Zugegeben, das Wannabe-Genre „Future R&B“ ist vielleicht nicht der beste Begriff, um unter ihm eine Vielzahl an Platten zu subsumieren. Dennoch ist der Trend von Soul-infizierter Synthie-Musik, die sich Mitteln von TripHop über Neunziger-Pop bis hin zu Dubstep bedient, mehr als auffällig. Ob FKA Twigs, Jessy Lanza, Autre Ne Veut oder Kid A – warum ist R&B wieder so in? Der britische Wahl-Wiener SOHN beantwortet die Frage mit seinem Debütalbum keineswegs innovativ, aber mit der Überschaubarkeit der verhandelten Gefühle: Liebe, vielleicht Sex und ganz sicher Sehnsucht und Verzweiflung. Die Stücke von Tremors sind nicht nur in der Nacht entstanden, sondern lassen sich mit teils erhabener, teils verspielter Elektronik in den andauernden Trend integrieren. Neben zahlreichen Bleeps und selbst Glitch-Sounds verfremdet SOHN seine Falsett-Stimme, um den weichen Texturen einen emphatischen Kontrapunkt zu liefern. In „The Wheel“ loopt er sie in Staccato-Manier, in „Tempest“ klingt das ganze beinahe wie Kanye West und bei dem wachsenden „Lessons“ wie die Kollaboration von Bon Iver und James Blake. Mit ruhigen Balladen wird das Treiben zwar hier und dort gestört (oder aufgelockert), dennoch gelingt SOHN eine sensible Pop-Platte, die 4ADs Gespür für neue Künstler abermals unterstreicht. Mögen die einen von Befindlichkeitspop, die anderen von einem Meisterwerk sprechen – die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte.
Video: SOHN – Artifice