Ähnlich beeindruckend wie das Bassiani ist das Khidi, das erst 2016 eröffnet wurde. Der Technoclub, der etwa 1000 Besucher fasst, befindet sich in einem riesigen Pfeiler, der zu einer Brücke gehört, die in Sowjetzeiten gebaut wurde. Auf drei Floors kann hier gefeiert werden. Die mächtige Funktion-One-Anlage wurde von einem Akustik-Ingenieur des Fusion-Festivals installiert, gegenüber dem DJ-Pult glüht mehrmals in der Nacht eine Lichtsonne auf, die an Installationen von Ólafur Elíasson erinnert. Gegründet wurde der Club von dem Schweden Johan Axander und seiner Frau Tamona, einer Bookerin.

Die DJ-Booth des Khidis

Ungewöhnlich ist nicht nur der Ort des Clubs, sondern auch Axanders Job: Hauptberuflich arbeitet er als örtlicher Koordinator der Beobachtermission der Europäischen Union. Auf einer steilen Betontreppe führt Axander zwei Stockwerke über den Mainfloor. Direkt über uns hören wir die Autos über die Vakhusthi-Bagrationi-Brücke fahren. Axander schaltet die Taschenlampe seines Smartphones an und leuchtet den etwa hundert Meter langen, niedrigen dunklen Trägertunnel der Flussbrücke entlang. „Mein Traum ist, in dem Pfeiler auf der anderen Seite der Brücke eine exzessive private Party zu veranstalten – eine Party, zu der man nur durch diesen düsteren Betonschlauch unterhalb der Autos gelangt“, sagt Johan Axander mit intensivem Blick, Klaus Kinski in seiner Rolle als Fitzcarraldo, der ein Opernhaus im Dschungel bauen will, nicht unähnlich.

„No hesitation, no obligation, sweet temptation, let’s just have a good time.“ Bei einem Spaziergang durch das abendliche Tiflis, entlang an Obstständen mit Quitten und Granatäpfeln, dringt aus einer Kellerbar auf einmal der vertraute Gesang aus Michael Mayers „Good DTimes“ auf den Bürgersteig. Das kann Zufall sein, ist es aber wohl eher nicht. Zumindest für viele der Technofans aus Tiflis, die schon länger dabei sind als das Bassiani, gehört der Kölner DJ zu einem Fixpunkt im georgischen Partykalender. Im Jahr 2010 starb der beliebte lokale DJ Gio Bakanidze bei einem Autounfall. Nach einer Podcastreihe von ihm hat sich Tiflis‘ einziger Plattenladen für Clubmusik, Vodkast, benannt und im Jahr nach seinem Tod richteten Freunde zu seinem Andenken erstmals das Non-Profit-Festival 4GB aus. Als ausländischer Gast wurde Michael Mayer eingeladen, der Lieblings-DJ von Bakanizde.

Auch das Khidi beeindruckt mit brutalistischer Architektur

Darauf angesprochen erinnert sich Mayer am Telefon: „Auf dem Weg zum Kölner Flughafen habe ich noch mal nachgeschaut, wo Georgien überhaupt liegt.“ Seitdem verbindet ihn eine besondere Beziehung mit der georgischen Szene. „Das war eines meiner tollsten Erlebnisse überhaupt“, so der Kompakt-Labelchef. „Die Leute waren so warmherzig, die Stimmung so enthusiastisch, die Pfade noch nicht ausgetreten – das traf mich völlig unerwartet.“ Mittlerweile kommen etwa 5000 Leute im Mai zum 4GB-Festival, jedes Mal mit Michael Mayer, nach dessen Konterfei dort sogar eine Gipsbüste modelliert wurde.

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