Du warst jahrelang Resident-DJ im Moskauer Club Arma17. Wie wichtig war der Club für deine Entwicklung?
Arma17 war mein Zuhause. Die Betreiber haben damals zu mir gesagt: „Nastia, glaube uns, das ist der Ort, an dem du machen kannst, was du willst.“ Sie haben mich dazu ermutigt, wirklich in die Tiefe zu gehen. Aber der Club musste vor drei Jahren schließen, weil das Publikum zu freigeistig für die russischen Behörden war. Heute geht es mir noch im Closer in Kiew ähnlich, in dem ich vier- oder fünfmal im Jahr spiele.
Closer ist der Club, in dem auch das Strichka stattfindet, das jährliche von dir mitveranstaltete Festival. Als ich in diesem Jahr dort war, ist mir aufgefallen wie musikalisch offen, rücksichtsvoll und freundlich das Publikum war und was für ein hohes Standing die lokalen Resident-DJs genießen. Wie ist diese Szene in Kiew entstanden?
Um ehrlich zu sein, habe ich vor fünf Jahren nur von so etwas träumen können. Es hat alles mit dem Closer-Team zu tun. Die Geschichte ähnelt der des Arma17, nur in der ukrainischen Version: Eine Gruppe guter Freunde entscheidet sich dazu, eine Party zu machen. Die Partys laufen gut, also suchen sie nach einem Ort, an dem sie einen eigenen Club machen können. Sie finden diesen Ort, laden Freunde ein dort aufzulegen, die wiederum ihre Freunde einladen. So entsteht nach und nach eine kleine Community. Die Betreiber sind zwar offen neuen Leuten gegenüber, aber versuchen zum Beispiel durch Fragen nach dem Line up zu gewährleisten, dass auch die richtigen Leute drinnen sind. Es ist organisch gewachsen, weil sie auf Qualität setzen. Sie promoten ihre Partys sehr gut und informieren über die DJs die auflegen. Und die Leute lesen sich das auch genau durch, die neue Generation in der Ukraine ist sehr neugierig. Was noch wichtig ist: Alle Promoter in der Ukraine sprechen sich miteinander ab. Wenn wir zum Beispiel in einer Nacht zwei große Partys von unterschiedlichen Veranstaltern haben, arbeiten diese oft zusammen und es gibt ein Armbändchen, mit dem man zu beiden Partys reinkommt.
Wie sicher ist die Szene vor behördlicher Repression? Das Closer musste ja bereits gerichtlich gegen willkürliche Razzien vorgehen.
Ich denke nicht, dass diese Razzien tatsächlich eine behördlich gesteuerte Aktion war. In der Ukraine sind die Polizei und die Behörden loyaler als in Russland zum Beispiel. Im Fall Closer gab es einen Leiter des Drogendezernats, der sich darüber selbst profilieren wollte. Für Leute außerhalb der Szene ist das Closer ein Ort, an dem es nur um Drogen geht – was natürlich nicht stimmt. Aber so war es für ihn sehr einfach sich als strenger Gesetzeshüter zu positionieren, auch wenn es letztendlich nur billiger Populismus war. Und seitdem er nicht mehr in seiner Position arbeitet, gibt es auch keine Probleme mehr. Es hängt also immer von einzelnen ab, es ist nicht so, dass die ganze Regierung gegen uns ist. Im Gegenteil, es gibt kaum Gesetze die uns einschränken. Wenn wir den Club am Samstagnachmittag öffnen, können wir, wenn wir wollen, bis Montagmittag durchfeiern. Das interessiert niemanden.
Wie empfindest du die Stimmung seit dem Beginn des kriegerischen Konflikts mit Russland vor drei Jahren?
Ganz praktisch gesehen gibt es Probleme, wenn russische Clubber auf eine Party in die Ukraine kommen wollen, weil man dafür jetzt eine offizielle Einladung braucht oder ein Schreiben einer Firma, die die Verantwortung für den Besuch übernimmt. Es ist sehr kompliziert. Wenn man keine Einladung vorweisen kann, wird man bei der Passkontrolle wieder nach Hause geschickt. Ohne den Konflikt würden also viel mehr russische Freunde auf unsere Partys kommen, weil es schon lange einen regen Austausch zwischen den Szenen gibt. Generell ist die Party-Community nicht so sehr an Politik interessiert. Aber natürlich bin ich und sehr viele Leute vom Closer während des Euromaidan auf die Straße gegangen. Wenn es darauf ankommt, kann man auch auf die Partyleute zählen. Momentan haben wir uns einfach an den Zustand gewöhnt, also wird wieder gefeiert und sich weniger für Politik eingesetzt.