Foto: Presse (DJ Spinna), Interview: Lakuti

DJ Spinna als Legende zu bezeichnen, käme einem Understatement gleich. In mehr als zwei Jahrzehnten als Produzent und vielen mehr als DJ ist der New Yorker Selector seinen Wurzeln treu geblieben, hat Hip Hop mit House-Flavour aufgelockert und umgekehrt. Nachdem sie ihn für eine ihrer Finest Friday-Nächte in der Panorama Bar am 30. März 2018 im Berghain eingeladen hat, die Lakuti gemeinsam mit Tama Sumo organisiert, hat sich die Uzuri-Betreiberin mit DJ Spinna über seine Jugend in Brooklyn, der Magie eines Stevie Wonders und seine Hip Hop-Wurzeln unterhalten.

 


 

Wie war das, damals in Brooklyn aufzuwachsen?
In Brooklyn aufzuwachsen war in den siebziger und achtziger Jahren sehr abenteuerlich. Das war eine Ära vieler aufblühender Szenen und multi-kultureller Erlebnisse, was keinen Platz für Langeweile ließ. Auf der einen Seite war es aufgrund der hohen Kriminalitätsrate schon gefährlich, aber andererseits waren die Leute in der Nachbarschaft viel verbundener. Spaßhaben ließ sich auch auf der Veranda deines Hauses, oder den Stufen vor deinem Wohnhaus zusammen mit deinen Freunden. Oder sogar beim gemeinsamen Spielen auf der Straße, was heutzutage kaum noch zu sehen ist. Die Älteren aus dem Block haben ihr Auge auf die Kids geworfen und es gab viel mehr Codes für Respekt und Ehre unter den Jugendlichen, anders als heute.

Wie bist du zur Musik gemacht? War deine Familie musikalisch?
Ich kam sehr früh zur Musik. Sobald ich laufen und sprechen konnte, spielte ich schon Musik. Ich würde nicht sagen, dass meine Familie besonders musikalisch war, aber mein Vater war ein bescheidener Musikliebhaber von vielen Genres. Ich habe seine Platte vermutlich mehr gespielt als er, alles auf meinem Spielzeugplattenspieler, den ich als Kind besaß. Ich hatte einen Onkel, der ein noch größerer Sammler war und ich vertiefte mich ins Musikwissen, bis ich mit neun Jahren anfing, selbst Platten zu kaufen. Eine der Sachen, die mir Jahr um Jahr am meisten Spaß machte, war es, auf Familienfesten und Geburtstagsfeiern Musik zu spielen. Das war lange bevor ich überhaupt wusste, was ein DJ ist.

Lass uns über Stevie Wonder reden. Was an ihm hat dich dazu gebracht, seiner Musik so viel deiner Kreativität zu widmen? Welche andere Musiker haben deinen Zugang zur Musik beeinflusst?
Was mich anfangs an Stevies Musik so reizte, waren seine Produktionen und sein musikalisches Können. Er war sehr weit vorn was die Verwendung von Elektronik anging und produzierte Soul-Musik, die eine jüngere Generation ansprach. In den siebziger und achtziger Jahren brachte er den Soul voran. Als Kind bewunderte ich ihn als blinden Künstler und fragte mich, wie er das alles ohne Sehvermögen nur hinbekäme. Je älter ich wurde, desto mehr lernte ich seine Botschaften über Spiritualität, Zusammenhalt und Liebe zu schätzen. Außerdem ist seine Stimme pures Gold. Wenn er singt, kommt das von einem tiefen und verletzlichen Punkt in seiner Seele, das ist einfach zu spüren. Andere Künstler, die mich inspirierten, waren James Brown, Prince, Michael Jackson, Herbie Hancock, Roy Ayers, Kraftwerk und von den etwas moderneren Masters At Work, Larry Heard, Blaze und Boyd Rice – rest in peace!

Du hast starke Hip Hop-Wurzeln. Wie hast du den Sprung vom Hip Hop-Produzenten zu anderen Genres geschafft?
Ich habe mich nie als reinen Hip Hop-DJ betrachtet. Das mag zwar angesichts meiner frühen Hip Hop-Produktionen so gewirkt haben, die ab Mitte der Neunziger weltweit ziemlichen Anklang gefunden haben, aber ich habe schon immer jede Form von Musik geliebt, besonders House-Musik – von Tag Eins an. Wenn du in New York aufgewachsen bist, musstest du alles spielen, zumindest als ich mir damals einen Namen machte. Als Hip Hop in den späten neunziger Jahren immer kommerzieller wurde, habe ich meinen Fokus als Produzent auf andere Genres verschoben. Es wurde mir einfach zu langweilig und die New Yorker Hip Hop-Szene zerstreute sich. Die Verkäufe von Indie-Hip Hop brachen ab dem Jahr 2000 ziemlich ein und in anderen Genres wie Jazz, Broken Beat, Future Soul und House öffneten sich für mich immer mehr Türen, also habe ich die Gelegenheit genutzt. Weil ich viel durchs UK und Europa tourte, bekam ich ein breiteres Verständnis davon, wie gute Musik auf der ganzen Welt ankam und begriff, dass mein musikalischer Werdegang mich weiter führen würde als nur zum Hip Hop. Dieser Teil von mir wird niemals sterben. Schlussendlich liebe ich Musik viel zu sehr, um mein Dasein als One-Trick-Pony zu fristen. Es gibt so viele Menschen, die so viel unterschiedliche Musik lieben. Ich füttere sie lediglich damit.

Was würdest du jungen und aufstrebenden Produzenten und DJs raten, die die Dinge auf ein tieferes und bedeutungsvolleres Level heben wollen, wo es nicht allein ums Geldmachen geht?
Wenn du eine Musikkarriere anstrebst, musst du Musik lieben. Das kann kein Teilzeitjob sein. Das bedeutet, dass du das Handwerk lernen, Stunden abreißen und Musik weit in die Welt hinaus tragen musst, insbesondere heute, wo die Aufmerksamkeitsspannen so kurz sind. Relevant zu bleiben ist essentiell und das wird sich eines Tages lohnen. Wenn du ein junger und aufstrebender DJ bist, lern von den Großen des Fachs. Angesichts der breiten Verfügbarkeit von so viel Wissen ist jeder ein Besserwisser. Es gibt einen großen Unterschied zwischen der bloßen Informationsbeschaffung über die DJs der Vergangenheit und wichtige Platten einerseits und andererseits tatsächlich rauszugehen und Legenden bei der Arbeit zu erleben. Noch heute bin ich genauso aufgeregt wie damals, wenn ich meinen DJ-Helden zuschauen kann. Es erinnert mich wieder und wieder daran, warum ich überhaupt mit all dem hier angefangen haben. Die Belohnung liegt darin, dass ich mittlerweile Seite an Seite mit all diesen Legenden spiele und sie meine Freunde nennen darf, doch auch das nehme ich nicht für gegeben hin! Es ist ein Lernprozess und ein guter Schüler zu bleiben hält dich wach. Zuletzt: Bleib bescheiden. Demut ist in diesem Geschäft noch etwas wert.

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