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GESTALTER Bringmann & Kopetzki

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Text: Thilo Schneider | Mehr Beiträge aus der Rubrik „Gestalter“ gibt es hier.
Erstmals erschienen in Groove 150 (September/Oktober 2014)

Seit zwanzig Jahren leuchten Jens Bringmann und Karl Valentin Kopetzki (kurz Vally genannt) in ihren Comics als fester Bestandteil der Groove sämtliche Abwegigkeiten der Rave-Kultur aus, mit Hotze haben sie 1997 ihre wohl bekannteste Figur geschaffen. In ihrer Einzelbild-Cartoon-Reihe Wild Life nehmen sie den kontinuierlichen Wahnsinn sämtlicher Techno-Lebensaspekte aufs Korn, ihre Illustrationen zieren Club-Flyer und T-Shirts. Damit sind sie Chronisten einer Szene, die sich ansonsten oft jeglicher (Nach-)Erzählung verweigert.

 

Wo geht’s zur nächsten Party? Stehen wir auch auf der Gästeliste? Und warum zur Hölle fliegen andauernd rosa Elefanten durch meinen Kopf? Es sind diese universellen Fragen, die jeder kennt, der sich zumindest für eine Zeitlang durch den Feierkosmos treiben lässt, und die von Jens und Vally in immer neuen Variationen durchdekliniert werden. Das Künstlerduo arbeitet seit beachtlichen 25 Jahren zusammen, nachdem sie in einer Partynacht festgestellt haben, dass sie beide gerne zeichnen – und eine gewisse anarchistische Humorebene teilen. Ihre ersten Beiträge im Groove-Magazin waren illustrierte Insider-Jokes: kolportierte Geschichten aus den blühenden Rave-Anfangsjahren, verpeilte After-Hour-Sprüche und DJ-Größenwahn wurden von den beiden zugespitzt auf den Punkt gebracht. Daran hat sich bis heute wenig verändert, auch wenn die Zeichnungen raffinierter, die Storylines komplexer und die behandelten Themen sich dem jeweiligen Diskurs der Zeit angepasst haben. Als Mitinitiatoren der Kasseler Techno-Institution Stammheim waren sie jahrelang mittendrin im illustren Geschehen, ihre Comicfigur „Ravelinde“ das Maskottchen bis zur Schließung des Clubs 2002. Noch heute sind sie für die Flyer-Gestaltung des Clubs ARM (ebenfalls in Kassel) zuständig, die jeweiligen, überaus lesenswerten Programmtexte stammen aus Jens’ spitzer Feder.

 

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Flyer: Stammheim Explosives

 

Szenen einer Ehe

Nachdem Bringmann 2008 nach Berlin zog („Ich bin ja born and raised in Kassel und dachte: bevor die mich da nicht mehr in die Clubs reinlassen, düs’ ich jetzt lieber nochmal schnell los“), sortierten die beiden ihre Arbeitsweise neu. In Kassel saßen sie bisher Rücken an Rücken in einem kleinen Büro. Da es nie eine klassische Arbeitsteilung der selbsterklärten Autodidakten gab, haben beide immer alles gemacht: getextet, gemalt, gestaltet. Das hat dazu geführt, dass einer einen Strich macht und der andere sagt: Den hätte ich jetzt aber anders gemacht! Vally erklärt es so: „Zwei Künstler-Egos in einem Raum und dann wurde irgendwann jede Entscheidung diskutiert. Man kennt sich dann ja auch wie ein Ehepaar und genauso eskaliert es dann natürlich auch. Wir hatten schon Angst, dass sich das Ganze nach der räumlichen Trennung drastisch verändert. Aber prinzipiell geht das heute mit ständig angeschaltetem Skype super. Man holt sich sein Feedback in dem Moment in dem man es haben möchte und sagt dann: Ok, jetzt zeig ich mal und möchte in dem Moment auch eine Meinung haben. Und das ist eigentlich ein entspannterer Move, als wenn man ständig Rechner auf Rechner zusammen sitzt.“

 

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Skizze: Hotze

 

Wie der Bass zum Bild wird

Aber wie entsteht so ein Comic? Thematisch haben sie am Ende ihres letzten, insgesamt dritten Hotze-Buchs We Are Family einen Haufen roter Fäden ausgerollt. Der gemeinsam mit seinen durchgeknallten Freundeskreis betriebene Club Pussy Galore ist eingestürzt, Hotze als DJ plötzlich erfolgreich und international gefragt. Themengebiete, die man nicht zwangsläufig in jeder Ausgabe, aber doch kontinuierlich bespielen kann. Ansonsten läuft es über klassisches Brainstorming. Es muss, weil es in diesem Magazin erscheint, einen Groove-relevanten Bezug haben. Wenn sie im vergangenen Monat zum Beispiel Auflege-Techniken thematisiert haben, können sie dieses Mal eventuell wieder in privatere WG-Themen gehen. Früher haben sie von Fall zu Fall entschieden, worauf sie Lust haben, momentan steht eher der Gesamtgeschichts-Flow im Fokus. Meist hat in diesem frühen Stadium die Idee am meisten Chance genommen zu werden, in der bereits ein Lacher ersichtlich ist, das kann auch nur eine einzelne Szene sein. Darum herum entwickeln sie dann einen Kontext, in dem diese sinnvoll eingebettet ist – das muss nicht zwangsläufig die Endszene sein. Wenn die Geschichte steht, wird in enger Abstimmung miteinander geskribbelt, das heißt, dass erst einmal grobe Anordnungsskizzen gezeichnet werden. Danach geht es – mittels Photoshop – ans eigentliche Zeichnen und anschließende Kolorieren. Für eine Seite Hotze sind beide zirka eine Woche voll beschäftigt, wie sie selbst sagen: „Nicht gerade unser rentabelstes Projekt!“ Da sie nur eine Seite zur Verfügung haben, packen sie 26 bis 30 Bilder drauf, um die Geschichte so zu erzählen, wie sie es mit all ihren Kunstpausen gerne tun. Normalerweise haben Comics im Schnitt lediglich acht Bilder auf einer Seite, eine undenkbar luxuriöse Situation für die beiden.

 

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Hotze

 

Ende des Jahres bekommen sie die Rechte an ihren insgesamt sechs Büchern zurück, nun überlegen sie, ob sie via Crowdfunding eine Gesamtausgabe inklusive neuer, langer Geschichte herausgeben wollen, in der sie zum ersten Mal wirklich freie künstlerische Hand haben. Vally erzählt: „Es wäre toll, sich mal richtig austoben und Bildern mal eine größere Gewichtung geben zu können, sich nicht immer der Handlung unterzuordnen. Da bleibt künstlerisch immer etwas auf der Strecke. Wenn wir aber mal ein halbes Jahr Zeit hätten, um ein Album zu machen, würde das ganz anders aussehen. Wo man dem Bild, in dem Hotze die Regler hochreißt und die Party losgeht eine ganze Seite gönnt, man umblättert und ‘ne Gänsehaut bekommt, weil man es wirklich spüren kann.“ Jens: „Wenn das Bild einfach laut geworden ist, wie der Bass der in diesem Moment einsetzt!“

 

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Flyer: Stammheim Fiesta

 

Mut zum Abturn

Kopetzki ist inzwischen 44, Bringmann ein Jahr jünger. Natürlich gab es im Laufe der Jahre immer wieder Sinnkrisen: Wie lange wollen wir das noch machen? Haben wir nicht jeden Partywitz schon mindestens einmal gerissen? Es muss doch noch was anderes als Techno geben! Droht Hotze und seinen Freunden das gleiche Schicksal wie den Simpsons, die im Gegensatz zu ihren Erschaffern nie altern zu dürfen? Vally: „Wenn wir sie reell altern lassen würden, wären sie der ganzen Sache irgendwann entwachsen. Leute, die weggehen, sind ja in der Regel jünger und wir wollen auch nicht, dass das irgendwann so ‘ne Runde abgeturnter Oldies wird. Im Moment haben wir uns für ein Mittelding entschlossen, das heißt jetzt kommt auch mal ein Kind dazu. Und nach all den Jahren in der Szene darf man sich auch mal ‘ne Geschichte gönnen, wo man mit all dem auf Kriegsfuß steht. Wo man sich denkt: Was zur Hölle machen wir hier eigentlich die ganze Zeit? Wir sind ja im weiteren Sinne die Witzseite in der Groove und da fragen wir uns schon manchmal, ob wir auch mal einen Abturn setzen können. Da sind wir mutiger geworden.“ Jens fällt dazu lachend ein: „Letztes Jahr im Sommer habe ich irgendwann nach zwei Tagen feiern noch Sonntagnachmittags im Chalet gesessen. Gerade blubberte noch ein innerer Schwung nach oben und ich habe in Richtung Tanzfläche gefistpumpt. Dann hat sich ein sehr junger Mensch auf meinen Schoß fallen lassen und meinte völlig ironiefrei: Ich mag alte Leute!“ Eine großartige Szene, die man mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann in Comicform verewigt wiederfinden wird. Die besten Geschichten erzählt schließlich doch das Nachtleben selbst – für genügend Inhalt dürfte also auch in Zukunft glücklicherweise gesorgt sein.

 

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Loveparade (zum Vergrößern auf das Bild klicken!)

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