Fotos: Conrad Bauer
Zuerst erschienen in Groove 169 (November/Dezember 2017).

Wer seine Rechnung bisher ohne das Berliner Label um Rampa, &ME und Adam Port gemacht hat, sollte das bald nachholen. Besonders mit ihren Eigenproduktionen, deren Afrohouse-Elemente und zielsicher eingesetzte Synth-Melodien mittlerweile auf jeder größeren Tanzfläche der Welt das Euphorie-Level heben, setzen die keinemusik-Betreiber eigene Akzente. Jetzt erscheint ein erstes gemeinsames Album – eine unverkopfte, aber dennoch ambitionierte Angelegenheit.

Neue T-Shirts, frisch bedruckte Feuerzeuge, Sticker mit dem schwungvoll hingekritzelten Label-Schriftzug – die Merchandise-Ecke in den keinemusik-Räumlichkeiten ist gut bestückt. Solche Kleinigkeiten scheinen hier noch Herzensangelegenheit statt reine Einnahmequelle zu sein. Adam Port, einer der Gründer des Labels, gibt eine kleine Führung: vorbei an einer Sitzecke mit Nintendo-Konsole auf dem Flur, hinein in ein geräumiges, gut ausgerüstetes Studio und zurück in den großen Raum mit Schreibtischen, Plattenregalen und DJ-Ecke. Alles recht professionell hier in der keinemusik-Zentrale in Neukölln, und trotzdem fühlt man sich wie in einem Baumhaus oder Clubheim, das sich die Jungs gebaut haben. Ein gutes Gefühl. Auch der Rest der Crew ist anwesend, das sind neben Adam Rampa, &ME, Reznik und Monja. Letztere ist für alles Visuelle bei keinemusik verantwortlich und hat vor allem mit ihren farbenfrohen Cover-Malereien dem Label eine unverwechselbare Optik verpasst.

Gründungsmitglied David Mayer ist mittlerweile nicht mehr im Team, der gemeinsame Nenner war irgendwann weg. „Bei uns funktioniert alles wie in einer Beziehung“, sagt Adam. „Jetzt sind wir eben getrennt, aber in beiderseitigem Einverständnis.“ Gerade in den Anfangsjahren des 2009 gegründeten Labels war es Mayer, der am konstantesten gute Tracks auf keinemusik veröffentlichte. Damals war man allerdings noch weit entfernt von der heutigen internationalen Aufmerksamkeit. Die stellte sich erst in den vergangenen Jahren ein, nicht zuletzt durch die vielen, gar nicht so kleinen Hits von Adam, Rampa und vor allem &ME. Sie gehören längst zum Standardrepertoire von Âme, Dixon, Solomun oder Sven Väth. Massenwirksamere Promo kann man in dieser Szene nicht bekommen. Dass keinemusik für explizite Big-Room-Produktionen steht, kann man aber kaum sagen. Die ganze Crew hat vielmehr ein erstaunliches Gespür dafür entwickelt, wie man mit anständigen Mitteln und kleinen Kniffen auch die größten Tanzflächen ansprechen kann. Wie geht das, denkt man beim Produzieren an solche Situationen? Rampa, mit echtem Namen Gregor Sütterlin, schüttelt sich: „Das ist der ekligste Gedanke, den man beim Produzieren haben kann!“ Weil jeder auch auflegt (Reznik und Rampa etwas weniger als Adam und André Boadu alias &ME), produziert man nichtsdestotrotz immer auch aus DJ-Perspektive, verwerflich wäre das also keineswegs.

Man kann es nicht wirklich an einer einzelnen Platte festmachen, aber ungefähr seit 2013, als unter anderem die starke Workparty Four-EP mit Tracks aller Mitglieder erschien, geht es für keinemusik steil bergauf. Kein Hype, sondern eine sich immer weiter steigernde Qualität und damit Bekanntheit. Was einst wie eine Berliner Tech-House-Klitsche unter vielen anderen wirkte – in den Anfangsjahren klangen keinemusik-Releases auch oft noch durchschnittlich –, gibt heute durchaus international mit den Ton an. „Von innen fühlt sich das natürlich ganz anders an, eigentlich noch wie am Anfang“, sagt Gregor. „Aber es kam schon irgendwann an – die Angebote, Gagen, das Feedback. Leute, die wir schätzen, spielen unsere Tracks. Mittlerweile hat man auch mehr Peilung, wie das alles geht. Damals hatten wir keine Ahnung. ‚Labelcode? Weiß auch nicht, lass einfach einen erfinden!‘“ Adam wird konkreter: „Mein Gefühl ist, dass wir den Fuß so ein bisschen in der Tür haben. Nicht dass wir sie aufgetreten hätten, aber wir können jetzt durch den Spalt schauen. Man wird mehr wahrgenommen, auch als Team. Der Sound, den wir für uns weiterentwickelt haben, kommt natürlich gerade auch ganz gut an, dadurch kriegt man die nötige Reichweite. Aber einen Plan hatten wir nie. Es wabbelt eben so vor sich hin, einer nach dem anderen macht eine Platte. Das sind jahrelange Prozesse dadurch, dass jeder nur eine Platte im Jahr hat. Glück gehört natürlich auch dazu.“ Grafikerin Monja fügt das an, was viele immer so gerne vergessen: „Und Fleiß. Man arbeitet ja auch hart.“

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