In einem ihrer wenigen Interviews sprachen Daft Punk mit uns über ihre neue, Ende kommender Woche erscheinende Platte Random Access Memories, ihr erstes reguläres Album seit acht Jahren. Thomas Bangalter vom französischen Duo erklärt, warum sie für das Album fast vollständig auf den Einsatz von Synthesizern und Drumcomputern verzichteten, wie sie die Gastmusiker auswählten und was es mit dem Marketing-Hype auf sich hat. Und ganz zum Schluss kommt sogar der ansonsten wortkarge Guy-Manuel de Homen-Christo noch zu Wort.
Euer neues Album Random Access Memories erscheint Ende nächster Woche. In den vergangenen Wochen wurde die Spannung unter anderem mit TV-Spots und Plakatwänden angeheizt. Wie sehr seid ihr in das Marketing des Albums involviert?
Thomas Bangalter: Sehr. Für uns ist das Plakat zu einem Film genauso wichtig wie der Film selbst. Und wir haben unser Marketing immer als eine Fortsetzung unseres kreativen Prozesses gesehen. Wir wollten für die neue Platte Aufregung erzeugen. Als es darum ging, wie wir dieses Album präsentieren wollen, haben wir beschlossen, einige Ideen aufzugreifen aus der Zeit bevor es Internet und MTV gab. Als man den Sunset Boulevard entlang fahren und das Plakat für ein neues Album von David Bowie oder Pink Floyd sehen konnte. Unsere Vorstellungskraft spricht diese Art von physischer Präsenz stärker an als zum Beispiel Internetwerbung. Wir wollten keine Online-Banner schalten und wir kommunizieren auch selbst kaum durch das Internet, wir haben keine Twitter-Konten. Wir mochten die Idee, das Internet unserem Publikum zu überlassen.
„Über hundert Leute haben an dieser Platte gearbeitet, es hat fünf Jahre gedauert, um sie fertigzustellen.“ (Thomas Bangalter)
Aber erst durch das Internet wurde der Großteil des Hypes generiert. Könnt Ihr Leute verstehen, die schon genervt sind von immer neuen Daft Punk-Info-Häppchen?
Thomas Bangalter: Wir versuchen keinen Konsens zu erzeugen und respektieren es, wenn Leute genervt davon sind. Aber Filme oder TV-Serien sollten kein Monopol darauf haben, wenn es um den Versuch geht, einen Event für eine Neuveröffentlichung zu erschaffen. Wir wollten die Musik in der Mainstream-Kultur feiern. In gewisser Hinsicht wollten wir mit diesem Album eine Art Superproduktion machen. Über hundert Leute haben an dieser Platte gearbeitet, es hat fünf Jahre gedauert, um sie fertigzustellen. Wir wollten dieses Konzept einer großen Produktion auch mit dem Marketing weiterführen und auf diese Art auch all den Leuten danken, die daran teilhatten. Aber wir denken nicht, dass wir etwas übersättigt haben. Wir zwingen niemanden, unsere Musik zu kaufen, wir haben kein Musikvideo gemacht und sind nicht in Fernsehsendungen gegangen. Wir haben nur sehr wenig Informationen herausgegeben und die haben sich dann viral überproportional verbreitet. Und wir sind sehr zufrieden, wie enthusiastisch die Reaktionen bislang waren.
Im Unterschied zu Euren bisherigen Alben entstand Random Access Memories fast völlig ohne Drumcomputer und Synthesizer. War das die Ausgangsidee für das neue Album?
Thomas Bangalter: Unsere Single „Around The World“ war damals schon von der Musik von Chic beeinflusst. Die erste Idee für diese Platte war solch eine Art von Musik zu machen, aber mit einem echten Schlagzeuger statt einer Drum Machine. Dann wollten wir auch die Synthesizer durch echte Menschen ersetzen. Wir machen jetzt schon seit 20 Jahren Musik, aber wir haben immer noch keine Ahnung, wie wir nach einer Platte weitermachen. Nach „Da Funk“ wussten wir nicht, dass wir ein Album machen, nach Homework wussten wir nicht, dass wir Discovery machen und so weiter. Aber wir versuchen immer etwas anders zu machen als zuvor. Wir wollen uns selbst überraschen, wir wollen unsere eigenen Regeln brechen und uns neu erfinden. Ich habe zum Beispiel die Soundtracks zu ziemlich extremen Filmen von Gaspar Noé – Irreversible und Enter The Void – gemacht und dann den Soundtrack für den Disney-Film Tron: Legacy. Wir mögen diese Gegensätze. Und es ist ein Gegensatz, der sich auch schon auf unserer ersten Single findet: die hatte „Da Funk“ auf der einen und „Rollin’ and Scratchin’“ auf der anderen Seite, beide Tracks waren völlig unterschiedlich. Und auf diesem Album haben wir sowohl mit Panda Bear als auch mit dem Komponisten Paul Williams zusammengearbeitet, zwei Musiker, die man nicht unbedingt auf einem Album erwarten würde. Aber dieser Kontrast interessiert uns.
Auf dem Album sind fast ausschließlich Instrumente zu hören, die es auch schon gab, bevor elektronische Musik gemacht wurde. Aber die Platte klingt auch deutlich so, als hätte sie nicht vor zum Beispiel 40 Jahren gemacht werden können.
Thomas Bangalter: Wir wollen mit der Platte auch die Grenzen der künstlichen Intelligenz und von digitaler Musikproduktion in Frage stellen. Einerseits klingt das Album schon so, als hätte es vor dem Zeitalter der elektronischen Musik gemacht werden können, aber auf der anderen Seite wäre das unmöglich gewesen. Wir verstecken die Maschinen auf der Platte so wie zum Beispiel Peter Jackson die Maschinen in seinen Herr der Ringe-Filmen versteckt. Auf dem Album gibt es ein Stück wie „Touch“, das überhaupt nicht wie ein technologischer Song klingt, aber er besteht aus 250 einzelnen Spuren, ohne digitale Technologie würde er nicht existieren. Dieses Album ist auch sehr von der Produktionstechnik des Samplens beeinflusst. Wir haben keine Samples benutzt, aber wir wollten die Magie, die in Samples steckt, nachbilden.
Video: Daft Punk feat. Pharrell Williams & Nile Rogers – Get Lucky
Wie seid Ihr an das Album herangegangen? Hattet Ihr digitale Versionen von den Songs bevor Ihr mit Musikern ins Studio gegangen seid?
Thomas Bangalter: 2008 haben wir uns zu zweit in ein Studio eingeschlossen und haben eine Art Blaupause für die Songs des Albums aufgenommen. Von diesen Demoversionen ist nichts auf dem fertigen Album zu hören, aber wir haben die Kompositionen und harmonischen Strukturen darauf als Startpunkt für die weiteren Aufnahmen benutzt. Dann haben wir die besten Session-Musiker und die besten Sänger genommen und sind mit ihnen in die besten Studios gegangen.
Würdet Ihr sagen, dass Ihr von der Arbeit an diesem Album am meisten gelernt habt?
Thomas Bangalter: Wir versuchen uns immer in Situationen zu begeben, in denen wir Dinge lernen können. Das neue Album hat am meisten Zeit in Anspruch genommen, also könnte man in dieser Hinsicht schon sagen, dass wir auch am meisten gelernt haben. Es war auch das Album, das am schwersten für uns zu machen war. Wir mussten viel recherchieren und lernen, wie man Mikrofone platziert oder Overdubs macht. Von Tron einmal abgesehen, war das schließlich unser erstes Album, das wir nicht zu Hause, sondern in einem Studio aufgenommen haben. Aber wir mögen es, uns wie Anfänger zu fühlen. Das macht es aufregend für uns.
Die Liste der Gastmusiker auf Eurem Album ist lang und abwechslungsreich: von Disco-Pionier Nile Rodgers bis zur House-Legende Todd Edwards. Gibt es Musiker mit denen Ihr zusammenarbeiten wolltet, die es nicht auf das Album geschafft haben?
Thomas Bangalter: Nein, die Zusammenarbeit mit den Gästen auf diesem Album ergab sich sehr natürlich. Es sind entweder alte Bekannte von uns oder Personen, die wir wirklich bewundern. Giorgio Moroder haben wir zum Beispiel kennengelernt, als wir an Tron gearbeitet haben und Julian Casablancas von den Strokes kannten wir durch einen gemeinsamen Freund. Aber wir wollten auch zeigen, dass einige dieser Leute, wie Giorgio Moroder oder Nile Rodgers, nach wie vor da sind. Wir wollten Musik zusammen machen, bei der wir das Gefühl hatten, dass sie gerade nicht angesagt ist. Wir wollten Musik machen, die wir selber gerne im Radio hören würden.
Habt Ihr jemals darüber nachgedacht mit Kraftwerk zusammen zu arbeiten?
Guy-Manuel de Homem-Christo: Nein, wir arbeiten nie mit Robotern.
Der zweite Teil des Interviews mit Daft Punk ist ab dem 20. Juni im kommenden Groove-Heft zu finden.