Genauer gesagt Datenmüll, denn zu dem wird selbst die allerbeste Musik, wenn ihr Hörer nicht mehr weiß, dass er sie irgendwo auf einer Festplatte gespeichert hat. Na gut, bei einer Platten- oder CD-Sammlung vergisst man gelegentlich auch die ein oder andere Scheibe, passiert aber wesentlich seltener. Doch das ist nicht der einzige Müllstatus, den Musik laut Hans Platzgumer und Didi Neidhart im Jahr 2012 einnehmen kann. In ihrem Essay Musik = Müll beschreiben die beiden Co-Autoren, warum die absichtliche Produktion von Müll heute genauso zum Medienalltag gehört wie der achtlose Musikkonsum im Minutentakt. Und die beiden wissen, wovon sie schreiben. Der Komponist, Autor und gelernte Elektroakustiker Hans Platzgumer spielte und produzierte unter anderem mit den Goldenen Zitronen, Tocotronic und HP Zinker. Außerdem sind House- und Technoplatten von ihm bei Labels wie Domino Records oder Playhouse erschienen. Didi Neidhart ist seit mehr als 30 Jahren DJ und Musikjournalist, außerdem popkultureller Forscher und Chefredakteur des österreichischen Musikmagazins Skug.
Doch trotz der geballten Sachkenntnis der beiden wird das gut 130 Seiten starke Buch nie wichtigtuerisch oder professorenhaft, was hauptsächlich an einem erfrischenden Generationenkonflikt liegt: Hans Platzgumer hat nämlich einen schwer pubertierenden Sohn, der die allerschlimmste aktuelle Popmusik als Rebellionsgrundlage gegen seinen schwer im Underground verwurzelten Musikervater nimmt. Was zu amüsantem Musikunterricht am Küchentisch führt. Auftretende Protagonisten sind: Gonjasufi, David Guetta, Pink Floyd, Skream, DJ Bobo oder MIA. Nebenbei stimmen Platzgumer und Neidhart noch in den Abgesang auf die Musikindustrie ein („Geld und Gier als Antrieb“), rechnen mit Spotify & Co. ab („Das ist digitale Prostitution!“) und erklären uns, warum Musikkauf 2012 eigentlich freiwilliges Spenden ist („Bezahlt wird nur noch aus Überzeugung oder Dummheit!“). Gegen Ende kommen beide zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik, die stellenweise zu weit geht respektive zu kurz greift. Abgesehen davon ist Musik = Müll jedoch ein sehr unterhaltsames Plädoyer für eine musikalische Wertschätzungs- oder zumindest Aufmerksamkeitssteigerung. Denn: Soll doch ruhig jeder hören, was er will. Hauptsache, er hört es richtig an.
Hans Platzgumer / Didi Neidhart: Musik = Müll (Limbus Verlag, Innsbruck 2012, 128 Seiten, 10 Euro)