Im besten Fall sieht das alles natürlich nie nach Arbeit aus, wie hier. Bei keinemusik treffen die positiven Vibes der Tracks auf Monjas anspruchsvolle und trotzdem locker und improvisiert wirkende Artworks. Echte Freundschaft manifestiert sich im gesamten Output und Auftreten der Crew. Nach bisher 37 keinemusik-Releases, immer vier bis fünf pro Jahr und ausschließlich von Labelmitgliedern, bahnt sich nun eine neue Ära für die Berliner an: Mit der Doppelgänger 01 erschien gerade zum ersten Mal eine reine Remix-EP, auf der Tracks von Simple Symmetry, Bedouin und Redshape bearbeitet werden.
Außerdem kommt Mitte November ein keinemusik-Doppelalbum, das die Idee der gemeinsamen Workparty-EPs weiterdenkt: Viele der Tracks entstanden in Gemeinschaftsproduktion und gehen bis auf ein paar Ausnahmen in Tempo und Stilistik zum ersten Mal auch einen deutlichen Schritt vom Dancefloor weg. Rampa produzierte etwa mit einer befreundeten Sängerin einen modernen R’n’B-Track, der an Kelela erinnert, und in zwei Electro-Funk-Tracks erkennt man auch die HipHop-Wurzeln der Crew. Genial daran ist, dass sich das Album You Are Safe trotzdem nahtlos in die keinemusik-Ästhetik einreiht. Die Synthie-Melodien wetzen dahin, die Drums rasseln und manche Tracks nehmen auch wieder gängiges Dancefloor-Tempo auf. Laut Rampa ist das Album allerdings zum Zeitpunkt unseres Interviews immer noch work in progress: „Es ist wie ein Topf, in den wir alles reingeworfen haben. Gut möglich, dass da noch drei oder vier Tracks ausgetauscht werden. Das machen wir gern in letzter Sekunde, wie auf einen Vokabeltest lernen.“ Adam ergänzt: „Aber der grobe rote Faden bleibt. Etwas Besseres könnte spontan natürlich immer noch dazukommen.“
Stream: Keinemusik (Rampa, Adam Port, &ME) – Guilt Trip
Immer wieder hört man, wie viele andere Musiker ständig an dem mit so viel Wichtigkeit aufgeladenen Debütalbum scheitern. Ein so im Fluss begriffenes Kollabo-Album ist da eine schlaue Art, sich vor eigenen, zu ernsten Großwerken zu drücken oder sie zumindest sachte vorzubereiten. Ein Künstleralbum steht bei allen Mitgliedern noch aus. „Als Startpunkt war es einfach gut, noch mehr an einem Strang zu ziehen“, findet Adam. „Es ist ja auch schön, dass man dann noch mehr miteinander touren kann, weil man das Gemeinschaftsprojekt zusammen promotet. Alles wird noch runder. Da bekomme ich fast Baby-Gefühle, wenn man dieses Ding so zusammen rauspresst.“ Gregor meint auch, dass es im Hinblick auf den Crew-Gedanken viel mehr Sinn ergab, den Fokus auf das Ganze zu legen, „als einen Einzelnen rauszupicken, der dann der auserwählte Album-Artist ist.“ In den kommenden vier Jahren würde das bestimmt auch niemand hinkriegen, lacht André. Adam und Gregor widersprechen. Beide hätten Bock auf ein Album.
Wenn es Mentalitätsunterschiede zwischen den ansonsten herrlich miteinander harmonierenden Crew-Mitgliedern gibt, dann hier: André alias &ME wirkt sehr fröhlich und unbekümmert, scheint zu Recht auf seinem Erfolg als Produzent zu schweben und den Auftrieb all der gelungenen DJ-Sets zu genießen – alles super, so wie es ist. Bei Adam und Gregor stehen die Dinge zwar genauso, doch sie neigen eher zum Grübeln und lassen durchblicken, dass sie eigene Pläne hegen. Andreas alias Reznik hält sich sowieso vornehm zurück – er habe im Gegensatz zu den anderen „viel zu lange versucht, einem ordentlichen Job nachzugehen“. Das Label und Auflegen sind zwar für ihn in den vergangenen Jahren immer mehr in den Mittelpunkt gerückt, aber es besteht noch Nachholbedarf: „Produktionsambitionen sind schon da, haben sich aber noch nicht manifestiert.“ Nur André gibt also freimütig zu, dass für ihn ein Album erst mal kein Thema sei. Da investiere ich lieber mehr Zeit in die Singles. Als gemeinsames Projekt war so ein Album angenehm, weil man sich austauschen konnte und Spaß hatte. Alleine würde das viel zu kopflastig werden.“
Ein gutes Stichwort. Die Musik, die Partys, das Miteinander und Drumherum, das alles läuft bei keinemusik nicht kopflastig, zumindest von außen betrachtet, aber eben auch nicht hirnlos. Man ist unterwegs auf einem guten Mittelweg zwischen Party-Firma und künstlerischer Entfaltung. Ein schlüssiges Gesamtpaket ist auch für keinemusik wichtig, auch hier verschmilzt dank Monja Kunst mit Musik, auch hier sind Labelpartys und gemeinsames Auflegen enorm wichtig. Hier sitzt eine Crew mit klarer Agenda, immer noch mehr Clique als Label. Die keinemusik-Crew hat redliche Ambitionen: gute Tracks machen, besser werden, für gute Partys sorgen – fürs Erste. Und mit dem Album zeigen die Jungs auch, dass sie musikalisch mehr wollen und drauf haben, als nur immer neues Futter für die Mega-Open-Airs zu liefern.