burger
burger
burger

GESTALTER Zeke Clough

- Advertisement -
- Advertisement -

Text: Florian Sievers
Erstmals erschienen in Groove 137 (Juli/August 2012)

Psychedelisch anmutende Skulpturen aus Schädeln und Augen, gezeichnet im Stil von Comics der Sechziger-Gegenkultur: Solche Cover für das legendäre Bassmusik-Label Skull Disco von Shackleton und Appleblim haben Zeke Clough bekannt gemacht. Er gestaltet bis heute fast alle Platten seines Jugendfreunds Sam Shackleton – und verziert in Japan auch mal echte Totenköpfe mit seinen signifikanten Schraffurlinien.

Der Verschlag stand hinten im Garten, ein ehemaliger Hühnerstall, sein Vater hatte darin seine Werkstatt untergebracht. An der Tür flatterten einige zerrissene Aufkleber mit farbigen Monsterköpfen, die irgendwer dort vor Jahren hingepappt haben musste. Faszinierende, mysteriöse Bilder für den kleinen Zeke Clough, der hier während seiner Jugend in einer Industrie-Kleinstadt im Nordwesten Englands gerne spielte. Seine Fantasie entzündete sich daran. Erst viel später fand er heraus, dass die seltsamen Monsterfragmente Zeichnungen von Basil Wolverton waren, einem US-amerikanischen Comiczeichner, der in den vierziger und fünfziger Jahren recht berühmt war und der seine Strips in den frühen Marvel Comics sowie den ersten MAD-Ausgaben veröffentlicht hatte.

(Bilder zum Vergrößern anklicken!)

„Die Wolverton-Aufkleber sind eine meiner ersten und bis heute prägenden Inspirationen“, sagt Zeke Clough. Und in der Tat, die minutiös schraffierten, kurvigen und häufig irgendwie verrottet aussehenden Figuren des US-Zeichners hallen noch heute in seiner Arbeit nach. Diese wurde einem größeren Publikum vor allem über die Cover für das Dubstep-Label Skull Disco bekannt, die Clough für alle zehn Veröffentlichungen gestaltete, bevor die Labelbetreiber Sam Shackleton und Laurie „Appleblim“ Osborne das Projekt einstellten. Das Cartoon-Design hat vermutlich ebenso viel wie die freigeistige Bassmusik von Shackleton und Appleblim zu dem Kultstatus beigetragen, den Skull Disco bis heute innehat.

Clough ist ein eigenwilliger Typ, im positiven Sinn. Der 39-Jährige spricht ein Nordenglisch, das aus Entspanntheit ein bisschen klingt wie runtergepitcht. Schon in der Schule hatte er den ebenfalls eigenwilligen Sam Shackleton kennengelernt, der ein Jahr jünger ist und den er irgendwann stets auf denselben Punk- und Indie-Konzerten traf. So wurden die beiden Freunde und starteten gemeinsam das Fanzine Butterfly Stomach, in dem sie Bands wie die Noiserocker Big Black featureten. Das Cover von deren EP „Headache“ (1987 bei Touch & Go erschienen), auf dem sich eine Faust aus einem zerfasernden, schwarz-weiß gezeichneten Kopf rammt, während die Augen an langen Stielen rausploppen, schwingt heute ebenfalls noch in Cloughs Stil nach.

 

Stile aufsaugen

Der Gestalter, der schon als Kind Zeichnen liebte, hat eine Kunsthochschule besucht und später Illustration in Leeds studiert. Nach weiteren Stationen, unter anderem in Manchester, wo er Teil des Improv-Noise-Projekts Levenshulme Bicycle Orchestra war, ist er heute im eher durchschnittlichen 110.000-Einwohner-Städtchen Preston gelandet, das ebenfalls in Nordwest-England liegt und aus dem auch Mary Anne Hobbs stammt. Ein Grund für den Umzug war seine Freundin, die dort wohnt. Aber Clough war auch einfach genervt von großen Städten und wollte Ruhe und die Nähe zur Natur. „Hier habe nicht so viel Ablenkung und kriege mehr auf die Reihe“, erklärt er.

Das Studium hat Clough nach eigener Aussage nicht sonderlich viel gebracht. Mehr habe er davon gelernt, andere Zeichner zu analysieren und deren Techniken und Stile aufzusaugen. So lassen sich hinter Cloughs Schraffurzeichnungen nicht nur Basil Wolvertons fleischige Figuren entdecken, sondern etwa auch die LSD-verspulten Cartoons von Robert Crumb (Fritz the Cat) sowie allgemein der Freakout-Stil der Sechziger-Gegenkultur-Bildgeschichten von Zap Comix. Auch die knallbunten Cover, die Gary Panter in den Achtzigern für diverse Punkbands und -compilations angefertigt hat, die verwesenden Puppen des Horrormanga-Zeichners Hideshi Hino, der brüchige Futurismus von Judge Dredd oder die psychedelischen Farborgien des japanischen Pop-Art-Künstlers Keiichi Tanaami finden sich in Cloughs Gestaltungen wieder.

 

Wuchernd ausufernde Skulpturen

Dieses wüste Panoptikum aus Sechziger-Drogencartoons, Punk und Noiserock, rausfliegenden Augen sowie Tod, Teufel und Verwesung mündete schließlich in die morbiden Cover von Skull Disco. Sie sind allesamt per Hand gezeichnet und verweisen auf eine reizvolle Art in ihrer Heavy-Metal-Haftigkeit und Verkifftheit auf die Musikvorlieben und Freizeitvergnügen der Provinz. Shackleton hatte seinen alten Jugendfreund um das Design gebeten, als er das Label 2005 zusammen mit Appleblim gründete, und ließ ihm dabei vollkommen freie Hand. Auf der ersten Skull Disco-Katalognummer, „I Am Animal/Mystikal Warrior“, trommelten zunächst noch recht klobige Skelette ekstatisch zum Weltuntergang. Auf den Covern der Folgenummern wurden die Zeichnungen dann immer detaillierter und barock verschnörkelter, sie zeigten wuchernd ausufernde Skulpturen aus Knochen, Augen, Schlangen, Hodensäcken und Nägeln. Der besondere Charme dabei: Diese seltsamen Endzeit-Szenen wirkten stets sowohl finster als auch irgendwie niedlich-verspielt.

Ab der Skull:06, „Soundboy’s Ashes Get Chopped Out And Snorted“, erweiterte Shackleton das Skull Disco-Spektrum um eine Prise Ägyptologie. „Er hat mir von Anubis erzählt“, erinnert sich Clough, „und ich habe mich dann in die Mythologie eingelesen, weil ich sie so faszinierend fand.“ In der Folge fanden sich ägyptische Gottheiten wie der schakalköpfige Anubis oder Thoth mit seinem Ibisschädel (neben einer eine Art Baum ausspeienden Chimäre) auf den Covern. Ein weiteres übersinnliches Wesen findet sich auf der Skull:09, „Death Is Not Final“: Dort versucht ein aufgebrachter ziegenfüßiger Satansbock, sich selber zu erhängen – mit Erfolg, wie man auf der Rückseite sieht. Aber warum eigentlich? „Keine Ahnung“, sagt Clough, „das war auch Sams Idee. Ich war zu der Zeit sehr inspiriert von dem Logo der norwegischen Black-Metal-Band Darkthrone mit seinen unheimlichen Adern und Blitzen. Das hat auch viel zum Resultat beigetragen.“ Neben etwas Black Metal hier und da oder japanischem Gitarrenkrach hört Clough übrigens alle möglichen Arten von Musik, immer obsessiv, aber schnell wechselnd. Zurzeit pflügt er unter anderem die Webseite Awesome Tapes From Africa durch, die Kassetten aus afrikanischen Ländern digitalisiert ins Netz stellt.

 

Alleine klarkommen

Cloughs eigene Lieblingscover von Skull Disco sind die Skull:08 mit ihrem roten Hintergrund („Wahrscheinlich die am stärksten metalmäßige, aber ich mag diesen Mischmasch von Fleisch und Knochen sehr gern.“) sowie die zehnte und letzte 12-Inch, weil er dort für das Lettering mit dem Berliner Künstler CrippaXXXalmqvist zusammenarbeiten konnte. Nach dem Ende von Skull Disco 2008 übernahm Clough die Gestaltung für Sam Shackletons neues Label Woe To The Septic Heart, auf dem gerade auch dessen neue Doppel-CD Music For The Quiet Hour / The Drawbar Organ EPs erschienen ist. Zudem hat der Gestalter das Ausgangsmaterial für die 12-Inches von Shackleton bei Honest Jon’s geliefert, darunter das baumartig ausgekratzte und großartig suggestive Geisterwesen auf dem Cover der „Deadman“-EP. Hier zeigte er, dass er viel mehr kann als immer nur Schraffurmonster.

Zwischendurch hat Clough auch mal einen Fahrradrahmen gestaltet, außerdem in Japan einen echten Totenschädel, eine Gasmaske und eine Lederjacke verziert sowie im Hamburger Golden Pudel Club eine ganze Wand bemalt. Gerade arbeitet er an einer neuen Ausgabe seines eigenen, unregelmäßig erscheinenden Fanzines Proto Murk. Dazu kommen das Coverdesign für das neue Acid-Ragga-Label von The Bug sowie ein Comic zusammen mit Baron Mordant, Betreiber des obskuren UK-Labels Mordant Music. Reicht das alles, um davon zu leben? „Gerade so! Es ist anstrengend. Aber ich mag es, hart zu arbeiten und dafür dann alleine klarzukommen.“

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Marrøn: „Ich bin als DJ auf der Tanzfläche geboren”

Für Marrøn ging es vom Parkett auf die Tanzfläche – uns hat er unter anderem erzählt, warum er seine Profisportlerkarriere gegen die DJ-Booth eintauschte.

A100 in Berlin: Nie wieder Autobahn

Berliner Clubs und Initiativen haben wieder gegen den Ausbau der A100 demonstriert – wir haben uns vor Ort umgehört.

Waking Life 2024: Der Schlüssel zum erholsamen Durchdrehen

Das Waking Life ist eine Anomalie in der Festival-Landschaft, was programmatischen Anspruch und Kommerzialität anbetrifft. Wir waren dabei.