Text: Emma Warren, Übersetzung: Matthias Jost
Erstmals erschienen in Groove 132 (September/Oktober 2011)
Zu sagen, die Gestalterin Kate Moross sei gut im Geschäft, wäre eine glatte Untertreibung: Sie kreierte 2008 eine Kollektion für die englische Modekette Topshop und im Jahr davor, ihrem zweiten an der Uni, erhielt sie den Auftrag, eine Plakatkampagne für den britischen Schokoladengiganten Cadbury zu entwickeln. Doch ihr Herz hängt an unbezahlten Aufträgen – wie etwa dem für den mysteriösen Bassproduzenten Zomby.
Kate Moross telefoniert in einer Ecke ihres Studios in der Londoner Innenstadt. Der Raum ist ein bunter Mix aus Grund-, Pastell- und Neonfarben, jede Menge Plunder, Bilder und Sammelobjekte stehen und liegen neben ordentlich organisiertem Referenzmaterial. Es ist ein aufgeräumtes Paradies für Zwangshamsterer. Über ihrem Kopf hängt eine riesige graue Druckertafel aus den Achtzigern, auf der einst Aufträge mittels bunter Zettel angezeigt wurden – eine Art analoger Excel-Tabelle. Darunter sitzt Moross an ihrem Bildschirm und hackt die letzten technischen Details ihres bevorstehenden Auftritts beim Glastonbury-Festival in die Tasten, wo sie gemeinsam mit dem Musikjournalisten Paul Gorman bei einem DJ- und VJ-Set das Leben und das Werk des wegweisenden Punk- und Progrock-Coverdesigners Barney Bubbles feiern wird.
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Der Auftritt ist einer von Hunderten von Jobs, die Kate Moross von diesem Studio aus durchgezogen hat, seit sie vor einigen Jahren mit ihrer Arbeit begonnen hat. So ist es im Prinzip ihre Schuld, dass das Dreieck zum visuellen Kürzel für coole Subkultur-Internet-Landschaften der späten 2000er wurde. „Aus irgendeinem Grund geriet das Dreieck-Ding außer Kontrolle“, sagt sie mit einem schiefen Lächeln. „Ich will das nicht abwerten, denn es ist ein großer Teil von mir, und es ist eine wunderschöne, verzahnte Form. Und jetzt hat es seltsame kulturelle Referenzpunkte – nicht aus der Vergangenheit, sondern aus dem Jetzt. Aber ich will nicht aufhören, es zu verwenden, nur weil andere es verwendet haben, denn das wäre traurig. Es ist ein großartiges grafisches Symbol.“
Für eine Designerin von ihrem Rang, Namen und Status bei Großkonzernen ist es zumindest ungewöhnlich, dass sie auch kleine 50-Euro-über-Paypal-Aufträge annimmt – einfach nur aus Lust an der Sache. So hat Moross, die Moderat, Gold Panda, Jean Michel Jarre, Madlib und Dilla als Lieblingsmusiker nennt, unter anderem Logos, Poster und Vinyletiketten für eine Reihe von Musikern gestaltet, etwa Tom Vek, Simian Mobile Disco oder den Untergrund-Mysteryman Zomby. „Ich bekomme jeden Tag zwei oder drei Angebote, die ich nicht annehmen kann“, sagt sie, während sie auf einem weißen Sessel mit einer Selbstgedrehten in der Hand aus dem Fenster auf den Dachgarten ihres Nachbarn blickt. „Aber gelegentlich kommt da was aus dem Nebel, das ich einfach tun muss.“ Für Tom Vek erstellte Moross ein Tourposter für einen Auftritt in Birmingham: eine Explosion von schiefen isometrischen Formen, sowjetischer Bildsprache aus einem Paralleluniversum und gewellter Grundfarben-Psychedelik. Zu ihren Arbeiten für Zomby gehören Vinyletiketten für die 2008er Ramp-Veröffentlichung „The Lie“ sowie im Jahr darauf das komplette Artwork für die „One Foot Ahead Of The Other“-EP. Moross lieferte an Zomby auch Myspace-Hintergründe mit Präferenzanweisungen und Farbskalen, die normalerweise nur an Drucker geschickt werden. „Auf diese Arbeit bin ich wirklich stolz“, sagt die Designerin. „Ich bin seither mit Zomby in Kontakt, aber nie persönlich. Er kommuniziert mit mir über Twitter, und manchmal schreibt er mir in einer Fremdsprache wie Thai, damit ich das dann mit Babelfish übersetzen muss. Es ist mir egal, dass ich ohne Honorar für ihn gearbeitet habe, denn die Arbeit, die wir geleistet haben, ist super. Er ist nicht unbedingt die professionellste Person, der ich je begegnet bin – oder nicht begegnet bin. Aber der Spaß ist es wert.“
„Dinge, die sich richtig anfühlen“
Kate Moross arbeitet häufig im Bereich zwischen Design und Musik. Sie hat sogar mal ein eigenes Plattenlabel betrieben, Isomorph, wo sie limitierte 7- und 10-Inches von Synthiepop- und Indierock-Bands wie Midnight Juggernauts oder Heartsrevolution veröffentlichte. Auf dem Label erschienen fünf Releases, jedes mit aufwendigen, schweren Hüllen mit genau den teuren Elementen, die Labels normalerweise zu vermeiden versuchen, etwa Ausstanzungen und Hohlprägungen (siehe auch Peter Savilles berüchtigte gestanzte Hülle für New Orders „Blue Monday“, ein 12-Inch-Bestseller, der angeblich mit jeder verkauften Einheit Verlust machte, weil die Herstellung so teuer war). „Ich entwerfe gern Dinge, weil sie schön aussehen, aber ich entwerfe auch gern Dinge, die sich einfach richtig anfühlen“, sagt Moross und nimmt die Isomorph-Platte des Projekts Pictureplane in die Hand. „Wir stecken mitten in einer Rezession, ich werde keine Millionen für diese Platte ausgeben. Aber ich kann etwas herstellen, das sich luxuriös anfühlt, ohne allzu teuer zu sein. Hier haben wir schweres weißes Vinyl verwendet und eine eigenartige strukturierte Strudellandschaft, die ich entworfen habe. Ich habe dafür kreisförmige Referenzpunkte benutzt, schrieb den Projektnamen in Runen und fügte einige Hakenkreuze und Davidsterne hinzu, die ich gern in Sachen reinzwänge.“ Moment, ein Hakenkreuz? Ja, denn es gibt, wie Moross sagt, eine „riesige Bewegung“ von Menschen, die das Hakenkreuz wieder für sich reklamieren: „Ich bin Jüdin und wurde auch ziemlich jüdisch erzogen. Aber ich finde es traurig, dass so ein tolles Symbol von Grauen verschüttet bleiben soll.“
Etwas besorgt darüber, dass solche Äußerungen über das wohl kontroverseste Symbol in Westeuropa den Leuten einen falschen Eindruck vermitteln könnten (in Nordindien oder Nepal etwa findet man das ursprünglich hinduistische Hakenkreuz an Bussen, Gebäuden und auf Kleidungsstücken), wechseln wir das Thema und kehren zu Moross’ aktueller Arbeit zurück. Ja, sie liebt den analogen Lowtech-Charme von Vinyl, aber sie ist „ebenso verliebt“ in Hightech. Ihre Designs für die „Granimator“-App, mit der man individuelle Hintergründe für sein iPad entwerfen kann, gehört zu den beliebtesten. Und Moross zeigt sich sehr begeistert von der Möglichkeit, digital Filmmaterial zu drehen, zu schneiden und zu gradieren, ohne sich dafür an eine große Postproduktionsfirma wenden zu müssen. Musikvideos sind in der Tat ein Neuzugang auf dem Moross-Lebenslauf – obwohl sie ja eigentlich nur eine Erweiterung ihrer Gewohnheit sind, die Artdirektion immer für komplette Projekte zu übernehmen, vom Logo bis zur Verpackung. Momentan arbeitet sie für Life In Film, eine Band, die noch keinen Plattenvertrag hat. Für sie hat Moross eine Schwarz-Weiß-Stop-Start-Animation aus Tausenden von GIF-Dateien erstellt. „Das habe ich praktisch allein geschnitten“, erklärt sie. „Es war ziemlich seltsam, mich da hineinzudenken, Mikrosekunden von Material zu schneiden. Es war sehr systematisch, sie im Takt mit der Musik zu loopen. Ich versuche jetzt ständig, Videoideen unterzubringen. Es ist schon verrückt, wie das funktioniert. Du kannst mit dreihundert Vorschlägen ankommen und einen Auftrag im Jahr erhalten. In der Filmwelt ist es viel schwerer, Leute dazu zu bringen, deine Arbeit zu bemerken.“
Video: Simian Mobile Disco – Audacity Of Huge
Letztendlich ist Kate Moross eine hochbegabte Designerin, die alles mit einer dynamischen „Packen wir’s an“-Haltung angeht. Die Welt ist eine große Ästhetik-Samplingbank, alles ist ein visual edit. Moross ist außerdem erfrischend ehrlich und mehr von Ideen motiviert als von dem Geld, das sie mit ihren Fähigkeiten verdienen kann – obwohl kein Zweifel daran besteht, dass sie für ihre Aufträge von Großkonzernen großzügige Honorare erhält. Sie hat mit alternativen Wirtschaftsformen experimentiert und sich etwa von Kunden in Vinyl bezahlen lassen. „Ich mag es, mit Ware bezahlt zu werden, denn das fühlt sich an, als würde jemand Sachen für dich aussuchen“, sagt sie. Und sie bietet auf ihrer Website auch Tauschgeschäfte an: Wer ihr etwas schickt, bekommt etwas von ihr zurückgeschickt. „Leute kommen an und sagen: ‚Mein Freund hat Geburtstag, und ich möchte ihm eins deiner T-Shirts schenken, aber das kann ich mir nicht leisten. Was kann ich dir anfertigen und schicken, damit ich das T-Shirt bekomme?’ Das ist für mich genauso viel wert wie Geld, weil jemand genauso viel Arbeit investiert wie ich. Jemand muss sich hinsetzen, darüber nachdenken, zur Post gehen und Zeit und Energie dafür verwenden. Leute schicken mir unglaubliche Zeichnungen und Poster, die sie in der Schule gemacht haben. Einiges davon ist für mich wertvoll. Es ist nur für mich individualisiert. So etwas sehe ich nicht als Fanpost an – das geht in beide Richtungen.“