht jeder Produzent sollte sich zwangsläufig Innovation und den Bruch mit dem Bekannten als Ziel setzen. Andererseits läuft man nach knapp einem Jahrzehnt auch Gefahr, als one-note-artist wahrgenommen zu werden. Auch wenn die Tracks an sich funktionieren, man als Hörer aber lediglich denkt: „Joa, kann man machen“. Benjamin Kaufman
upsammy – Wild Chamber (Nous’klaer Audio)
Sjoerd Obermans Nous’klaer Audio gehört zweifellos zu den spannendsten Labels zurzeit. Nachdem die jungen, niederländischen Produzenten Oceanic und Konduku das Label mit ihren frischen, atmosphärischen Sounds noch bekannter machten, kehrt nun auch upsammy mit einem Minialbum dorthin zurück. Und auf Wild Chamber bietet die den Newcomer*innenstiefeln gerade entwachsene Thessa Torsing noch tiefere, intimere Exkursionen in ihr künstlerisches Schaffen. In upsammys wilder Kammer verbirgt sich ein persönlicher Spielplatz, der trippy-dynamische Soundtexturen einerseits und poetisch-ambient klingende Melodien andererseits rutschen und gemeinsam wippen lässt. Mehrere Impulse, die sich zu unkonventioneller Clubmusik verbinden, treffen in unterschiedlicher Intensität aufeinander. Dabei gewährt auf diesem Minialbum „Between The Stone“ vielleicht den ehrlichsten und persönlichsten Einblick. Franziska Finkenstein