Für gewöhnlich bekommt man vom Herstellungsprozess einer neuen Platte abseits der üblichen Promofloskeln auf Facebook und Co. relativ wenig mit. Kurz bevor eine neue Single oder ein neues Album fertig ist, wird von den Labels mit blumigen Worten die Werbetrommel gerührt, und wenig später landet die Musik in den Läden. Dass hinter einer Platte allerdings wesentlich mehr steckt, kann sich jeder denken. Doch der 30-jährige Wahl-Kölner Alex Ketzer wollte es genauer wissen. Für sein neues, derzeit noch in der Finanzierungsphase befindliches, Buch-Projekt Beyond Plastic sprach der freiberufliche Art-Direktor und Grafik-Designer mit Labels wie Giegling, Smallville, Freude am Tanzen, Workshop Sound, Uncanny Valley sowie Shops, Vertrieben und anderen Institutionen elektronischer Musik wie decks.de, Oye Records, Dubplates & Mastering und Rand Muzik über die Geschichten hinter dem schwarzen Gold. Er wollte „herausfinden, wie viel Arbeit, Leidenschaft und Herzblut in einem Release steckt und was überhaupt alles anfällt, bevor die Scheiben dann im Plattenladen des Vertrauens stehen.“
Wenn das Crowdfunding auf startnext.de innerhalb der nächsten 26 Tage erfolgreich sein sollte (was zuletzt auch schon dem Distillery-Film oder dem neuen Leipziger Club Institut fuer Zukunft gelang), soll Beyond Plastic in bereits etwa zwei Monaten in Druck gehen und einen Blick hinter die Kulissen des Vinyl-Business bieten, welche heute vor allem oft hingebungsvolles Hobby als wirkliches Geschäft ist. Wir haben mit Alex über sein geplantes Buch und die Arbeit daran gesprochen.
Alex, wann bist du auf die Idee gekommen, ein Buch rund ums Vinyl zu veröffentlichen?
Als kreativen Ausgleich zu meinem normalen Job versuche ich einmal im Jahr, ein freies Projekt in Kombination mit Reisen zu verwirklichen. Nach meinem letzten Buch – meiner Bachelor-Arbeit über Fernfahrer, Trucker und Co. – hatte ich mal wieder Lust „auf Tour“ zu gehen und überlegte schon länger nach einem passenden Thema. Mich interessierte es, was das wohl so für Typen sind, die meine Lieblingsplatten rausbringen, und welchen Weg die Musik gehen muss, bevor sie im Plattenladen meines Vertrauens steht. So kam eins zum anderen. Nach einer ausführlichen Recherche zu den einzelnen Labels, wurde ich noch neugieriger darauf, die Leute hinter zu den Kulissen persönlich kennenzulernen und ging im Sommer 2012 auf Interview-Reise. Nach zwei Wochen kehrte mit 23 Stunden Interview-Aufzeichungen, etwa 1.500 Fotos und einem Kofferraum voller Platten zurück nach Köln und legte gespannt los.
Mit welchem Konzept bist du an die Sache gegangen und wonach hast du deine Interview-Partner ausgewählt?
Ein großes Konzept hatte ich eigentlich gar nicht, es war viel mehr eine Idee, die ihren Lauf genommen und sich entwickelt hat, ohne sie bewusst in irgendwelche Bahnen zu lenken. Meine Interview-Partner habe ich ganz subjektiv ausgewählt: Es waren die Labels, deren Platten ich zu der Zeit am liebsten und meisten gehört habe. Der Rest ergab sich ganz von selbst, zum Beispiel wurde ein Großteil dieser Platten bei Dubplates & Mastering in Berlin gemastert und bei R.A.N.D. in Leipzig gepresst, da war schnell klar, dass ich auch zu diesen beiden „Institutionen“ wollte, um herauszufinden, was den fetten Sound von Vinyl ausmacht. Die Auswahl der Kulissen habe ich den Protagonisten überlassen. Ich wollte die Interviews in einer für sie vertrauten Umgebung führen, um möglichst authentische Momentaufnahmen zu bekommen. Ein Großteil fand sogar in den Wohnungen der Labelmacher statt, was zudem für eine sehr private Gesprächsumgebung sorgte und so vielleicht die ein oder andere „Off-The-Record“-Story an den Tag brachte.
Ein wichtiger Faktor war sicherlich auch, dass es zwar ein grobes Fragen-Gerüst gab, ich aber meist versucht habe – sofern möglich – das Gespräch sich selbst zu überlassen, um den Leuten auch Sachen entlocken zu können, die sie vielleicht nicht als Antwort auf meine Fragen gegeben hätten. So kam es bei drei bis vier Interviews sogar vor, dass die Protagonisten eine Stunde frei erzählt haben, ohne dass ich überhaupt nur eine Frage stellen musste. Diese Offenheit und Authentizität spiegelt sich auch im Buch wieder, da die Interviews nur wenig gekürzt wurden und sich im Gegensatz zu einem Magazin mit begrenztem Platz frei entfalten können – wenn es sein muss auch schon mal über 24 Seiten.
Was hast du selbst Neues über Vinyl bei der Arbeit an dem Buch gelernt, was hat dich vielleicht sogar erstaunt oder verwundert?
Erstmal fand ich es sehr angenehm, wie „normal“ und bodenständig die meisten der Befragten waren. Ich wurde überall mit offenen Armen empfangen und die Reaktionen auf mein Projekt waren durchweg positiv. Richtig interessant war der technische Aspekt, den ich durch die Besuche im Mastering-Studio und Presswerk mitbekommen konnte. Was also alles erst mal anfällt, bevor nur eine Platte gepresst ist. Was mir nur ansatzweise bewusst war und mich überrascht hat, war, dass die Labels untereinander so krass vernetzt sind: da ruft der X vom A-Label schon mal den Y vom B-Label an und fragt, wie eigentlich eine CD gepresst wird und was eigentlich ein Glasmaster ist, oder umgekehrt hilft man sich aus, wenn man mal keine PVC-Hüllen mehr auf Lager und der andere noch den Keller voll hat.
Sehr inspirierend für mich war, dass ich viele neue Labels und Platten durch die Interviews kennengelernt habe, die ich am liebsten auch noch alle interviewt hätte, was aber aufgrund der begrenzten Zeit leider nicht möglich war. Erstaunt hat mich doch ein wenig die Tatsache, dass sich mit Vinyl – zumindest in den Auflagen, in denen sich die befragten Labels bewegen – nicht wirklich Geld verdienen lässt. Und wenn eine Platte mal gut läuft und ein bisschen Kohle abwirft, muss man das wieder beiseite legen, falls die nächste Platte nicht so gut läuft. Das war mir nicht so bewusst. Auch dass sich fast alle neben dem Beruf und mehr oder weniger als Hobby um ihre Labels kümmern, hatte ich so nicht auf dem Schirm. Ganz und gar nicht überrascht hat mich jedenfalls die Tatsache, dass alle Interview-Partner auf Vinyl schwören und man diese Begeisterung und das Brennen dafür sehr gut spüren konnte. Ich hatte von jedem Label ein gewisses Bild vor Augen, dass sich durch die Gespräche mit den Machern zum Großteil bestätigt hat – das war eine sehr schöne Erfahrung.
Wann soll – bei erfolgreichem Crowdfunding – das Buch erscheinen?
Wenn das Crowdfunding erfolgreich war, wird das Buch noch mal ordentlich lektoriert und geht dann direkt in Druck. Vom 25. Oktober bis zum 15. November findet in der Kölner Galerie „Büro für Brauchbarkeit“ eine kleine Ausstellung von Beyond Plastic statt und bis dahin wäre es schön, wenn alles fertig ist – das Buch mit CD und die Special Editions mit Poster und 12-Inch-Vinyl. Neben der Präsentation des Buches, wird dort auch eine Dokumentation der Interview-Tour mit Fotos, Ö-Tönen und Infos zu den teilnehmenden Labels zu sehen sein. Diejenigen, die beim Crowdfunding mitgemacht haben, können dann bei gedämpftem Licht und Klängen von Vinyl ihr Exemplar persönlich in Empfang nehmen.