Steuert man auf der Suche nach Young Echo die Webseite des Kollektivs aus Bristol an, dann stößt man dort zuallererst auf den Podcast, den die fünfköpfige Gruppe in unregelmäßigen Abständen in die Weiten des Internets aussendet. Ein Blick auf die Gästeliste der Sendung, die unter anderen den House-Avantgardisten Jamal Moss, den Bristoler Dubstep-Paten Pinch und den Drone/Noise-Künstler The Haxan Cloak versammelt, gibt eine ungefähre Vorstellung von den Klängen, die auf Nexus (Ramp), dem Young Echo-Debütalbum, zu finden sind. Die bekanntesten Vertreter des Kollektivs, dessen Mitglieder in diversen Kombination weitere Untergruppen bilden, heißen Vessel und Kahn. Während ersterer im vergangenen Jahr mit Order Of Noise (Tri Angle) ein hochgelobtes Album zwischen Ambient, Industrial und Techno vorlegte, machte letzterer mit einer Reihe von Maxi-Singles auf sich aufmerksam, auf denen er die britischen Bassmusik-Stile – stets unter deutlichem Reggae-Einfluss – durchexerzierte. Auf Nexus knüpft die gesamte Gruppe an diese musikalischen Koordinaten an und verschmilzt sie zu einem mäandernden Fluss aus Drones, verschleppten Beats, wummernden Bässen und Echo-Effekten. Jede Menge Echo-Effekte, um genau zu sein – denn passend zum Namen der Gruppe ist der gemeinsame Nenner ihrer Musik vor allem Dub. Nexus besitzt dank der Gastbeiträge von Sängern und Rappern und atmosphärischer Zwischenspiele eine geschickt ausgeklügelte Dramaturgie. Ein neues Blue Lines für die zehner Jahre kommt dabei zwar am Ende nicht heraus, dafür aber ein erstaunlich reifes Statement der jüngsten Produzenten-Generation Bristols.
Stream: Young Echo – Blood Sugar
Nicht zum Young Echo-Kollektiv gehört der aus Manchester stammende Alex Coulton, der mit seiner jüngsten 12-Inch „War Games / Pointe Noire“ (Dnuos Ytivil) aber nahtlos an die Ästhetik der Gruppe anknüpft. Nachdem Coulton in vergangener Zeit vor allem mit UK House (unter anderem für Labels wie Hypercolour und 2nd Drop) auf sich aufmerksam gemacht hat, ist seine neue Platte von einem ganz anderen Kaliber. „War Games“ ist ein kongenialer Broken-Beat-Track mit Samurai-Film-Samples und tonnenschwerem Dubstep-Basslauf, die B-Seite bietet eine Bass-House-Exkursion mit Tribal Drums für die dunkelsten Tanzflächen des Planeten.
Stream: Alex Coulton – War Games / Pointe Noire (Clips)
In ein ähnlich lichtscheues Umfeld gehört auch das aktuellste Vinyl-Lebenszeichen von Helix. Wer dem Twitter-Profil des Produzenten aus der US-Südstaaten-Metropole Atlanta folgt, könnte leicht den Eindruck bekommen, er sei ein großmäuliger Gangster-Rap-Fan mit White-Trash-Hintergrund. So weit ab vom Schuss liegt man mit dieser Vermutung nicht, schließlich verscherbelt er unter dem Namen Trakmaster auch Ghetto-House-Edits diverser Rap-Hits. Als Helix hat er eine durchschlagende Mischung aus Südstaaten-Bounce und minimalistisch-brachialem Techno entwickelt, die 2012 auf Maxi-Singles wie „Stacks Riddim“ (All Caps) und „Drum Track“ (Night Slugs) zu hören war. Auch für seinen aktuellen Beitrag zur „Club Constructions“-Serie von Night Slugs macht es sich seine Außenseiter-Position wieder zunutze: „Whoosh Ice Dispenser“ räumt mit wirbelnden Kickdrums und hüpfenden Crunk-Bässen einfach alles aus dem Weg, „Linn Jam“ (in zwei Versionen) ist genialer Techno-Brutalismus und das siebenminütige „Damnson“ lässt er einfach mit einem drei Minuten langen Handclap-Loop auslaufen. Im Fall von Helix heißt es allemal: Frechheit siegt!
Stream: Helix – Club Constructions Vol. 4 (Clips)
Im kalten Finnland werkelt Risto Roman alias Desto bereits seit Jahren an seiner Version von Hip-Hop-beeinflusster Bassmusik. Sein Klangdesign wird noch stärker von Handclaps und 808-Drums dominiert als bei Helix. Hinzu mischt Desto anstelle von Techno Stilelemente von Grime und Jungle. Seine tiefergelegten Beats präsentiert er nun in Album-Länge unter dem Titel Emptier Streets (Rwina) – mit Höhen und Tiefen.
Stream: Desto – Emptier Streets
Noch so ein Außenseiter ist Lil Jabba: Der Australier studiert in seinem zweiten Leben Kunst in Baltimore an der US-Ostküste, malt großformatige Gemälde und ist gleichzeitig Mitglied der Footwork-Clique Teklife um DJ Rashad und DJ Spinn. Mit dem Segen der Chicagoer Pioniere versehen, entwirft Lil Jabba auf seinem Debütalbum Scales (Local Action) eine eigensinnige Version des Stils, der ungewöhnliche Klangquellen mit originalem Juke-Bounce vermählt.
Stream: Lil Jabba – Maven
Knapp zweihundert Kilometer weiter nordöstlich meldet sich unterdessen der Produzent Kingdom mit dem fantastischen Mini-Album Vertical XL zu Wort. Mit seinem Label Fade To Mind hatte sich der New Yorker zuletzt um die Renaissance des Ballroom House verdient gemacht. Nach eigenen Ausflügen in das Gebiet der Voguing-Musik klingt seine neue EP wieder breiter gefächert. Kingdom vereint auf Vertical XL wie niemand zuvor Ballroom-Einflüsse mit Soul-Elementen und Synthie-Pop zu extrem ansteckendem Cyber-R&B.
Stream: Kingdom – Vertical XL (Preview)